Wirtschaft

Versicherungen ohne Schwachstellen

Wie Sie Ihre Apotheke im Schadensfall optimal schützen

Wer verschiedene Versicherungen für seine Apotheke bezahlt, will im Schadensfall auch optimal abgesichert sein. Zudem sollte es keine Überlappungen zwischen einzelnen Versicherungen geben, die am Ende nur zu höheren Prämien führen. Sinnvoll ist es daher, einen genauen Blick auf den bestehenden Versicherungsschutz zu werfen und diesen gegebenenfalls neu zu justieren.

Der Beruf des Apothekers weist zahlreiche Besonderheiten auf, die ihn wesentlich von anderen Berufsgruppen unterscheiden. Es existieren diverse nationale und europäische Normen sowie Rechtsprechung, welche die Haftung und Berufsausübung maßgeblich beeinflussen. Die Haftungs- und Versicherungsrisiken dieses Berufsstandes sind dementsprechend außergewöhnlich.

Bedauerlicherweise berücksichtigen jedoch nur die wenigsten Apothekenversicherungen diese speziellen Anforderungen. Obgleich am Markt adäquate Tarife existieren, werden Pharmazeuten in Versicherungsfragen häufig unzureichend beraten und die Apotheken wie Einzelhandelsgeschäfte versichert. So entstehen oftmals erhebliche Lücken im Versicherungsschutz, weshalb zum Teil existenzielle Risiken unzureichend abgesichert sind.

Versehensklausel und Innovationsklausel

Einige Leistungsinhalte sind spartenübergreifend von besonderer Bedeutung und sollten dementsprechend auch in Apothekenversicherungen enthalten sein. Hier sind insbesondere die Versehensklausel bei verspäteter Schadensanzeige und die Innovationsklausel zu nennen.

In zahlreichen Versicherungsbedingungen sind Leistungskürzungen vorgesehen, sofern Schäden nicht unverzüglich angezeigt werden. Gerade bei kleinen und mittleren Schäden passiert es in der Apothekenpraxis jedoch häufig, dass es mehrere Tage oder Wochen dauert, bis die Schadensanzeige gegenüber den Assekuranzen erfolgt. Insofern sind kundenfreundliche Regelungen im Hinblick auf diese Obliegenheit vorzugswürdig.

Eines der größten Ärgernisse ist eine fehlende Innovationsklausel. Viele Menschen neigen dazu, einmal eine Versicherung abzuschließen und das Thema danach gedanklich abzuhaken. Etliche Apotheker übernehmen zudem die Policen ihres Vorgängers einfach ungeprüft. So bestehen Versicherungsverträge manchmal jahrzehntelang unverändert fort, ohne jemals aktualisiert zu werden. Angesichts der dynamischen Entwicklung des Marktes und der sich durch den Wettbewerb kontinuierlich verbessernden Versicherungsbedingungen sind nicht aktualisierte Bedingungen jedoch nach einigen Jahren im Vergleich oft schon deutlich schwächer und nicht mehr zeitgemäß. Mit einer Innovationsklausel kann vereinbart werden, dass künftige beitragsneutrale Bedingungsverbesserungen auch für bestehende Verträge gelten. Eine gut formulierte Innovationsklausel trägt daher erheblich dazu bei, dass bestehende Verträge länger aktuell bleiben – nach einigen Jahren oder gar Jahrzehnten kann dies ein enormer Vorteil sein.

Am wichtigsten: Betriebshaftpflichtversicherung

Die Betriebshaftpflichtversicherung ist die wohl wichtigste Versicherung überhaupt. Daher sollte gerade hier beim Versicherungsschutz genau hingesehen werden.

Höhe der Versicherungssumme

Die meisten Apotheken in der Bundesrepublik sind mit Versicherungssummen in Höhe von 3 Millionen Euro oder 5 Millionen Euro versichert. Es geht jedoch auch um das Risiko von Personenschäden, bei denen diese Summen deutlich überschritten werden können.

Gute private Haftpflichtversicherungen haben demgegenüber eine Versicherungssumme von 50 Millionen Euro, Kfz-Haftpflichtversicherungen sogar üblicherweise eine Versicherungssumme von 100 Millionen Euro.

