Rechtsprechung aktuell

Versendung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln an Arztpraxen ist wettbewerbsw

Wie bereits kurz in der Apotheker Zeitung (AZ) dieser Woche gemeldet, hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass der Impfstoffversand aus Apotheken an Ärzte als organisierter Vertriebsweg mit § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO unvereinbar und wettbewerbswidrig ist. Das Verbot des § 8 Abs. 1 HWG, nach dem auf den Bezug apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege des Versandes nicht werblich hingewirkt werden darf, gilt auch für den Impfstoffversand aus Apotheken an Ärzte. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2000, Az. I ZR 294/97)

In den letzten Jahren hatte sich die Rechtsprechung wiederholt mit der Frage zu befassen, ob der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel an Ärzte zum Zwecke der Anwendung des Präparats am Patienten als begründeter Einzelfall im Sinne des § 17 Abs. 2 ApBetrO zulässig ist. Die Instanzgerichte verhielten sich zu dieser Frage nicht einheitlich (vgl. dazu ausführlich: Cyran/Rotta, ApBetrO, Stand: Juli 2000, § 17 Rdnr. 90 ff.; 103 f.). Besondere Brisanz erhielt diese Problematik durch die Änderung des § 43 Abs. 1 AMG im Zuge der 8. AMG-Novelle: Danach dürfen apothekenpflichtige Arzneimittel außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel an Arztpraxen grundsätzlich nicht erlaubt ist. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich dies bereits aus dem uneingeschränkten Wortlaut des § 17 ApBetrO, der nicht danach unterscheidet, an wen Arzneimittel versandt werden, und dem Umstand, dass das Verbot des Arzneimittelversandes an Ärzte auch zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung geeignet ist.

Eine einschränkende Auslegung des § 17 ApBetrO, dass sich das Versandverbot nicht auf den Versand von Arzneimitteln an Ärzte erstreckt, kommt danach nicht in Betracht. Der Information und Beratung durch den Apotheker bedürften nämlich nicht nur die Patienten, die nicht immer über die erforderlichen pharmakologischen Fachkenntnisse zur Beurteilung der Arzneimittel verfügten, vielmehr könne ein solches Bedürfnis auch bei Ärzten bestehen. Auch wenn der Arzt die Wahl des geeigneten Präparats treffe, entbinde dies den Apotheker nicht von seiner sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 ApBetrO ergebenden Verpflichtung, auch die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist.

Eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung setze auch die sachgerechte Information und Beratung dieses Personenkreises voraus. Auch wenn die Beratung hier nicht stets in gleicher Weise wie bei Patienten notwendig sei, sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Versandverbot auch Arzneimittel erfasse, bei denen eine Beratung und Information nicht unbedingt erforderlich wäre oder möglicherweise eine schriftliche bzw. telefonische Kontaktaufnahme ausreiche. Dem Verordnungsgeber müsse es nämlich aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit grundsätzlich gestattet sein, generalisierende Regelungen zu treffen.

§17 ApBetrO muss restriktiv ausgelegt werden

Nach Auffassung der Karlsruher Richter gebietet jetzt das in § 43 Abs. 1 AMG enthaltene Versandhandelsverbot, § 17 ApBetrO restriktiv auszulegen: Abgesehen von den Fällen des § 47 AMG sei der Versand von Impfstoffen an Ärzte generell verboten. § 43 AMG enthalte zugleich eine authentische Interpretation des Gesetzgebers für die nicht aufgehobene Beschränkung des Arzneimittelversandes aus der Apotheke nach § 17 Abs. 2 ApBetrO, mit der jede ausdehnende Handhabung des Verbotsdispenses in begründeten Einzelfällen unvereinbar sei.

Ein Inverkehrbringen für den Endverbrauch, wie es in § 43 Abs. 1 AMG heißt, liege auch in der Abgabe des Arzneimittels an einen Arzt, weil auch dieser entweder das Arzneimittel verbrauche, indem er es an einem Patienten anwende, oder es dem Endverbraucher zum Eigenverbrauch überlasse. Ausnahmen von dem Versandverbot gebe es nur streng einzelfallbezogen aufgrund unabweisbarer Notwendigkeit im Patienteninteresse. Freier sei lediglich die in § 17 Abs. 2 ApBetrO gesondert genannte Zustellung durch Boten, auf die sich das Verbot des § 43 Abs. 1 AMG nicht erstrecke. Auch hier müsse aber die Begründetheit der Ausnahme aus einem einzelfallbezogenen Sachbedürfnis folgen: der als Vertriebsweg organisierte Versand von Arzneimitteln an Ärzte aus der Apotheke oder ein entsprechender Botenzustelldienst sei deshalb nicht mehr als begründeter Einzelfall gerechtfertigt.

