Aus den Ländern

Schwieriger Blick nach vorn

Bayerischer Apothekerverband rechnet 2022 mit erheblichen Einbußen für die Apotheken

MÜNCHEN (eda) | Bei der Mitgliederversammlung des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) am Mittwoch in der vergangenen Woche zeigte sich der Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann einerseits stolz mit Blick auf die Leistungen der Apotheken während der Corona-Pandemie. Andererseits ließ er wissen, dass die angekündigten gesundheitspolitischen Maßnahmen in naher Zukunft durchaus turbulent werden könnten.
Foto: ABDA

Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV)

Mit seiner Ankündigung, in den kommenden beiden Jahren jeweils 170 Millionen Euro bei den Apotheken einsparen zu wollen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im ­Berufsstand für Entsetzen gesorgt. „Die politische Lage ist alles andere als rosig“, konstatierte Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), bei der Mitgliederversammlung am 6. Juli 2022 in München. Eigentlich müsse der Staat bessere Rahmenbedingungen schaffen als schlechtere.

Personalsuche wird immer schwerer

Rein rechnerisch schließt in Bayern jede Woche eine Apotheke. Die Zahl der Betriebsstätten lag Ende 2021 bei 2967. Das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 1983. Als eine Ursache für diese Entwicklung sieht Hubmann den Fachkräftemangel. Die Apotheken hätten es bei der Personalsuche immer schwerer. Approbierte Vollzeitkräfte zu finden, sei heutzutage praktisch unmöglich. Für eine Apothekerstelle müssten inzwischen zwei Personen eingestellt werden. Auch die Nachfolgersuche bei Apothekenübergaben – gerade im ländlichen Bereich – gestaltet sich ebenfalls herausfordernd. „Inzwischen schließen nicht mehr nur noch Apotheken in Wettbewerbslagen, sondern auch in Versorgungslagen“, mahnte der Vorsitzende des BAV.

Apotheken können höhere Kosten kaum weitergeben

Als einen weiteren Grund sieht er die politischen Rahmenbedingungen für Apotheken, gerade im Hinblick auf die Vergütung. Durchschnittlich betrachtet, konnten die Betriebe zwar im vergangenen Jahr von den Pandemieleistungen profitieren. Doch dieses Umsatz- und Ertragsplus sei ein Einmaleffekt gewesen, der aktuell durch höhere Kosten – gerade im Bereich der Energie sowie der Löhne – wieder aufgezehrt werde. An dieser Stelle betonte Hubmann jedoch, dass er die Steigerung der Tariflöhne bei den Apothekenangestellten Anfang des Jahres für „dringendst notwendig“ erachte. Doch während der pharmazeutische Großhandel die Teuerung bei den Spritpreisen an die Apotheken weitergebe, könnten diese die Mehrkosten nur in einem sehr begrenzten Maß auf ihre Kunden oder die Krankenkassen abwälzen.

Was wird aus den Sparplänen?

Hinzu kommen nun auch noch die Sparpläne im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) legte jüngst einen Gesetzentwurf vor, nach dem er über einen Zeitraum von zwei Jahren bei den Apotheken 170 Millionen Euro pro Jahr einsparen will.

Nach Berechnungen des DAZ-Wirtschaftsexperten Thomas Müller-Bohn dürfte die geplante Erhöhung des Kassenabschlags allerdings nur rund 140 Millionen Euro bringen.

Als „gesetzgeberisch einfach“ bewertet Hubmann das Vorhaben. Denn das Geld soll über eine faktische Kürzung des Packungshonorars erfolgen, das die Apotheken erhalten. Doch ganz so einfach könne damit nicht das Milliardenloch bei den Krankenkassen gestopft werden. Denn der Anteil der Apotheken an den Gesundheitsausgaben der Kassen sei in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Zuletzt lag er bei nur noch 1,9 Prozent. „Angesichts des geringen Anteils ist es völlig sinnlos, politische Sparmaßnahmen umzusetzen, die für die Krankenkassen keinen spürbaren Effekt haben, für Apotheken aber eine massive Belastung darstellen. Blickt man auf die Zahl der öffentlichen Apotheken, so müsste der Staat eigentlich bessere Rahmenbedingungen schaffen als schlechtere.“ Die Apotheken würden Steigerungen benötigen und keine Kürzungen.

