Gesundheitspolitik

Novartis unterliegt im Dachmarken-Streit

Seit 2005 streiten BfArM und Novartis um die Bezeichnung Fenistil für eine Herpescreme

Berlin (ks). Novartis darf seine Creme "Pencivir bei Lippenherpes" nicht unter der Dachmarke Fenistil führen. Der zusammengesetzte und von der Dachmarkenbezeichnung angeführte Name sei irreführend, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen. Es bestätigte damit das in der ersten Instanz ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aus dem April 2011. Novartis hat dem Urteil zufolge mittlerweile eine Änderung der Bezeichnung beantragt – das "Fenistil" soll aus dem Namen wegfallen. (Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2013, Az.: 13 A 1113/11)

Novartis vertreibt unter der Marke Fenistil mehrere OTC-Arzneimittel für die Haut. Der Klassiker unter ihnen ist das Fenistil® Gel gegen juckende und brennende Haut. Das Gel enthält den Wirkstoff Dimetindenmaleat – das Gleiche gilt für die Fenistil-Präparate zum Einnehmen. Doch auch die Lippenherpes Creme wird mit der vorangestellten Marke Fenistil angeboten. Ihr Wirkstoff: Penciclovir.

Als Novartis 2005 seine Herpescreme der Dachmarke Fenistil unterstellen wollte und dies beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anzeigte, verweigerte die Behörde diese Änderung. Der in den meisten Fenistil-Präparaten enthaltene Wirkstoff Dimetindenmaleat sei kein Bestandteil besagter Creme; eine entsprechende Wirkung durch ein Antihistaminikum werde suggeriert, liege aber nicht vor. Es kam zu einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen BfArM und Novartis. Währenddessen nutzte der Hersteller die Dachmarke für seine Herpescreme bereits. Vor zwei Jahren entschied dann das VG Köln, dass die Änderung einer Arzneimittelbezeichnung und damit die Verwendung eines bereits für einen anderen Wirkstoff etablierten Markennamens für anders zusammengesetzte Arzneimittel nicht zulässig sei. Dies bestätigte nun das OVG NRW.

Auch wenn Novartis Anfang Juni eine Änderunganzeige beim BfArM gestellt hat – aus Sicht der Verwaltungsrichter hat die beklagte Behörde ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung – nicht zuletzt weil Wiederholungsgefahr besteht: Denn im Fenistil-Sortiment finden sich weitere Präparate, die nicht Dimetindenmaleat als Wirkstoff enthalten.

Verständiger Verbraucher wird in die Irre geführt

Und so führt das OVG aus, dass die Bezeichnung unvereinbar mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG sei. Danach ist es verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung versehen sind. Bei Arzneimitteln, die zur Selbstmedikation angeboten werden, ist darauf abzustellen, wie der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher die Bezeichnung versteht. Dieser vertraue typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst. Diese Eindeutigkeit sei im Fall der Herpescreme nicht gegeben. Wenn der Hauptbestandteil einer mehrteiligen Bezeichnung aus einer Dachmarke bestehe, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt werde, bestehe die Gefahr, dass Verbraucher, die ein Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes neues Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als gleich oder zumindest ähnlich wahrnehmen. Diese Assoziation, so das OVG, sei aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerade ein zentraler Grund für die Verwendung von Dachmarken.

Die irreführende Wirkung der Hauptbezeichnung werde auch nicht durch den Zusatz "bei Lippenherpes" ausgeräumt. Dies verdeutliche zwar ein anderes Anwendungsgebiet. Es ergebe sich hieraus aber nicht, dass das Arzneimittel einen anderen Wirkstoff enthält als die meisten anderen Fenistil-Präparate. Bestätigt sieht sich das OVG zudem durch eine "namhafte" Internetapotheke. Bei ihr hieß es, Penciclovir sei nur als Hilfsstoff beigefügt – obwohl es tatsächlich der einzige Wirkstoff ist. Dass eine solche Fehleinschätzung einem Betreiber einer Internetapotheke unterlaufe, belege die erhebliche Gefahr der bezeichnungsbedingten Irreführung der Verbraucher, so das Gericht.

Die Revision hat das OVG nicht zugelassen. Rechtskräftig ist das Urteil aber nicht, es ist noch die Nichtzulassungsbeschwerde möglich.

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