Versandverbot: Kein Verstoß gegen Berufsausübungsfreiheit

Das Versandverbot an Ärzte verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit. Das Versandverbot berühre zwar dieses Grundrecht. Allerdings sei der Eingriff zulässig: Die gesetzliche Grundlage sei nicht nur in § 43 Abs. 1 AMG, sondern auch in § 17 ApBetrO zu finden. Diese Bestimmungen erfüllten die Anforderungen, welche an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu stellen seien: Danach muss die Grundrechtsbeschränkung durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit wahren.

Diese Voraussetzungen - so der Bundesgerichtshof - seien beim Versandverbot ohne weiteres erfüllt. Das Versandverbot sei geeignet, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, indem es sicherstelle, dass Arzneimittel grundsätzlich nur in den Apothekenbetriebsräumen abgegeben werden dürften und so die Information und Beratung der Kunden ermögliche. Dass Ärzte nicht in jedem Einzelfall der gleichen Beratung bedürften, schade nicht, weil dem Gesetzgeber eine generalisierende Betrachtungsweise erlaubt sei.

Da nicht jeglicher Versand von Arzneimitteln verboten sei, sondern bei unabweisbarer Notwendigkeit im Patienteninteresse verfassungskonforme Ausnahmen im Einzelfall möglich seien und auch Botenzustellungen bei Sachbedürfnis im Patienteninteresse von Fall zu Fall erfolgen könnten, sei die Grenze zur Unzumutbarkeit nicht überschritten. § 47 AMG postuliere zudem Ausnahmen vom Versandhandelsverbot.

Preislisten und Bestellscheine dürfen nicht versendet werden

Der Bundesgerichtshof vertritt weiterhin die Ansicht, dass in der Versendung von Preislisten und Bestellscheinen für Impfstoffe überregional an Ärzte ein Verstoß gegen § 8 Heilmittelwerbegesetz vorliegt. Danach ist jede Werbung unzulässig, die darauf hinwirkt, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege des Versandes zu beziehen.

Nach der Lebenserfahrung ziele eine solche überregionale Werbung selbst dann auf einen Versand, wenn in den Liefer- und Bestellscheinen keine Angaben über die Modalitäten der Belieferung gemacht würden. § 8 HWG sei auch nicht einschränkend auszulegen. Deshalb gelte es auch für Werbung, die sich an Fachkreise richtet. Da der Versandhandel verboten sei, dürfe auch nicht gegenüber Ärzten in einer Weise geworben werden, die auf einen unzulässigen Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Wege des Versandes hinwirke.

Aus den Urteilsgründen

Seinem Wortlaut nach gilt das Versandverbot des § 17 ApBetrO uneingeschränkt und insbesondere unabhängig davon, an wen die Arzneimittel versandt werden. Es umfasst daher nicht nur den Versand von Arzneimitteln an Patienten, sondern auch den Versand von Arzneimitteln an Ärzte. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich nichts anderes (...).

Auch der Systematik der Apothekenbetriebsordnung lässt sich nicht entnehmen, dass nur der Arzneimittelversand an Patienten, nicht aber der Arzneimittelversand an Ärzte verboten sein soll. Die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung sollen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO festlegen, wie die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist. Daraus folgt nicht, dass sich das Versandverbot auf ein Verbot des Arzneimittelversandes an die Bevölkerung direkt, also an Patienten an Endabnehmer beschränkt. Auch das Verbot des Arzneimittelversandes an Ärzte kann die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen, soweit ein solches Verbot der Arzneimittelsicherheit dient.

