Tag des Versuchstieres am 24. April

„Wir können Tierversuche nicht ersetzen“

Würzburg/Berlin - 23.04.2014, 11:25 Uhr


Jedes Jahr werden an Millionen Tieren neue Arzneimittel oder Behandlungsmethoden getestet. Nach Daten des Bundesverbraucherministeriums waren es 2012 in Deutschland mehr als drei Millionen Fische, Vögel und Vierbeiner. Anlässlich des Internationalen Tags des Versuchstieres am 24. April prangern Tierschützer mit bundesweiten Aktionen die ethisch umstrittenen Versuche an. Für Wissenschaftler sind sie jedoch notwendige Grundlage für ihre Forschungen.

Prof. Martin Lohse von der Universität Würzburg erklärt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: „Es gibt riesige Forschungsfelder, die man auch ohne Tierversuche bearbeiten kann.“ Allerdings gebe es auch Bereiche, in denen Tierversuche erforderlich seien – etwa in der Medizin und Biomedizin, wenn es um Phänomene im intakten Organismus gehe, wie beim Blutdruck. Ein anderer Bereich, in dem Tierversuche notwendig seien, sei die Entwicklung von Impfstoffen: „Wenn es um die Frage geht, ob ein Impfstoff wirkt, braucht man den Gesamtorganismus.“

Welche Tiere besonders geeignet sind, hält der promovierte Neurobiologe für „eine ganz schwierige Frage und auch eine, die wissenschaftlich immer wieder neu bewertet werden muss“. Man müsse sich zum Beispiel fragen, welche Tiere für welche Erkrankungen ein geeignetes Modell bildeten und welche ethisch vertretbar seien. „Zum Beispiel gilt das Schwein, was den Kreislauf betrifft, als relativ gutes Modell. Aber die große Mehrzahl an Tierversuchen wird an Mäusen und Ratten durchgeführt.“

Lohse rät, die kontroverse Diskussion über Tierversuche „ganz offen“ zu führen. Sowohl auf die Schwierigkeiten als auch die Vorteile müsse dabei eingegangen werden. „Je transparenter man das anspricht – etwa, dass es um die Wahrung von Patienteninteressen oder um neue Strategien für bisher nicht ausreichend behandelbare Krankheiten geht –, desto deutlicher wird, dass alles eine Abwägung ist. Und die muss unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten der Patienteninteressen getroffen werden.“

Sollten Tierversuche künftig eingeschränkt oder verboten werden, betont Lohse: „Auf dem Stand von heute können wir Tierversuche nicht ersetzen.“ Denke man an die Entwicklung von Arzneimitteln, seien die Alternativen, keine neuen Arzneimittel mehr zu entwickeln oder das Risiko verstärkt auf den Menschen zu verlagern. Seine Schlussfolgerung: „Es würde sich die Situation ergeben, dass Patienten oder Probanden erstmals Arzneimittel verabreicht werden müssten, die vorher noch nicht ausreichend getestet wurden.“


dpa/DAZ.online


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