Toxikologie

Gefahren in der Grillsaison

Zum richtigen Umgang mit Lebensmitteln und flüssigen Grillanzündern

Von Ute Richter

Nach dem langen Winter und verregneten Frühjahr zieht es die Menschen jetzt in den Garten oder auf den Balkon. Nicht nur für Fußballfans gehören Grill, Bratwürste, Fleisch und kühles Bier zur Grundausstattung für einen schönen Sommerabend. Damit dieser nicht in der Notaufnahme endet, sollten einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Schließlich werden jedes Jahr bis zu 4000 Grillunfälle registriert. Und auch den längerfristigen unerwünschten Folgen von Grillwurst und Alkohol kann vorgebeugt werden. Hier ein paar Tipps, wie Deutschlands beliebtestes Freizeitvergnügen sicher gelingt.

Alle Vorbereitungen sind getroffen, die Gäste kommen und nun kündigen schwarze Gewitterwolken an, dass der Grillabend buchstäblich ins Wasser fallen wird. Glücklich der, dem ein überdachter Balkon oder Gartenplatz Schutz vor solchen Wetterkapriolen bietet. Doch nicht jeder Ort eignet sich zum Grillen. Offenes Grillfeuer kann in teilweise oder ganz geschlossenen Räumen wie Wintergärten oder Garagen durch die Entwicklung von Kohlenmonoxid zur Todesfalle werden.

Gefährdung durch das Einatmen von Kohlenmonoxid

Bereits geringe Kohlenmonoxid-Konzentrationen in der Raumluft führen durch die starke Bindung des Giftes an Hämoglobin zu einer schweren Störung des Sauerstofftransports. Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, Erbrechen, Kurzatmigkeit und Herzrasen sind Alarmzeichen.

Bei Bewusstlosigkeit muss sofort der Notruf 112 ausgelöst und Erste Hilfe geleistet werden. Der Grill sollte sofort aus dem Raum entfernt und für ausreichend Frischluft (Durchzug) gesorgt werden. Dem Giftnotruf des Giftinformationszentrums Erfurt (GGIZ) sind seit 2008 vier Fälle mit insgesamt zwölf Personen bekannt geworden, bei denen es durch die Verwendung von Holzkohlegrills oder Propangasheizern in Innenräumen zu Vergiftungserscheinungen gekommen ist. Das Institut für Rechtsmedizin in Magdeburg verzeichnete in einem Jahr acht Todesfälle durch Kohlegasvergiftung. Wirklich gefahrlos ist das Grillen also nur unter freiem Himmel.

Achtung Stichflamme!

Mancher Grillmeister möchte der Glut etwas nachhelfen, indem er hochbrennbare Flüssigkeiten wie Benzin oder Spiritus auf die Kohle gießt. Vor dieser lebensgefährlichen Praxis muss dringend gewarnt werden, denn durch Stichflammen und Verpuffung kann es zu schwersten Verbrennungen kommen. 300 bis 500 schwere Verbrennungen durch Grillunfälle werden durchschnittlich pro Jahr gezählt.

Als Erste-Hilfe-Maßnahme für Verbrennungen gilt die 20-20-Regel: Mit 20 °C kaltem Wasser wird die verbrannte Stelle über 20 Minuten gekühlt. Schon ab einem Flächenausmaß von 15% der Körperoberfläche gilt eine Verbrennung der Haut als lebensgefährlich.

Ein Eimer mit kaltem Wasser sollte immer griffbereit stehen und Kinder haben in der Nähe des Grills nichts zu suchen.

Grillanzünder sicher aufbewahren

Statt mit Benzin oder Spiritus sollten nur handelsübliche flüssige oder feste Grillanzünder verwendet werden. Doch auch diese dürfen nicht in Kinderhände gelangen. Die Sicherheitsverschlüsse bieten keinen garantierten Schutz und können auch von Kleinkindern geöffnet werden. Innerhalb eines Jahres erhielt der Giftnotruf Erfurt 371 Anfragen wegen des Verschluckens von Grillanzündern. Zu 70% handelte es sich um flüssige Produkte, die zum Teil in Getränkeflaschen umgefüllt worden waren.

