PREFERE-Studie

(K)ein Ende mit Schrecken

München - 23.11.2016, 07:00 Uhr

Die Kritik reißt nicht ab: „Ich
sehe keine Rechtfertigung zur Unterstützung der PREFERE-Untersuchung.“ (Foto: freshideas / Fotolia)

Die Kritik reißt nicht ab: „Ich sehe keine Rechtfertigung zur Unterstützung der PREFERE-Untersuchung.“ (Foto: freshideas / Fotolia)


Ist Deutschlands größte Krebsstudie zum Scheitern verurteilt? Onkologen wollten in der PREFERE-Studie verschiedene Therapieoptionen des Prostatakarzinoms vergleichen. Bis heute ist es nicht gelungen, ausreichend viele Patienten zu rekrutieren. Trotz deutlicher Kritik sträuben sich die Initiatoren, ihr Projekt zu stoppen. 

Prostatakarzinome gehören zu den häufigsten Krebserkrankungen des Mannes. Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts diagnostizieren Ärzte bei 50.000 Männern pro Jahr die Krankheit, und mehr als 10.000 Männer sterben daran. Etwa 90 Prozent der Erkrankten und 96 Prozent der Verstorbenen sind älter als 60 Jahre. Angesichts dieser Zahlen haben gesetzliche Krankenkassen und private Krankenversicherungen beschlossen, mit der Deutschen Krebshilfe Untersuchungen durchzuführen. 

Vergleich verschiedener Therapien

Gemeinsam stellten sie rund 25 Millionen Euro für die „Präferenzbasierte randomisierte Studie zur Evaluation von vier Behandlungsmodalitäten bei Prostatakarzinom mit niedrigem und frühem intermediärem Risiko“ (PREFERE) zur Verfügung. Ziel ist, vier leitliniengerechte Behandlungsoptionen zu vergleichen. Patienten werden randomisiert einer Gruppe mit operativer Entfernung der Prostata, mit externer Bestrahlung, mit Bestrahlung mit implantierten Strahlungsquellen („Seeds“) oder – nur bei Progression – mit aktiver Überwachung („Watchful Waiting“) zugeordnet. PREFERE soll noch bis 2030 laufen.

PREFERE eine „Fehlinvestition“

Bereits zu Beginn der Studie kritisierte Ian F. Tannock, Onkologe aus Toronto: „Ich sehe keine Rechtfertigung zur Unterstützung der PREFERE-Untersuchung.“ Es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass die Anwerbung vollständig durchgeführt werde. Auch würden Fragen untersucht, die bereits Thema anderer Untersuchungen gewesen seien. Tannock erwartet „allerkleinste Unterschiede zwischen den Behandlungsmöglichkeiten bei einer geringen Prostatakrebs-bedingten Todesrate“ als Resultat. Gleichzeitig schrieb der Arzt, es gebe „viele wichtigere und durchführbarere Fragen“.

Gegenüber der Ärzte Zeitung kam Professor Dr. Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit zu einer ähnlichen Einschätzung: „Die Studie ist eine Fehlinvestition, weil die Unterschiede zwischen den Gruppen wegen der niedrigen Sterblichkeit nur gering sein werden. Alle internationalen Versuche, vierarmige Studien zu machen, wurden abgebrochen. Meiner Auffassung nach sollten die Studienleiter das Design verändern.“

Beide Experten behielten Recht. Pro Jahr gelang es Ärzten, lediglich 220 Männer zu rekrutieren. Um das Ziel von 7.600 Teilnehmern zu erreichen, wären 1.900 Patienten pro Jahr erforderlich. Davon sind die Organisatoren meilenweit entfernt. Wohl, weil Patienten die Behandlungsart nicht dem Zufall überlassen wollen: Laut „Spiegel online“ seien es bis Ende Juni nur 384 gewesen. Als Mindestteilnehmerzahl, um die Studie fortzuführen, wurden 500 genannt. Trotzdem gab es bislang kein offizielles Statement zur Beendigung, sondern lediglich eine Podiumsdiskussion mit Kritikern

PREFERE: Krisentreffen in München

Am 2. November folgten zahlreiche Onkologen einer Einladung der Stiftung Männergesundheit. In München wurden methodische Schwächen von PREFERE kritisiert. Unter anderem sollten Patienten per Zufall einer Behandlungsgruppe zugeordnet werden. „Dabei war bereits aus anderen Studien bekannt, dass ältere Männer mit Prostatakrebs ungern die Therapiewahl dem Zufall überlassen“, kommentiert die Stiftung Männergesundheit. Als weiteren Fehler stuften Experten die große Bandbreite an Therapieoptionen ein – von der radikalen OP bis zu „Watchful Waiting“. Prof. Dr. Franz Porzsolt aus Ulm resümierte: „Die Studie muss sofort abgebrochen werden, um nicht weitere Patienten dem Experiment auszusetzen.“

„Irritiert über die Initiative“

Organisatoren hören dies nicht gerne. „Hierbei handelte es sich nicht um eine Presseveranstaltung der Förderer der Studie“ erklärte Dr. Svenja Ludwig von der Krebshilfe gegenüber DAZ.online. „Sowohl die Deutsche Krebshilfe als auch die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen sind vielmehr irritiert über diese Initiative, die ohne die Einbindung der Förderer und sachkundigen Studienleiter stattgefunden hat.“ Ludwig weiter: „Die PREFERE-Studie wird nach wie vor von den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen sowie der Deutschen Krebshilfe gefördert.“ Zu einem möglichen Abbruch will sie sich nicht äußern. „Über den Studiensachstand wird derzeit planmäßig in den zuständigen Gremien der Förderer beraten.“ 



mh / DAZ.online


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2 Kommentare

Randomisierung

von Michael Mischer am 23.11.2016 um 8:33 Uhr

"Dabei war bereits aus anderen Studien bekannt, dass ältere Männer mit Prostatakrebs ungern die Therapiewahl dem Zufall überlassen."

Spannende Aussage!

Die Annahme der Studie war doch, dass vollkommen unklar sei, ob eine und wenn ja welche der Therapieoptionen für das lokal begrenzte Prostatakarzinom (und damit eben nicht die vom Vorredner genannten Therapieoptionen für das fortgeschrittene Prostatakarzinom) einen Vorteil biete.

Wie bitteschön sollen denn unter dieser Ausgangslage Erkenntnisse gewonnen werden, welche Therapie zu bevorzugen ist, wenn nicht durch eine (hier ja auch sehr eingeschränkte) zufällig Verteilung der Patienten? Die Artikel der DAZ-Evidenzssprechstunde illustrieren diese Problematik sehr gut verständlich.

Und wenn ich dann noch lese, dass Erkenntnisse aus dem Ausland vermuten lassen, dass die 4 Optionen (radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie und aktive Überwachung) gleichwertig seien, dann frage ich mich schon, weshalb die beteiligten Ärzte nicht mehr Patienten überzeugend beraten konnten.

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Prefere Studie

von J. Barth am 23.11.2016 um 7:47 Uhr

Hinzu kommt noch der Umstand, dass es derzeit 10 Varianten der medikamentösen Sequenztherpie gibt. Davon ist derzeit aber auch unklar "which one is best"
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