70 Millionen Euro im „Dienstleistungstopf“

Schon bei der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer am 17. Mai 2022 berichtete Dr. Hans-Peter Hubmann vom zurückliegenden Verhandlungsmarathon mit den Vertretern des GKV-Spitzenverbands. Zum damaligen Zeitpunkt waren die konkreten pharmazeutischen Dienstleistungen und alle weiteren Rahmenbedingungen für die Berufsöffentlichkeit jedoch noch nicht bekannt. Hubmann sprach vor den Kammerdelegierten von großen Anstrengungen, sich mit der Kassenseite auf konkrete Dienstleistungen zu einigen. Zur Verhandlungskommission des Deutschen Apothekerverbands (DAV) gehörten neben Hubmann Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands, Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der ABDA, sowie Prof. Martin Schulz, Geschäftsführer des Geschäftsbereichs Arzneimittel der ABDA. Bei der Mitgliederversammlung des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) erläuterte Hubmann das Tauziehen am Beispiel der Medikationsanalyse, die im Rahmen der Dienstleistungen als „erweiterte Medikationsberatung“ bezeichnet wird. So habe man als Standesvertretung der Apothekerschaft durchsetzen wollen, dass die Medikationsberatung bereits bei mindestens fünf verschiedenen Wirkstoffen durchgeführt werden darf. Die Krankenkassen bestanden jedoch auf das Vorhandensein von mindestens neun verschiedenen Arzneimitteln. Im Verfahren vor der Schiedsstelle wurde letztendlich als Kompromiss entschieden, dass Apotheken die erweiterte Medikationsberatung bei mindestens fünf verschiedenen Arzneimitteln (das können also auch Kombinationspräparate mit mehreren Wirkstoffen sein) durchführen dürfen.

Mit Blick auf den Topf, in dem seit Ende 2021 das Honorar für die Dienstleistungen gesammelt wird, sprach Hubmann von inzwischen 70 Millionen Euro. Der BAV-Vorsitzende rechnet nicht damit, dass der Dienstleistungstopf in den nächsten zwei Jahren leerlaufen wird.

Das sieht DAZ-Redakteur und Apothekenwirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn anders. Im aktuellen DAZ-Podcast erklärt er das zweistufige Honorarverteilungskonzept (S. 14)

„Typisch SPD-Ministerium“

Während Lauterbach der Apothekerschaft seit seinem Amtsantritt als Bundesgesundheitsminister vor mehr als einem halben Jahr noch keinen Gesprächstermin gewährte, darf und muss die Standesvertretung nun auf sein geplantes GKV-Spargesetz reagieren. Für Hubmann trägt dieser Vorgang die typische Handschrift eines SPD-geführten Gesundheitsministeriums. In den Abteilungen und Referaten des Hauses sollen sogar noch einige Angestellte aus der Ära von Ulla Schmidt sitzen, weiß der BAV-Chef. Rückblickend stellt er fest: „Das CDU-geführte Ministerium mit Jens Spahn und seinem Vorgänger war ein Glücksfall.“ Das unionsgeführte Ressort habe sich wesentlich differenzierter mit den Herausforderungen der Apotheken auseinandergesetzt und eher Perspektiven geschaffen als Spargesetze vorbereitet.

Politischer Kurs beschleunigt Apotheken-Rückgang

„Die Politik muss ein Klima schaffen, in dem junge, gut ausgebildete Apothekerinnen und Apotheker wieder motiviert sind, sich selbstständig zu machen und Apotheken zu übernehmen oder neu zu gründen“, so die Forderung Hubmanns. Der angekündigte Kurs von Gesundheitsminister Lauterbach würde dagegen den Rückgang zusätzlich beschleunigen.

Gerade die Corona-Pandemie habe die Bedeutung der Apotheken vor Ort verdeutlicht. „Aus dem Nichts“ wurden zusätzliche Versorgungsaufgaben, wie die Herstellung von Desinfektionsmitteln oder die Verteilung von Schutzmasken, übernommen. Die Impfstoff-Logistik im Zusammenspiel mit pharmazeutischem Großhandel und Arztpraxen bezeichnete Hubmann als Herkulesaufgabe. „Die Struktur einer Versorgung durch inhabergeführte Apotheken vor Ort hat sich bewährt und ihre Krisenfestigkeit bewiesen“, so Hubmann.

Aktuell sei es demnach ein schwieriger Blick nach vorn: „Die politische ­Lage ist alles andere als rosig.“ Wie schon Ende April bei der Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbands (DAV) in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des DAV prognostizierte Hubmann massive Einbußen für das laufende Jahr, weil die Corona-abhängigen Sondereffekte wegfallen. „2022 müssen wir mit einem Rückgang des Betriebsergebnisses der durchschnittlichen Apotheke um mehr als 80.000 Euro auf circa 130.000 Euro rechnen.“ Gleichzeitig versprach er auf der Mitgliederversammlung: „Wir als Verbände und als ABDA werden mit ­allen Mitteln kämpfen und alles tun, damit die Apotheken nicht weiter belastet werden.“

Gedisa-Sonderumlage beschlossen

Die Mitgliederversammlung des BAV stimmte bei ihrer Versammlung auch einer Sonderumlage von jeweils 600 Euro pro Jahr zu, die je Betriebsstätte in den Jahren 2022, 2023 und 2024 erhoben wird. Damit sollen die Aktivitäten der standeseigenen Digitalgesellschaft Gedisa unterstützt werden. Zuvor hatten Hubmann sowie der BAV-Geschäftsführer Wolfgang Schneider ein ausführliches Plädoyer für den Aufbau der Apothekenplattform sowie des Verbändeportals gehalten. Per Satzungsänderung wurde dann die Voraussetzung geschaffen, dass die Versammlung über die Sonderumlage entscheiden kann. |

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