Prisma

Aus α mach β

GABA und Artemisinin wandeln Pankreaszellen um

cae | Das im Einjährigen Beifuß enthaltene Sesquiterpen Artemisinin wurde seit den 1970er-Jahren als Malariamittel entwickelt. Nun zeigt sich, dass es die α-Zellen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse in β-Zellen umwandeln kann. Hier bietet sich möglicher­weise ein Ansatz für die Therapie des Typ-1-Diabetes.

Die α-Zellen des Pankreas synthetisieren das Glucosespiegel-steigernde Hormon Glucagon und sind daher Gegenspieler der Insulin-produzierenden β-Zellen. Sie gehen aus identischen Vorläuferzellen hervor; ihr wesentlicher genetischer Unterschied besteht in dem Vorhandensein bzw. Fehlen des Gens PAX4, das die Insulinsynthese ermöglicht. Bei einem Typ-1-Diabetes werden die β-Zellen durch eine Auto­immunreaktion zerstört, sodass schließlich ein totaler Insulinmangel auftritt. Den Patienten könnte eine Transplantation von β-Zellen nur kurzzeitig nützen, weil diese ebenfalls zugrunde gehen würden. Aussichtsreicher erscheint die ständige Umwandlung von α-Zellen in β-Zellen, die die immunogene Zerstörung der β-Zellen ausgleichen würde. Dass dies prinzi­piell möglich ist, haben Forscher am Center for Molecular Medicine (CeMM) in Wien in Zusammenarbeit mit Kollegen in Nizza durch In-vitro-Versuche an isolierten Pankreaszellen und in Experimenten mit Zebrafischen, Ratten und Mäusen nachgewiesen.

Angriffspunkt für die Umwandlung der Pankreaszellen ist das Homöobox-Gen ARX (Aristaless related homeo­box), das den gleichnamigen Transkriptionsfaktor codiert. (Die Bezeichnung „Aristaless“ stammt daher, dass Mutationen dieses Gens bei Taufliegen zum Verlust der Borsten, lat. arista, an den Fühlern führen.) Der Transkriptionsfaktor ARX blockiert im Zellkern der α-Zelle das Gen PAX4 (s. o.).

Durch die Aktivierung des – aus dem Zentralnervensystem gut bekannten – GABAA -Rezeptors auf Pankreaszellen durch den natürlichen Liganden γ‑Aminobuttersäure tritt das Protein Gephyrin in Funktion: Es stoppt die Glucagon-Sekretion und befördert über eine Reaktionskaskade ARX aus dem Zellkern ins Zytosol, sodass PAX4 wieder frei ist und die Zelle wieder Insulin synthetisiert: Sie hat sich von einer α-Zelle in eine β-Zelle (oder eine β-ähnliche Zelle) verwandelt.

Artemisinin, das in das Zytosol der Pankreaszellen eindringt und dort ­direkt mit Gephyrin interagiert, wirkt letzten Endes wie GABA, indem es den beschriebenen Umwandlungsprozess in Gang setzt. |

Quellen

Ben-Othman N, et al. Long-Term GABA Administration Induces Alpha Cell-Mediated Beta-like Cell Neogenesis. Cell; Epub 18.11.2016

Li J, et al. Artemisinins Target GABAA Receptor Signaling and Impair α Cell Identity. Cell; Epub 30.11.2016

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