Aus den Urteilsgründen

Der Information und Beratung durch den Apotheker bedürfen nicht nur die Patienten, die nicht immer über die erforderlichen pharmakologischen Fachkenntnisse zur Beurteilung der Arzneimittel verfügen, vielmehr kann ein solches Bedürfnis auch bei Ärzten bestehen. Zwar obliegt in der Regel dem Arzt und nicht dem Apotheker die Wahl des geeigneten Präparats, da die vom Apotheker abgegebenen Arzneimittel nach § 17 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO den Verschreibungen des Arztes entsprechen müssen. Dies entbindet den Apotheker aber nicht von der aus § 20 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO ergebenden Verpflichtung, auch die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen zu informieren und zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist. Diese Verpflichtung beruht auf der Überlegung, dass die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung eine sachgerechte Information und Beratung auch dieses Personenkreises durch den Apotheker als den Arzneimittelfachmann erfordert. Die wachsende Zahl der Arzneispezialitäten verlangt den wissenschaftlich gebildeten Apotheker. Nur er ist in der Lage, den Überblick über die Arzneimittel zu behalten; er kann auch dem Arzt beratend zur Seite stehen.

Eine Beratung oder Information des Arztes durch den Apotheker wird zwar nicht in jedem Einzelfall und nicht in gleicher Weise wie bei Patienten notwendig sein (vgl. Cyran/Rotta, ApBetrO, Loseblattkommentar, § 17 Rdnr. 94). Dennoch ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Versandverbot des § 17 ApBetrO somit auch Arzneimittel erfasst, bei denen eine Beratung und Information des Arztes nicht unbedingt erforderlich wäre und bei denen möglicherweise eine schriftliche oder telefonische Beratung und Information des Arztes ausreichen würde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.8.1999, DAZ 2000, S. 55). Dem Verordnungsgeber muss es aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit grundsätzlich gestattet sein, generalisierende Regelungen zu treffen (...).

Das Versandverbot des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG für apothekenpflichtige Arzneimittel enthält zugleich eine authentische Interpretation des Gesetzgebers für die nicht aufgehobene Beschränkung des Arzneimittelversandes aus der Apotheke heraus nach § 17 Abs. 2 ApBetrO, mit der jede ausdehnende Handhabung des Verbotsdispenses "in begründeten Einzelfällen" unvereinbar war und ist (...).

Nach allem folgt aus § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG mit Geltung auch für § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO, dass - abgesehen von den Fällen des § 47 AMG - der Versand von Arzneimitteln auch an Ärzte generell verboten ist; Ausnahmen kommen nur streng einzelfallbezogen aufgrund unabweisbarer Notwendigkeit im Patienteninteresse in Betracht. Freier ist lediglich die in § 17 Abs. 2 ApBetrO gesondert genannte Zustellung durch Boten, auf die sich das Verbot des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG nicht erstreckt. Auch hier muss aber die Begründetheit der Ausnahme aus einem einzelfallbezogenen Sachbedürfnis im Patienteninteresse folgen. Schon deshalb kann der als Vertriebsweg organisierte Versand von Arzneimitteln an Ärzte aus der Apotheke oder ein entsprechender Botenzustelldienst auch nicht mehr als begründeter Einzelfall gerechtfertigt sein.

Aus den Urteilsgründen

Das Versandverbot trägt auch den materiellen Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze Rechnung. Danach muss die Grundrechtseinschränkung durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein (...).

Der Zweck des Versandverbotes, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, wird dem gerecht. Das Versandverbot ist zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet, denn es stellt sicher, dass Arzneimittel grundsätzlich nur in den Apothekenbetriebsräumen abgegeben werden und eröffnet damit im Interesse der Arzneimittelsicherheit die Möglichkeit zur Information und Beratung der Kunden. Dass eine Beratung und Information der Ärzte in den Apothekenbetriebsräumen nicht in jedem Einzelfall erforderlich ist, schadet nicht, da dem Gesetzgeber bei Regelungen der Berufsausübung eine generalisierende Betrachtungsweise verfassungsrechtlich erlaubt ist (...).

Auch eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe führt zu dem Ergebnis, dass die Grenzen der Zumutbarkeit hier nicht überschritten sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 17 ApBetrO und § 43 AMG nicht jeglichen Versand von Arzneimitteln verbieten, sondern dass bei unabweisbarer Notwendigkeit im Patienteninteresse verfassungskonforme Ausnahmen im Einzelfall möglich sind und auch Botenzustellungen bei Sachbedürfnis im Patienteninteresse von Fall zu Fall erfolgen können. Außerdem sind der Versandhandel mit nicht apothekenpflichtigen Arzneimitteln und der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel in den Fällen des § 47 AMG nach wie vor erlaubt.

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