Gesetzliche Krankenkassen in Not

BKK für Heilberufe droht Insolvenz

Berlin - 13.05.2011, 16:01 Uhr


Viele Patienten der bankrotten City BKK finden noch immer keine neue Versicherung – da droht schon der nächsten Betriebskrankenkasse die Insolvenz. Die Finanznot einzelner Kassen wird sich nach Expertensicht auf weitere Versicherungen ausweiten. Zusatzbeiträge auf breiter Front sind kaum noch abzuwenden.

Nach der Pleite der City BKK droht jetzt der BKK für Heilberufe in Düsseldorf die Zahlungsunfähigkeit. Das zeigte die Kasse dem zuständigen Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn an, wie aus einem der dpa vorliegenden Schreiben des Kassenbeirats hervorgeht. Zeitungen hatten zuerst daraus zitiert. Die Schließungskosten belaufen sich nach Schätzungen demnach auf 34 Millionen Euro bis zum Jahresende, dazu komme ein bereits bekanntes Darlehen in Höhe von 48 Millionen Euro.

Um eine Insolvenz abzuwenden, sei die Kasse auf Partnersuche, teilte Sprecher Ulrich Rosendahl der dpa mit. Die Zeit ist knapp: Bis Ende Mai, Anfang Juni solle entschieden sein, ob es Interesse gebe. Die angeschlagene Düsseldorfer Kasse hat 127 000 Versicherte. Allein im vergangenen Jahr sei die Hälfte ihrer Mitglieder und damit zusätzlich Finanzkraft verloren gegangen. „Es laufen mehrere Gespräche mit Fusionskandidaten“, bestätigte die Sprecherin des BKK-Bundesverbands, Christine Richter, der dpa. „Ökonomisch am vernünftigsten wäre eine Fusion mit Finanzhilfen aus dem BKK-Lager, weil Schließungskosten oder Insolvenzkosten mit hoher Wahrscheinlichkeit höher liegen würden.“

Ungeachtet aller Proteste aus der Politik und vom BVA finden viele Versicherte der bankrotten City BKK weiterhin keine neue Kasse. Jetzt empörte sich der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) darüber. Dieses Verhalten sei unerhört und rechtswidrig, sagte ein Sprecher Bahrs. Der Minister wollte bei der Chefin des Kassenverbandes, Doris Pfeiffer, darauf dringen, dass die Kassen „alles unterlassen, was zu einer Verunsicherung der Versicherten führt“.

Pfeiffer reagierte prompt: Alle City-BKK-Mitglieder hätten das Recht, sich ihre neue Kasse frei zu wählen. Sie erwarte von jeder Kasse, dass sie die Betroffenen mit offenen Armen aufnehme. „Alles andere wäre unsolidarisch und unakzeptabel.“ Bisher aber bleibt die Lage für viele der 168 000 City-BKK-Versicherten angespannt, wie BVA-Sprecher Tobias Schmidt der dpa mitteilte. Allein 40 Beschwerden lägen dem Amt vor, weitere kämen dazu.

Wegen des Andrangs von City-BKK-Kunden hat die Barmer GEK ihre neun Kundencenter in Hamburg geschlossen. „Wir haben hunderte von Anfragen jeden Tag. Nun müssen sich die Mitarbeiter erst einmal um die Anliegen unserer Versicherten kümmern“, sagte ein Sprecher. Seit Anfang der Woche hätten auch die AOK-Filialen in Berlin einen „Riesenansturm“ von Betroffenen zu verkraften, sagte der Vorstandschef der AOK Nordost, Frank Michalak, dem „Tagesspiegel“. Allmählich kriege die Kasse selbst Probleme.

Der Chef der KKH-Allianz, Ingo Kailuweit, forderte ein gemeinsames Vorgehen. Zu überlegen sei, ob die Kassen die Versicherten entsprechend ihres Marktanteils aufnehmen, sagte er der dpa.

Bei der zweitgrößten Innungskrankenkasse Deutschlands, der Vereinigten IKK mit mehr als einer Million Mitgliedern, beriet der Verwaltungsrat über eine Sanierung. „Wenn es keine finanzielle Hilfe gibt, dann ist ein Zusatzbeitrag unvermeidlich“, sagte SPD-Politiker Klaus Brandner, der Mitglied im Verwaltungsrat ist, Welt online.

Weitere Schließungen oder Insolvenzen sind nicht ausgeschlossen. „Es gibt Kassen mit Schwierigkeiten“, sagte der BVA-Sprecher Schmidt. KKH-Allianz-Chef Kailuweit warnte vor fast flächendeckenden Zusatzbeiträgen. „Im kommenden Jahr dürften die Kassen mit vier bis fünf Milliarden Euro unterfinanziert sein. 70 bis 80 Prozent müssten dann Zusatzbeiträge nehmen“, sagte er. „Rutschbahneffekte wie bei der City BKK drohen: Lukrative Versicherte mit hohen Einkommen verlassen Kassen, wenn dort ein hoher Zusatzbeitrag eingeführt wird“, so Kailuweit weiter. Die Koalition dürfe Mehreinnahmen in Milliardenhöhe durch den Konjunkturboom nicht in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds stecken. Zudem müsse der Finanzausgleich zwischen den Kassen – anders als heute – künftig auch höhere Kosten in teuren Städten wie Berlin oder Hamburg ausgleichen.


dpa