Nach den akuten Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kann durch die enthaltenen paraffinhaltigen Öle und Petroleumdestillate zu einer typischen Form der Lungenentzündung (chemische Pneumonitis) kommen. Auch Lampenöle in Fackeln sind eine Gefahrenquelle für Kinder.

Sollten flüssiger Grillanzünder oder Lampenöl verschluckt worden sein, gilt folgendes:

  • Kein Erbrechen auslösen!
  • Keine Milch trinken! Milch oder Milchprodukte können die Aufnahme von paraffinhaltigen Ölen und Petroleumdestillaten erhöhen.
  • Sofort den Giftnotruf wählen!

Als Alternative zu flüssigen Grillanzünder können Feststoffgrillanzünder verwendet werden. Hier sind die paraffinhaltigen Öle und Petroleumdestillate an die feste Trägersubstanz gebunden. Werden kleinere Mengen aufgenommen, so ist eine schädigende Wirkung nahezu ausgeschlossen.

 

Krebsgefahr durch schwarze Bratwurst?

Wenn Fett aus Fleisch oder Öl aus der Marinade in die Glut oder beim Elektrogrill auf die Heizschlange tropft, können krebsauslösende, aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen. Werden Fleisch und Wurstwaren lange bei großer Hitze gegrillt, entstehen weitere gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie heterozyklische aromatische Amine. Deshalb wird die Verwendung von Alu-Grillschalen empfohlen. Sie fangen die Flüssigkeiten aus dem Grillgut direkt auf. Eine Alternative sind Gas- oder Elektrogrills, bei denen Fett und Öl nicht auf die Heizschlangen tropfen können.

Gepökelte Fleisch- und Wurstwaren, die mit Hilfe von Nitritpökelsalz konserviert worden sind, gehören nicht auf den Grill! Hier besteht Gefahr durch krebserregende Nitrosamine.

Die Aufzählung all dieser gesundheitsschädlichen chemischen Verbindungen sollte aber den Genuss von Gegrilltem nicht grundsätzlich verderben. Wird das Grillgut der Hitze nicht allzu intensiv ausgesetzt, können Schadstoffe gar nicht erst entstehen. Und die Antioxidanzien in frischen Salaten, Rohkost, Soßen und Dips fangen ein paar freie Radikale mehr im Körper ab.

Nach einer neuen Untersuchung der Kansas State University können Gewürze den Anteil der heterozyklischen Amine im Fleisch um bis zu 40% senken. Als am wirksamsten zeigte sich Rosmarin. Doch Achtung, Gewürzpflanzen aus Wildbeständen haben manchmal Ähnlichkeit mit Giftpflanzen! So verwechselte im Mai dieses Jahres ein fünfjähriges Mädchen Blattpetersilie mit Eisenhut, was zum Glück glimpflich ausging. Eisenhut (Aconitum spec.) aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) zählt zu den giftigsten in Europa heimischen Pflanzen. Zwischen 2000 und 2009 wurden vom GGIZ ein schwerer Vergiftungsfall und zwei Todesfälle registriert.

Ungebetene, stechende Gäste

Bienen und Wespen sind besonders im Hochsommer aktiv und ein gedeckter Tisch im Freien lockt diese ungebetenen Gäste an. Vor einigen Jahren schreckte die Pressemeldung über einen Todesfall nach einem Wespenstich in die Lippe auf.

Ist die Panik einiger Mitmenschen beim Anblick dieser nützlichen Tiere also berechtigt? Und sind Wespen besonders gefährlich?

"Nein, das stimmt so nicht", beruhigt Dr. Helmut Hentschel, Leiter des Giftinformationszentrums Erfurt. Das Gift einer Wespe ist ebenso schädlich oder unschädlich wie das einer Hornisse oder einer Biene. Gefährlich werden Wespenstiche dann, wenn Menschen mit einer Allergie gestochen werden. Gleiches gilt für Stiche im Kopf- und Halsbereich und in der Mundhöhle", so der Mediziner. Dann ist in schnelle medizinische Hilfe erforderlich. "Deshalb sollte man in diesem Fall nicht zögern, sofort den Notarzt zu rufen", erklärt Helmut Hentschel. Auch wenn Stiche schnell anschwellen, wenn es zu Übelkeit, Krämpfen oder auch Kreislaufstörungen kommt, muss der Rettungsdienst informiert werden.

