Zytostatika-Ausschreibungen

Der 150-Millionen-Euro-Deal steht vor dem Aus

Berlin - 26.09.2016, 12:45 Uhr

Martin Litsch sieht im Markt der Zyto-Zubereitungen mehr Einsparpotenzial als die Apotheker offerieren. (Foto: AOK Mediendienst)

Martin Litsch sieht im Markt der Zyto-Zubereitungen mehr Einsparpotenzial als die Apotheker offerieren. (Foto: AOK Mediendienst)


Dass sich Krankenkassen und Apotheker im Streit um die Zytostatika-Ausschreibungen untereinander einigen, wird immer unwahrscheinlicher. Der Deutsche Apothekerverband hatte den Kassen das Angebot gemacht, auf Honorare in Höhe von etwa 150 Millionen Euro zu verzichten. Die Kassen wollen aber höhere Honorareinbußen, der DAV verweigert sich.

Seit Wochen streiten sich Apotheker und Krankenkassen über die derzeitige Ausschreibungspraxis im Zytostatika-Bereich. Der AOK-Bundesverband hatte die Versorgung im Sommer erneut in mehreren Regionen exklusiv an ausgewählte Apotheken vergeben. Sowohl Ärzte, Apotheker und auch teilweise Patienten beschweren sich aber über heftige Qualitätsverluste in der Versorgung.

Das Handelsblatt hatte Anfang September berichtet, dass die Apotheker den Krankenkassen ein ungewöhnliches Angebot unterbreitet hatten, in der Hoffnung, dass die Kassen auf exklusive Zyto-Ausschreibungen verzichten: Die Apotheker sollen sich dazu bereit erklärt haben, auf rund 150 Millionen Euro pro Jahr bei der Bezahlung für Zytostatika-Zubereitungen zu verzichten.

DAV-Mitgliederversammlung bereit für Honorarverzicht

Aus Verhandlungskreisen heißt es in der Tat, dass die DAV-Mitgliederversammlung Ende August ein solches Angebot beschlossen hat: Die Verbandschefs der Apotheker haben einige Textpassagen der Hilfstaxe, in der die Vergütung für Zyto-Apotheken festgelegt ist, geändert. Insgesamt sollten die Kassen mit dem Vorschlag der Pharmazeuten zwischen 130 und 150 Millionen Euro sparen. Die Strategie dahinter: Die Kassen sparen mit dem „Geschenk“ der Apotheker pro Jahr schon so viel, dass sich Ausschreibungen gar nicht mehr lohnen.

Der GKV-Spitzenverband hat dieses Angebot in den vergangenen zwei Wochen geprüft. Anscheinend sind die Kassen mit der Offerte der Apotheker aber nicht zufrieden. Denn der Kassenverband schickte den Apothekern dem Vernehmen nach eine Einladung, um nochmals über die Höhe des Honorarverzichts zu sprechen. Die Antwort der Apotheker war eindeutig: Der DAV soll darauf hingewiesen haben, dass er von seinen Mitgliedern kein weiteres Verhandlungsmandat habe und die Höhe des Angebotes so feststehe.

AOK: Apotheker scheinen Angebot nicht ernst zu meinen

Die Fronten sind derzeit also – wie so oft – verhärtet zwischen Kassen und Apothekern. Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, wies am Rande der Vorstellung des Arznei-Verordnungsreportes darauf hin, dass die Offerte der Apotheker aus seiner Sicht zu niedrig ist: „Wir erzielen durch diese Ausschreibungen finanzielle Einsparungen in Höhe von 20 bis 30 Prozent von einem Gesamtmarkt, der über drei Milliarden Euro wert ist. Im Gegensatz dazu bietet der DAV, der die Ausschreibungen unbedingt abschaffen möchte, in den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband derzeit einen Nachlass von 130 Millionen Euro. Dabei weiß man, dass dies nur ein Bruchteil des tatsächlich vorhandenen Potenzials ist.“

Dass die Apotheker über die Höhe ihres Honorarverzichts nicht mehr verhandeln möchten, interpretiert Litsch so: „Dass man es mit diesem Angebot nicht ganz so ernst gemeint hat, zeigt auch, dass der DAV einen wichtigen Verhandlungstermin kurzfristig abgesagt hat.“

Vor der versammelten Hauptstadtpresse verteidigte Litsch zudem die Ausschreibungspraxis der AOK. Mit den Zyto-Verträgen gebe es deutlich höhere Maßstäbe an die Qualität der Versorgung als noch in der Kollektivversorgung. Alle bezuschlagten Apotheken müssten innerhalb von 45 Minuten liefern können, versicherte der Kassenchef. Es sei außerdem schizophren der AOK vorzuwerfen, mit den Ausschreibungen gehe sie gegen die Apotheker vor. Ganz im Gegenteil: Die Apotheke vor Ort werde gestärkt.

Wenn sich Apotheker und Kassen nicht untereinander einigen, wird ein Einschreiten der Politik immer wahrscheinlicher. CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich hatte kürzlich Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen für Zytostatika ins Spiel gebracht. Aber auch das lehnt die AOK ab.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Schon irre...

von Michael Mischer am 27.09.2016 um 8:11 Uhr

... die einen fürchten um ihre Existenz, kämpfen nahezu verzweifelt gegen eine Deckelung der 3% und zumindest eine Erhöhung der Btm- und Rezepturzuschläge (auch wenn das nur als Tropfen auf den heißen Stein gesehen wird).
Die anderen können mal eben so mir nichts dir nichts auf 150 Mio verzichten und müssen sich anhören, dass diese Summe nur ein Bruchteil dessen sei, was durch Ausschreibungen erlöst werde.
Besser kann man die Ungleichheit nicht illustrieren.

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Wir ....

von gabriela aures am 26.09.2016 um 14:54 Uhr

..leisten uns 131 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland.
Ab und an fusionieren zwei Kassen,
dabei weiß man, dass dies nur ein Bruchteil des tatsächlich vorhandenen Potenzials ist

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