Schärfere Regeln für Drogenausgangsstoff

Harte Zeiten für Crystal-Meth-Hersteller

21.09.2016, 17:15 Uhr

Schön anzuschauen: Doch Crystal Meth hat zerstörerisches Potenzial. (Foto: Kaesler Media / Fotolia)

Schön anzuschauen: Doch Crystal Meth hat zerstörerisches Potenzial. (Foto: Kaesler Media / Fotolia)


Die illegale Herstellung von Crystal Meth wird erschwert. Der Handel mit Chlorephedrin – dem Ausgangsstoff für Metamphetamin – wird künftig EU-weit kontrolliert. Weniger Ausgangsstoff – weniger Droge: Das ist die Hoffnung der Politiker.

Crystal Meth ist in Deutschland verboten. Sowohl der Besitz und der Konsum der Droge als auch der Handel damit. Anders sah es bislang mit Chlorephedrin aus – dem Ausgangsstoff für die Herstellung von Crystal Meth: Der Handel mit dem Ephedrinderivat war bisher nicht strafbar.

Das hat sich geändert: Chlorephedrin ist nun „erfasster Stoff“ im Anhang eins der EU-Verordnungen 273/2004 und 111/2005. Diese regeln den Handel und die Überwachung mit Drogenausgangsstoffen zwischen der EU und Drittländern.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml begrüßt, dass die EU-Kommission ihren gemeinsamen Vorschlag mit Bayerns Justizminister Winfried Bausback „so zügig umgesetzt hat“. Durch stringentere Vorschriften beim Verkehr mit der Ausgangssubstanz Chlorephedrin, verspricht sich die Ministerin eine bessere Basis im Kampf gegen den Konsum von Crystal Meth. Bayern und Sachsen sind nach dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung vom Juni 2016 Schwerpunktregionen für das Crystal-Aufkommen in Deutschland. So hofft auch Bausback auf eine rasche Umsetzung der Chlorephedrinreglementierung für Deutschland:


Jetzt muss der Bund schnell die notwendigen Änderungen im deutschen Recht vornehmen! Denn: Je früher wir diesem Teufelszeug einen auch strafrechtlichen Riegel vorschieben, desto besser!

Winfried Bausback, Justizminister in Bayern


Tschechien ist nach wie vor die Hauptproduktionsstätte für Crystal Meth. Hinweise, dass Crystal Meth ein zunehmendes Problem auch in Deutschland darstellt, liefert die Kriminalstatistik: Unter allen synthetischen Drogen, weisen die Delikte beim Amphetamintyp die größte Steigerung auf – elf Prozent – und erreichten 2015 mit 48.497 bislang ihren Höchstwert.

Gemeinsame Basis: Crystal Meth und Aspirin Complex

Wie der Name bereits vermuten lässt, dienen Drogenausgangsstoffe der Herstellung illegaler Drogen. Die Crux bei diesen chemischen Substanzen ist, dass sie zwar missbräuchlich hierfür verwendet werden können, jedoch auch legale Verwendungszwecke – zum Beispiel die Herstellung von Arzneimitteln – haben. Somit ist ein generelles Verkehrsverbot dieser Substanzgruppen nicht umsetzbar. Die EU begegnete dieser Herausforderung in den Neunzigerjahren mit gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Überwachung und Kontrolle des Handels mit sogenannten Drogenausgangsstoffen. Ziel war und ist, die illegale Abzweigung und missbräuchliche Verwendung zumindest zu kontrollieren und einzudämmen.

Im Falle von Crystal Meth kann neben Chlorephedrin auch Pseudoephedrin als Startprodukt der Synthese eingesetzt werden – ein Wirkstoff, der in den apothekenpflichtigen Grippemitteln Aspirin Complex und Boxagrippal jedem Patienten zugänglich ist, der über Schnupfen klagt. Pseudoephedrin und Ephedrin sind bereits „erfasste Stoffe“ der EU-Verordnung 273/2004. 

„Panzerschokolade“ – was macht Crystal?

Crystal Meth ist keine neue Erfindung in der Drogenwelt. Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurde Methamphetamin an die Deutsche Wehrmacht verteilt und sollte die Soldaten leistungsfähiger machen. Pervitin® war der damalige Handelsname für die Droge – umgangssprachlich wurde der Muntermacher auch als „Panzerschokolade“ bezeichnet. Pervitin® verschwand allerdings nicht zeitgleich mit den Panzern aus dem deutschen Arzneimittelmarkt: Es war bis 1988 erhältlich.

Methamphetamin ist das methylierte Derivat des Amphetamins. Durch die Alkylgruppe erhöht sich die Lipophilie des Moleküls, was mit einer besseren Penetration der Blut-Hirn-Schranke und folglich höherer Bioverfügbarkeit im Zentralnervensystem (ZNS) einhergeht. Hier fördert das indirekt wirkende Sympathomimetikum die Freisetzung der Catecholamine Noradrenalin und Dopamin und erhöht die Konzentration der Transmitter im synaptischen Spalt. Dieser Mechanismus funktioniert unabhängig vom Signalimpuls des Neurons.

Die ergotrope Wirkung des Stimulans zeigt sich in euphorischem Verhalten, gesteigerter Konzentration und vermindertem Schlafbedürfnis der Konsumenten. Das Hungergefühl wird unterdrückt, die Risikobereitschaft und das sexuelle Verlangen sind hingegen erhöht.

Langfristig kann der Crystalkonsum zu Psychosen und Halluzinationen führen. Die Konsumenten magern meist stark ab und werden anfälliger für Infektionen. Seit 2014 hilft die Beratungs-Hotline „Drug-Stop“ Abhängigen per Telefon und E-Mail. 

Crystal-Beratungs-Hotline

Telefonnummer 0941/569 582 901

E-Mail-Adresse telefonberatung@drugstop.org.

Amphetamin als Arzneimittel

Nicht jeder Konsum von Amphetaminen ist illegal. Manche gibt es sogar auf Rezept: Dexamfetamin, das rechtsdrehende Enantiomer des Amphetamins, ist zugelassen für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Das Arzneimittel zählt nicht zu der First-line-Therapie und sollte erst eingesetzt werden, wenn die Therapie mit Methylphenidat (Ritalin®) nicht angeschlagen hat.

Dexamfetamin unterliegt den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Panzerschokolade - Pervitin - Crystal

von Wolfgang Ewert am 22.09.2016 um 14:55 Uhr

Sie schreiben es:
"Crystal Meth ist keine neue Erfindung... Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurde Methamphetamin ... verteilt ...Es war bis 1988 erhältlich." - in beiden deutschen Staaten.

Wo waren damals, Nachkriegszeit, die Probleme mit Meth?

Tauchten die Probleme, die Crystal Meth heute bereitet, nicht erst mit/ nach dem Verbot auf? Ist vielleicht das Verbot das Problem?

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