Es sollte daher auch in der Betriebshaftpflichtversicherung mindestens eine Versicherungssumme von 10 Millionen Euro vereinbart werden. Das gilt umso mehr, da Schadenshöhen dynamischen Entwicklungen unterworfen sind, mit denen die Aktualisierungen der Versicherungspolice im Normalfall nicht Schritt halten.

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Die Zeit im Sinn behalten Es könnte teuer werden, wenn Apotheker bei der Abgabe der Pille danach nicht auf deren zeitlich be­grenzte Wirksamkeit hinweisen ...

Vermögensschäden – Pille danach

Reine Vermögensschäden – also solche Schäden, bei denen weder eine Person noch eine Sache geschädigt werden – sind in der Regel nicht Bestandteil der Berufshaftpflichtversicherung. Es gibt jedoch Ausnahmen. Gegenwärtig wird insbesondere über die potenzielle Haftung des Apothekers im Zusammenhang mit der Pille danach diskutiert.

Nach Wegfall der Verschreibungspflicht treffen den Apotheker zusätzliche Beratungshaftungspflichten, da er gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung zur sachgerechten Anwendung verschreibungsfreier Arzneimittel beraten muss. Wenn also beispielsweise von Apothekern während der Beratung zur Pille danach nicht auf deren zeitlich begrenzte Wirksamkeit hingewiesen wird und die beratene Frau dann nach zu später Einnahme doch schwanger wird, so wäre eine Haftung des Apothekers für die Unterhaltskosten des Kindes denkbar. Bei Ärzten ist eine Haftung bezüglich der Unterhaltskosten für ein un­gewolltes Kind als ersatzfähiger Schaden bereits höchstrichterlich bestätigt worden. Es sollte folglich darauf geachtet werden, ob die eigene Assekuranz derartige reine Vermögensschäden überhaupt und in ausreichender Höhe übernimmt.

Defekturen

Wer Defekturen von mehr als hundert Arzneimitteln täglich auf Vorrat herstellt oder wer fremde Produkte unter eigenem Namen verkauft, verlässt damit regelmäßig den Rahmen seiner Berufshaftpflichtversicherung. Dies ist in den Ausschlüssen geregelt. Wenn Pharmazeuten in einem derartigen Ausmaß tätig sind, benötigen sie eine eigene Herstellerhaftpflichtversicherung. Der notwendige Umfang ist in § 94 AMG geregelt.

Problematisch ist es, wenn die Grenze von hundert Medikamenten gegenwärtig noch nicht erreicht wird, aber künftig eventuell erreicht werden könnte. In solchen Konstellationen ist eine diesbezügliche „Vorsorgedeckung“ im Be­dingungswerk der Betriebshaftpflichtversicherung sinnvoll. Dadurch werden die betroffenen Umsätze vorsorglich bis zu einer bestimmten Höhe mitversichert, und gegebenenfalls ist eine zusätzliche Erweiterung möglich.

Retaxation

Retaxationen sind sowohl Eigenschäden als auch reine Vermögensschäden, die beide grundsätzlich nicht versichert sind. Dennoch lassen sich Retaxationen teils als eigener Baustein in Form einer „Aut-Idem-Deckung“ in den Umfang der Betriebshaftpflichtversicherung einschließen.

Gifte im Erdreich und Umwelthaftpflichtversicherung

Es ist bei jeder Apotheke denkbar, dass beispielsweise durch einen Brand Medikamentenrückstände ins Erdreich geraten. So verursachte Schäden werden im Bereich der Umweltschäden je nach Ver­sicherer sehr unterschiedlich reguliert. Oft sind etwa öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß dem Umwelt­schadensgesetz vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wobei eine Erweiterung des Versicherungsschutzes möglich ist.

Wenn der Apotheker gleichzeitig auch Eigentümer des Grundstückes ist, auf dem sich seine Apotheke befindet, so sollte ein Tarif gewählt werden, der Eigenschäden in diesem Zusammenhang trägt. Die Dekontamination des eigenen Grundstücks ist als Eigenschaden des Apothekeninhabers nämlich häufig nicht versichert. |

Jascha Arif, Rechtsanwalt, und Steffen Benecke, Versicherungs­makler, Hamburg

In einer der nächsten Ausgaben der AZ informieren wir Sie u. a. über die Inventarversicherung für Apotheken.

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