Arzneimittel und Therapie

Theophyllin für den Notfallkoffer?

Welche Arzneimittel ein Arzt im Bereitschaftsdienst vorrätig haben sollte

rr | Arztpraxen, die ihre Notfallausstattung kürzlich auf Verfall überprüft haben und Bronchoparat® nachbestellen wollen, werden enttäuscht: Das Theophyllin-Präparat zur Injektion wird nicht mehr hergestellt, ebenso wenig seine Alternative Euphylong® IV 200. Doch kein Grund zur Beunruhigung! In der Behandlung von akuter Atemnot haben andere Arzneimittel Theophyllin längst den Rang abgelaufen, und die Apotheke kann für besseren Ersatz im Notfallkoffer sorgen.

Es gibt keine verbindlichen Vorgaben darüber, was in einen Notfallkoffer gehört, aber Empfehlungen, zum Beispiel vom Hausärzteverband oder von der Kassenärztlichen Vereinigung. Im Bereitschaftsdienst muss ein Arzt mit Arzneimitteln für die Basisversorgung in den gängigsten Notfallsituationen gewappnet sein – welche genau das sind, ist seine Entscheidung. Allerdings sollten grundsätzlich nur solche Arzneimittel gewählt werden, die einen erwiesenen Nutzen bei ausreichender Sicherheit haben und die der Arzt auch unter Zeitdruck richtig anzuwenden weiß. Vorschläge enthält die Tabelle.


Tab.: Vorschläge für Arzneimittel im Notfallkoffer [nach: Lehmke 2016]
Ampullen
1 × Adrenalin 1:1000 1 ml; 1 × Furosemid 40 mg 4 ml; 1 × Prednisolon 250 mg+Aqua; 1 × Clemastin 2 mg 5 ml; 1 × ASS 500 mg+Aqua; 1 × Heparin-Natrium 5000 IE 0,2 ml; 2 × Glucose 40% 10 ml; 2 × 0,9% NaCl 10 ml; 1 × Metamizol 1 g 2 ml; 1 × Morphinsulfat 10 mg 1 ml; 2 × Tramadol 50 mg 1 ml; 1 × Metoclopramid 10 mg 2 ml*; 1 × Dimen­hydrinat 62 mg 10 ml; 1 × Promethazin 50 mg 2 ml; 1 × Haloperidol 5 mg/ml**; 1 × Reproterol 0,09 mg 1 ml; 1 × Terbutalinsulfat 0,5 mg 1 ml; 1 × Atropin 0,5 mg 1 ml; 1 × Butylscopolamin 20 mg 1 ml; 1 × Midazolam 5 mg 1 ml; 1 × Procain 1% 1 ml
Tabletten, Lösung, Suppositorien etc.
2 × Furosemid 40 mg Tbl.; 2 × Prednisolon 50 mg Tbl.; 2 × Cetririzin 10 mg Tbl.; 2 × Lorazepam 1 mg Schmelztbl.; 6 × Metamizol 500 mg Tbl.; 3 × Ibuprofen 600 mg Tbl.; 2 × Tilidin/Naloxon 100/8 mg Retardtbl.; 2 × Pantoprazol 20 mg Tbl.; 1 × Metoclopramid-Lösung 1 mg/ml 30 ml; 2 × Dimenhydrinat 150 mg Supp.; 1 × Prednisolon 100 mg Supp.; 2 × Paracetamol 250 mg Supp.; 2 × Risperidon 1 mg Schmelztbl.; 1 × Diazepam als Rektaltube 5/10 mg/10 ml; 2 × Metoprololsuccinat 47,5 mg Tbl.
Dosieraerosole, Sprays, Phiolen
1 × Salbutamol Dosieraerosol; 1 × Nitrendipin Phiole 5 mg; 1 × Nitro-Spray; 1 × Infectokrupp Inhal

* = zur Kurzinfusion; ** = zur i.m. Injektion

Seine Zeit ist um

Theophyllin war jahrzehntelang ein Klassiker unter den Notfallmedikamenten. Noch heute sind Präparate zur intravenösen Applikation zugelassen zur Akutbehandlung von Atemnotzuständen aufgrund einer Verengung der Atemwege beim Asthma bronchiale bis hin zum therapieresistenten Status epilepticus und anderer obstruktiver Atemwegserkrankungen. Doch nach 130 Jahren (1888 erstmals isoliert) wird Theophyllin zusehends von modernen Arzneistoffen verdrängt. Die aktuelle S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma erwähnt das Purin-Alkaloid nur noch am Rande und empfiehlt, es nur in begründeten Fällen bei Erwachsenen als Alternative einzusetzen – zu gering ist die Wirkung, zu hoch das Nebenwirkungsrisiko. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite von Theophyllin kann eine Überdosierung durchaus tödlich enden. Bei Plasmaspiegeln von mehr als 25 µg/ml (therapeutisch: 5 – 12 µg/ml) treten Nebenwirkungen wie Krampfanfälle, schwere Magen-Darm-Erscheinungen (u. a. gastrointestinale Blutungen), plötzlicher Blutdruckabfall, ventrikuläre Arrhythmien bis hin zu Herz-Kreislauf-Versagen auf. Manche Personen reagieren besonders empfindlich auf Theophyllin, sodass bei ihnen auch schon unterhalb der genannten Plasmakonzentration mit Überdosierungserscheinungen zu rechnen ist. Die Gefahr ist bei Präparaten zur Injektion natürlich besonders hoch. Die Applikation darf deshalb nur langsam und über eine ausreichend große Vene erfolgen, mindestens über zehn Minuten (bezogen auf Bronchoparat®). Das Problem: Im Notfall ist die nötige Geduld nicht immer vorhanden.

