Rezeptdaten

Weichert: „zig-milliardenfacher“ Datenschutzverstoß

Berlin - 03.09.2013, 14:45 Uhr


Der Konflikt um den datenschutzkonformen Umgang mit Rezeptdaten zwischen dem Münchener Apothekenrechenzentrum VSA und Schleswig-Holsteins Landesdatenschützer, Dr. Thilo Weichert, geht in die nächste Runde. In einer ausführlichen Gegenäußerung begründet Weichert, warum er die Unterzeichnung der von VSA geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung verweigert. „Dem kann ich nicht entsprechen“, so Weichert an die VSA-Anwälte. Er halte vielmehr seine Aussage aufrecht, dass es sich „bei diesem Komplex um den gravierendsten dauerhaften Datenschutzverstoß im Medizinbereich überhaupt handele“.

Selbst bei konservativer Schätzung handelte es sich hier über einen Zeitraum von über zehn Jahren um eine „illegale ´zig-milliardenfache Weitergabe personifizierbarer sensibler Daten“, so Weichert in seiner Begründung. Ausführlich geht der schleswig-holsteinische Datenschützer auf das von VSA eingesetzte Verfahren der doppelten Anonymisierung von Rezeptdaten ein. Bei der sogenannten „doppelten Anonymisierung der Identifizierungsdaten“ handele es sich de facto um eine Pseudonymisierung, bei der die Personenbeziehbarkeit erhalten bleibe.

In seinem Schreiben untermauert Weichert seine Aussage, dass mit den übermittelten Datensätzen die Konsequenz verbunden sein könnte, „dass unter Umständen die Pharmaindustrie oder eben solche Dienstleister wie IMS Health diese Daten dann einem ganz konkreten Patienten zuordnen kann und dann auch unter Umständen Einfluss nehmen kann auf Behandlungsgeschehen beim jeweiligen Arzt.“

Tatsächlich habe seine Behörde eine Vielzahl von Rückmeldungen aus der Ärzteschaft erhalten, dass Pharmavertreter mit genauer Kenntnis des Verschreibungsverhaltens eines Arztes dieses durch Werbemaßnahmen zu beeinflussen versuchten. Ihm seien in der Vergangenheit Fälle vorgetragen worden, „bei denen Patienten mit einer spezifischen Krankheit von Pharmafirmen angeschrieben und zum Erwerb eines auf diese Krankheit genau passenden Arzneimittels beworben wurden“, so Weichert an VSA. „Es kommt also vor, dass mit Gesundheitsdaten individuelles Behandlungsgeschehen zu beeinflussen versucht wird.“

Interessiert hatten sich die VSA-Anwälte für die Zusammenarbeit von Thilo Weichert mit Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ und Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins gezeigt. Da NARZ „eine direkte Konkurrentin“ der VSA sei, dränge sich der Verdacht auf, „dass Sie Interessen vermischt haben, zumal Sie in den oben genannten Aussagen eindeutig Stellung gegen unsere Mandantin und zugunsten des NARZ nehmen“. Die VSA-Anwälte wollten laut Weichert wissen, ob er als Amtsträger ein Honorar bei Vorträgen erhalten habe, „die vom NARZ oder dem Hamburger Apothekenverband veranlasst wurden“ und ob „diese Bezahlungen im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Berichterstattung stehen“.

Zu einem Vortrag beim Apothekerverband Schleswig-Holstein am 30. Mai 2013 in Kiel sei er mit dem Fahrrad angereist. Ein Honorar sei nicht gezahlt worden. Weichert antwortete: „Als Dankeschön erhielt ich von den Veranstaltern eine Flasche Wein.“ Auch für einen Vortrag am 5. Juni 2013 beim Hamburger Apothekerverein habe er kein Honorar erhalten. Weichert: „Auch hier erhielt ich von Herrn Dr. Graue, der sich mir gegenüber als Weinliebhaber outete, als Dankeschön eine Flasche mit Wein, den ich gemeinsam mit meiner Frau erst kürzlich mit Vergnügen trank. Ich gehe davon aus, dass der mir nicht bekannte Preis der Flasche 10 Euro nicht überschritt.“

Auf mehrfache Anfrage von DAZ.online wollte VSA nicht mitteilen, ob nach der Weigerung der Unterzeichnung der Unterlassungsverfügung jetzt weitere rechtliche Schritte gegen Thilo Weichert erfolgen.

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Lothar Klein