Angiogenesehemmung

Neues Ziel für die Krebstherapie

Heidelberg - 11.06.2012, 09:58 Uhr


Die Neubildung von Blutgefäßen, die Angiogenese, gilt als eines der wichtigsten Angriffsziele für neue Krebstherapien. Einer der Hauptregulatoren der Angiogenese ist das Signalmolekül Angiopoietin-2. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum und an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg entdeckten nun, dass dieses die Gefäßneubildung auf zweierlei Weise beeinflusst.

Angiopoietin-2 (Ang-2) wirkt einerseits auf das Aussprossen neuer Kapillaren, andererseits beeinflusst es die Ausreifung des neugebildeten Gefäßsystems. Gegen dieses Signalmolekül gerichtete Krebstherapien könnten die Gefäßneubildung daher von zwei Seiten zugleich angreifen.

Die heute verfügbaren angiogenetisch wirksamen Arzneimittel richten sich gegen VEGF, den Gefäßwachstumsfaktor, der neue Blutbahnen sprossen lässt. Eine wichtige Rolle in der Angiogenese spielen jedoch auch die beiden Signalmoleküle Angiopoietin-1 und Angiopoietin-2. Ang-1 sorgt dafür, dass die Gefäße ausreifen, während Ang-2 als funktioneller Gegenspieler von Ang-1 wirkt. Beide Signalmoleküle binden an den gleichen Rezeptor, Tie-2, auf der Oberfläche von Gefäßwandzellen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Gefäßwandzellen an der Spitze sprossender Kapillaren sehr viel Ang-2 produzieren, nicht aber dessen bekannten Rezeptor Tie-2. Trotzdem reagieren diese Zellen auf das Signalmolekül. Möglicherweise kann Ang-2 auch über andere Oberflächenmoleküle als Tie-2 Signale an die Gefäßwandzellen übermitteln: Bei den Zellen an der Spitze der neu entstehenden Kapillaren kann Ang-2 die sogenannten Integrine als alternativen Rezeptor nutzen. Integrine sind auf vielen Zelltypen verbreitete Membranproteine, die an zahlreichen Signalübertragungen zwischen Zellen beteiligt sind.

Damit gibt es zwei voneinander unabhängige Wirkungen: Einerseits die bereits bekannte Funktion als Gegenspieler von Ang-1 in Gefäßwandzellen, die den Rezeptor Tie-2 produzieren, andererseits die Integrin-abhängige Wirkung auf die Zellen der Kapillarspitze, die kein Tie-2 haben. Das erklärt auch, warum experimentelle Therapien gegen Ang-2 erfolgreicher sind als gegen seinen bisher bekannten Rezeptor Tie-2. Mit Therapien gegen Ang-2 könnte die Bildung von Blutgefäßen im Tumor von zwei Seiten zugleich angegriffen werden.

Literatur: Felcht, M., et al.: J. Clin. Invest. 2012, Online: doi: 10.1172/JCI58832.


Dr. Bettina Hellwig