Auch die Dosierung bereitet Schwierigkeiten. Grundsätzlich wird das Normalgewicht als Körpergewicht zur Ermittlung der Initialdosis herangezogen, da Theophyllin nicht vom Fett­gewebe aufgenommen wird. Ist eine Vormedikation mit Theophyllin oder seinen Verbindungen bekannt, muss die Dosis vermindert werden. Bei Säuglingen unter sechs Monaten ist die Theophyllin-Ausscheidung verlangsamt, was das Risiko der Über­dosierung noch größer macht und die Anwendung als Notfallmedikament in dieser Altersgruppe verbietet. Auch bei älteren Patienten über 60 Jahren erfolgt die Ausscheidung langsamer. Noch komplizierter wird die Dosierung, wenn der Patient Raucher ist, denn Raucher benötigen wegen der erhöhten Eliminationsrate eine höhere körpergewichtsbezogene Theophyllin-Dosis im Vergleich zu nicht rauchenden Erwachsenen.

Ist Theophyllin erst einmal gespritzt und hat toxische Reaktionen hervor­gerufen, steht kein Antidot, sondern nur die Gabe von Aktivkohle, gegebenenfalls in Kombination mit einem schnell wirksamen Laxans (z. B. Glaubersalz), als Entgiftungsmaßnahme zur Verfügung.

Foto: benjaminnolte – stock.adobe.com
Verbindliche Vorgaben, was in den Notfallkoffer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gehört, gibt es nicht. Theophyllin ist jedoch nicht mehr Mittel der Wahl in der Behandlung der akuten Atemnot.

Ihre Zeit ist gekommen

Da Theophyllin augenscheinlich mit vielen Nachteilen behaftet ist, lohnt es sich, nach besseren Alternativen zu suchen. In der Notfalltherapie wird heute das Beta-2-Sympathomimetikum Reproterol (Bronchospasmin® 1 ml Injektionslösung) empfohlen, eine intramolekulare Verbindung aus Orciprenalin und Theophyllin, das bereits zur Anwendung bei Säuglingen ab dem dritten Monat zugelassen ist. Wenn es schnell gehen muss, kann Reproterol als Bolus über eine halbe bis eine Minute intravenös appliziert werden. Bei Erwachsenen beträgt die Dosis für die einmalige Injektion 0,09 mg. Die Injektion kann bei Bedarf wiederholt werden, frühestens allerdings nach 10 bis 15 Minuten.

Auch hier ist Vorsicht geboten

Auch die Therapie mit Reproterol erfordert eine ruhige Hand und eine strenge ärztliche Kontrolle der klinischen Parameter Herzfrequenz, Blutdruck und Lungenfunktion. Typische Anzeichen einer Überdosierung sind Tachykardie, Palpitationen, Arrhythmien, Hypotonie bis hin zum Schock, Ruhelosigkeit, Brustschmerzen und heftiger Tremor insbesondere an den Händen, aber auch am ganzen Körper. Immerhin kann die Wirkung von Reproterol durch selektive Beta-1-Adrenorezeptorenblocker (z. B. Acebutolol, Atenolol, Metoprolol) antagonisiert werden, jedoch sollte man sich der Gefahr der Auslösung eines schweren Bronchospasmus bei Patienten mit Asthma bronchiale bewusst sein. Bronchospasmin® darf nicht angewendet werden bei schwerer Hyperthyreose, hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie und Phäochromozytom. Wechselwirkungen sind unter anderem bei gleichzeitiger Anwendung von Betablockern, MAO-Hemmern, trizyklischen Antidepressiva und Glucocorticoiden zu erwarten. Der Raucherstatus des Patienten spielt hingegen keine Rolle.

Subkutane Alternative

Eine weitere Alternative ist Terbutalinsulfat (Bricanyl® 0,5 mg), ebenfalls ein direkt wirkendes Betasympathomimetikum mit vorwiegender Beta-2-Selektivität. Sein Vorteil: Fehlt in der Akutbehandlung von Atemnotzuständen der venöse Zugang, kann es in einer Dosierung von 0,25 mg subkutan appliziert werden. Sein Nachteil: Da noch keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen, sollte Terbutalinsulfat als Injektionslösung nicht bei Kindern unter zwölf Jahren an­gewendet werden.

Lässt sich der Arzt trotz aller guten Argumente von keiner Theophyllin-­Alternative überzeugen, ist nach wie vor das Präparat Afpred® forte Theo 200 mg im Handel, das laut Herstellerangaben ab Mai auch wieder lieferbar sein soll. |

Quelle

Lehmke J. Was in den Notfallkoffer gehört. Dtsch Ärztebl 2016;113(18):A870-871

Hansen M et al. Asthma bronchiale – notfallmedizinische Versorgung. Notf.med. up2date 2017;12(02):175-186

Fachinformation Bronchospasmin®, Stand Februar 2016

Fachinformation Bricanyl®, Stand Juli 2015

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