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Satzungsleistung der TK
Studie: Höhere Kassen-Ausgaben bei Homöopathie
Nach einer neuen Langzeit-Auswertung von Daten der Techniker Krankenkasse verursachen homöopathisch behandelte Versicherte überdurchschnittlich hohe Kosten: In einem Zeitraum von 33 Monaten lagen diese rund 20 Prozent über denen einer Vergleichsgruppe.
Viele Krankenkassen erstatten inzwischen ärztliche Leistungen aus dem Bereich der Homöopathie: Über Selektivverträge können Versicherte beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse (TK) innerhalb von zwei Jahren eine ausführliche Erst-Anamnese sowie mehrere Folgetermine erstattet bekommen, anschließend folgt ein Jahr Zwangspause. Die Verträge werden von einer Managementgesellschaft des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVHÄ) organisiert. Diese Verträge stehen immer wieder in der Kritik.
Ein Forscher-Team der Berliner Charité hat sich nun mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Kassen durch den Einsatz von Homöopathie Geld einsparen oder ob die Anwendungen der Versichertengemeinschaft sogar zusätzliches Geld kosten. „Kritische Stimmen argumentieren zunehmend, dass die Erstattung homöopathischer Behandlungen eine Geldverschwendung ist“, schreiben die Gesundheitsökonomen von der Charité in ihrem Artikel im Fachmagazin „PLOSone“ – auch werde dies als indirekte Legitimierung eines nichtwissenschaftlichen Konzeptes angesehen. Doch da zumindest der Placebo-Effekt Patienten helfen könnte, wäre es durchaus möglich, dass sich die Ausgaben für die Kassen dennoch rechnen – vom Werbeeffekt für neue Versicherte ganz abgesehen. Oder steigen die Kosten, wenn durch unwirksame Behandlungen Krankheiten verschleppt werden? Um dies zu ermitteln, haben die Berliner Forscher um Thomas Reinhold mit Unterstützung der TK Langzeitdaten zu den resultierenden Kosten ausgewertet.
Schon eine erste Auswertung der Berliner Charité hatte vor zwei Jahren ergeben, dass die TK innerhalb eines 18-monatigen Zeitraums im Mittel mehr für Patienten ausgeben musste, nachdem diese am Homöopathie-Programm teilgenommen haben. Doch nehmen die Kosten im weiteren Verlauf vielleicht ab – und unterschreiten sie erst später die Durchschnittskosten? In ihrer nun durchgeführten Analyse widerlegen die Forscher dies jetzt: Sie verglichen die Ausgaben von 21.939 Versicherten aus der „Homöopathie-Gruppe“ mit den Ausgaben von 21.861 medizinisch und demografisch entsprechenden Versicherten. Dabei wurde auch darauf geachtet, dass die Homöopathie-Versicherten vor Eintritt in das Programm vergleichbare Kosten verursachten, wie Versicherte aus der Kontrollgruppe.
2000 Euro Zusatzkosten pro Versichertem
Innerhalb eines Zeitraums von 33 Monaten nach Eintritt in das Homöopathie-Programm hatte die Krankenkasse im Schnitt gut 12.400 Euro Gesamtkosten pro Versicherten, während es bei den übrigen Versicherten nur rund 10.400 Euro waren. Dabei waren nicht die Ausgaben für die homöopathische Behandlung ausschlaggebend: Die größten Kostenunterschiede betrafen Produktivitätsverluste durch Arbeitsunfähigkeit: Hier lagen die Versicherten aus der Homöopathie-Gruppe mit durchschnittlich 6.300 Euro fast 800 Euro über der Vergleichsgruppe. Für alle untersuchten Diagnosen „generieren Homöopathie-Patienten höhere Kosten als die Kontroll-Patienten“, halten die Forscher in ihrer Studie fest.
Dabei nahmen viele Versicherte die Homöopathie-Leistungen nur zu Beginn wahr: Innerhalb eines halben Jahres sank die Zahl „rapide“, schreiben die Wissenschaftler – und nahm innerhalb des Beobachtungszeitraums weiter ab.
Weshalb kommt es zu der Kostensteigerung? „Ich mag nicht sagen, dass es die Schuld der Homöopathen ist“, erklärt Studienautor Reinhold gegenüber DAZ.online. Dennoch gebe es bei Homöopathie grundsätzlich immer das Problem, dass Krankheiten verschleppt werden können, wenn auf andere wirksame Therapien verzichtet wird. „Im Worst-Case kann man auch in eine Situation rutschen, in der eine Heilung gar nicht mehr möglich ist“, erklärt Reinhold.
Doch die Studie konnte diese Frage naturgemäß nicht beantworten, da entsprechende Daten nicht vorliegen. Gleichzeitig macht der Forscher auch auf eine Schwäche der retrospektiven Analyse aufmerksam: In Hinblick auf die der Kasse bekannten Daten sind die beiden Versichertengruppen gut vergleichbar – doch es kann unbekannte Patienteneigenschaften geben, die die Vergleichbarkeit der Gruppen einschränken. Dies könne nur ausgeschlossen werden, indem Versicherte zufällig zur Homöopathie-Behandlung zugeteilt werden, oder nicht. Vorteile der Studie sind hingegen mit rund 43.800 Versicherten die Größe – und dass Patienten aus ganz Deutschland betrachtet wurden.
Ein Pressesprecher der TK nimmt gegenüber DAZ.online zur Frage, wie die Kasse die Ergebnisse bewertet, keine Stellung – sondern verweist lediglich darauf, dass die Studie ja die Vordaten bestätige. Die Kasse evaluiere regelmäßig alle Selektivverträge, betont er. „Die Kosten sind dabei ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt der Überprüfung“, erklärt der Kassensprecher. Die Frage, inwiefern sich die Kasse im Allgemeinen an dem Ziel orientiert, wirksame und kosteneffektive Therapien zu erstatten, bleibt wiederum unbeantwortet.
In einem Jahr sollten Ergebnisse zu einer weiteren Studie vorliegen: Reinhold untersucht mit seinen Kollegen, wie es den Patienten jeweils geht. Hierzu erheben sie über Fragebögen beispielsweise die Lebensqualität der Versicherten.
4 Kommentare
Fakten
von Michael Sauerborn am 13.07.2019 um 8:24 Uhr
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AW: Fakten
von Roger Rissel am 30.01.2020 um 22:22 Uhr
Zahlen endlich auf den Tisch!
von Dr. Hans-Werner Bertelsn am 22.09.2017 um 13:01 Uhr
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Nebelkerze
von Dr. Hans-Werner Bertelsn am 22.09.2017 um 12:51 Uhr
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