Gepanschte Zubereitungen?

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zyto-Apotheker

Bottrop - 17.07.2017, 17:00 Uhr

Der Apotheker muss sich derzeit wegen schwerer Vorwürfe verantworten. (Foto: DAZ.online)

Der Apotheker muss sich derzeit wegen schwerer Vorwürfe verantworten. (Foto: DAZ.online)


Ein Apotheker aus Bottrop soll in mehr als 50.000 Fällen Arzneimittel gestreckt und Krankenkassen um rund 2,5 Millionen Euro betrogen haben. Nun hat die Staatsanwaltschaft Essen Anklage gegen den Apotheker erhoben, der seit mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft sitzt.

Wie am heutigen Montag durch einen Bericht des Recherchebüros Correctiv bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Essen Anklage gegen einen Zyto-Apotheker aus Bottrop erhoben. Bereits am Donnerstag sei diese eingegangen, erklärte ein Sprecher des Landgerichts Essen gegenüber DAZ.online. Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Apotheker soll über 50.000 Infusionen insbesondere von Zytostatika gestreckt und damit womöglich Patientenleben in Gefahr gebracht haben. Außerdem soll er Krankenkassen durch Abrechnung falscher Wirkstoffmengen um mehr als 2 Millionen Euro betrogen haben.

Zum Inhalt der Anklage will sich die Staatsanwaltschaft derzeit nicht äußern. Stattdessen erklärte die Pressesprecherin auf Nachfrage, dass in den nächsten Tagen weitere Informationen bekanntgegeben würden. Bislang nahmen weder der Apotheker noch seine Anwälte Stellung zu den Vorwürfen – auch nicht auf Nachfrage von DAZ.online. Der Phamazeut sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft, welche im Juni verlängert worden war.

Nachdem die Staatsanwaltschaft zunächst nur von wenigen Arzneimitteln gesprochen hatte, ist inzwischen klar, dass knapp 50 Wirkstoffe betroffen sein könnten. Diese hat die Stadt Bottrop auf ihrer Homepage aufgelistet. Laut Staatsanwaltschaft hatte der Apotheker offenbar signifikant weniger Wirkstoff eingekauft als abgegeben – teils womöglich nur 20 Prozent der abgerechneten Wirkstoffmenge.

Angehörige wollen Klagen

Zur Information möglicherweise betroffener Bürger hatte die Stadt Bottrop eine Hotline eingerichtet. Angehörige von Patienten, die Infusionen von dem Zyto-Apotheker bekommen hatten, wollen demnächst Klage einreichen. Zwar lässt sich schwer nachweisen, inwiefern mögliche Unterdosierungen tatsächlich zu Gesundheitsproblemen oder einem früheren Tod von Krebspatienten geführt haben. Doch die Anwältin Sabrina Diehl hofft, aufgrund der Schwere der Vorwürfe, vor Gericht eine Beweislastumkehr durchsetzen zu können.

Da Zytostatika, die der Bottroper Apotheker hergestellt hat, auch in klinischen Studien verwendet wurden, hatte auch das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) gewarnt. „Das BfArM hat Kenntnis davon erhalten, dass auch Prüfpräparate für klinische Studien in der betreffenden Apotheke hergestellt bzw. rekonstituiert worden sind“, erklärte die Behörde im Dezember. Sollte der Apotheker tatsächlich nicht die richtigen Wirkstoffmengen verwendet haben, wie es ihm für die Abgabe an Patienten vorgeworfen wird, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf Studienergebnisse und somit die Therapie vieler Patienten haben.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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