Deutscher Apothekertag 2011

securPharm: Unnütz und zu teuer?

Klaus G. Brauer

Basierend auf einer EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen (EU 2011/62/EU) ist in Deutschland ein Modellversuch in Vorbereitung, wie diese Richtlinie umgesetzt werden könnte. Pharmaindustrieverbände (BHA, BPI, vfa, ProGenerika), Großhandel (Phagro) und Apotheken (ABDA) haben sich dazu auf das "securPharm"-Projekt verständigt, das im Grundsatz durchaus vernünftig erscheint. Vorgesehen ist dort, dass jede Packung beim Hersteller eine individuelle Seriennummer erhält, die auf dem Umkarton als DataMatrix-Code ablesbar ist (so etwas ist von Bahntickets und Bordkarten bekannt, die über das Internet abgerufen wurden). In dem DataMatrix-Code sind neben der Seriennummer auch eine erweiterte Pharmazentralnummer, die Chargennummer und das Verfalldatum ablesbar. In einem beim Apothekertag letztlich mit großer Mehrheit angenommenen Antrag wird befürwortet, das securPharm-Pilotprojekte fortzusetzen und ggf. deutschlandweit auszurollen. Vor allem aber wird die EU-Kommission aufgefordert, die Ausführungsbestimmungen ("delegierte Rechtsakte") zu ihrer Richtlinie so zu gestalten, dass sie mit securPharm kompatibel sind. Und was, wenn nicht? Diese Frage blieb ungestellt, also auch unbeantwortet. Aber es gibt in dieser Sache positive Signale von der Kommssion, wie Experten versichern.

Die Diskussion zu dem genannten Antrag verlief kontrovers. Im legalen Vertriebsweg – jedenfalls in Deutschland – gebe es doch so gut wie keine Fälschungen. Bei Abgabe von rund 1,4 Mrd. Packungen im Jahr 2010 seien gerade einmal neun Einzelfälle bekannt geworden, in denen ein gefälschtes Arzneimittel in Verkehr gebracht worden sei. Auch wenn man eine Dunkelziffer ins Kalkül ziehe: Mit securPharm werde mit großem Aufwand ein Problem gelöst, das in der legalen Vertriebskette praktisch nicht existiert. Es trete – und zwar massiv – nur bei illegalen Versendern auf. Denen werde durch securPharm das Handwerk leider nicht gelegt. Ob da nicht das "Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, bevor es drin ist" - fragte deshalb Dr. Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes. Der Vorsitzende des HAV, Dr. Peter Homann, verteidigte das Projekt hingegen vehement. Es sei ein "Wert an sich", sicher zu stellen, dass der legale Vertriebsweg sicher bleibe.

Ernst zu nehmen sind wohl Befürchtungen, die auf die Kosten zielen. "Das wird richtig teuer – die Arbeitsbelastung in der Apotheke wird erhöht", so Dr. Jürgen Kögel, LAK-Brandenburg. In der Apotheke wird im Rahmen der Abgabe jede Packung authentifiziert – also online abgeglichen, ob die Seriennummer existiert und noch nicht aus der Datenbank ausgebucht wurde.

Selbst wenn dies kostengünstig in den üblichen Scan-Vorgang am Kassenplatz integriert werden kann, bleiben Fragen. Bei securPharm ist eine End-to-End-Kontrolle vorgesehen: Der pharmazeutische Unternehmer hinterlegt die Seriennummer jeder Packung in der Datenbank. Der Apotheker meldet am Ende die Abgabe. Was aber passiert beim Großhandel? Die Richtlinie selbst lässt die Frage unbeantwortet. Nach securPharm erhält er die "Möglichkeit, einzelne Packungen zu identifizieren". Das erscheint vernünftig und kostengünstig. Beim normalen Direktbezug vom Hersteller wäre die Verifizierung jeder einzelnen Packung im Großhandel unnötig und massiv kostentreibend – es entstünden erhebliche Kosten, die nach Lage der Dinge letztlich auch die Apotheken zu spüren bekämen. Es gilt aufzupassen, dass die EU-Kommission in ihren Ausführungsbestimmungen hier nicht zu weit gehende Vorgaben macht. Allerdings: Für Arzneimittel, die der Großhandel über Zwischenhändler beziehen muss oder will, sollte er auch im securPharm-System verpflichtet werden, eine Authentifizierung durchzuführen, bevor die Ware an die Apotheke geliefert wird. Zu prüfen bleibt auch, ob das System wirklich "wasserdicht" ist. Und für die Apotheken dürfen im Alltag nicht Hürden aufgebaut werden, die vermeidbar oder nur zu hohen Kosten überwindbar sind. Endkontrollen der Packungsinhalte müssen dem Apotheker möglich bleiben. Die schnelle, korrekte und im Notfall auch unbürokratische Versorgung der Patienten darf nicht behindert werden.


Klaus G. Brauer



DAZ 2011, Nr. 41, S. 110

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