Nicht erlaubt ist es, ein Wespen nest auszuräuchern. Stattdessen muss entweder ein Imker oder aber die Feuerwehr gerufen werden. In den meisten Fällen wird versucht, die Nester umzusetzen.

Für nicht allergische Kinder ist ein Stich meist ungefährlich. Mehr als 50 Stiche dürfen sie allerdings nicht erleiden. Bei Erwachsenen gelten 100 Wespenstiche als die Grenze.

Umstritten sind die alten Hausmittel wie Zwiebelringe oder Backpulver. Linderung sollen hingegen kühle Umschläge und viel Ruhe bringen.

Giftpflanzen im Sommer

Der Sommer ist auch die Zeit der Schmetterlingsblütler, unter denen sich sowohl Nutzpflanzen wie Bohne, Erbse und Klee als auch giftige Zierpflanzen wie Besenginster, Goldregen und Robinie finden. Allen gemeinsam ist die Ausbildung von Hülsenfrüchten, die irrtümlich als Schoten bezeichnet werden und eine gewisse Anziehungskraft auf Kinder ausüben. Da man den Nachwuchs in geselliger Runde schnell einmal aus dem Blick verliert, sollte man vorab die Umgebung nach Giftpflanzen absuchen und die Kinder darauf hinweisen.

Hygiene gegen Lebensmittelvergiftungen

Auch die Vergiftungsgefahr durch verdorbene Lebensmittel steigt in der warmen Jahreszeit. Zwar werden beim Garen mit hohen Temperaturen Keime abgetötet, aber durch eine Übertragung von rohem Fleisch oder Fisch auf die Hände, auf Haushaltsgeräte und Küchenoberflächen können andere Speisen kontaminiert werden.

Da sich Salmonellen bei Temperaturen oberhalb von 7 °C in Lebensmitteln vermehren können, besteht ein besonderes Risiko beim Verzehr von Speisen, die über eine längere Zeit ungekühlt aufbewahrt werden, wie zum Beispiel Salate und Desserts. Auch von Grillsaucen und anderen Lebensmitteln, die roh verzehrt werden, kann ein Risiko ausgehen.

Wie kann man mikrobielle Risiken vermeiden?

  • rohe vom Tier stammende Lebensmittel und andere Lebensmittel (z. B. Salat oder Desserts) getrennt lagern und zubereiten
  • tiefgefrorenes Fleisch ohne Verpackung im Kühlschrank auftauen
  • Verpackungsmaterialien, Auftauwasser und Reste von Marinaden sofort entsorgen
  • Gerätschaften und Oberflächen, die mit rohen tierischen Lebensmitteln, Auftauwasser oder Marinaden in Berührung gekommen sind, vor der weiteren Verwendung gründlich mit warmem Wasser und Spülmittelzusatz reinigen
  • Hände zwischen den einzelnen Zubereitungsschritten mit warmem Wasser und Seife gründlich reinigen
  • Fleisch gut durchgaren, bei Geflügel bis das Fleisch auch am Knochen eine weiße bis graue Farbe hat
  • verschiedene Grillzangen oder Gabeln verwenden, um eine Übertragung von Keimen vom rohen Fleisch oder über Marinaden auf das fertige Grillgut zu vermeiden
  • auf die Verwendung von rohen Eiern für frische Majonäse und Desserts verzichten
  • auch Soßen, Majonäse und Desserts, die keine rohen Eier enthalten, gut kühlen und erst kurz vor dem Verzehr servieren

Alkohol nur in Grenzen

Ein kühles Bier oder ein Glas Wein sind sicher gute Begleiter für ein leckeres Essen im Freien. Aber auch alkoholfreie Getränke wie Saft, gekühlter Tee oder aromatisiertes Wasser sind gute Durstlöscher.

Deutschland gehört seit Jahren mit seinem Pro-Kopf-Alkoholkonsum zur weltweiten Spitze. Neben den bekannten Folgeschäden für fast alle Organe wird die Gefährdung eines akuten Alkoholrausches unterschätzt. Durch seine lähmende Wirkung auf das Atemzentrum und eine Übersäuerung und Unterzuckerung des Körpers kann die einmalige Einnahme von hohen Ethanol-Mengen zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Nicht nur für Kindern und Jugendlichen sollte daher das Motto einer Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gelten: "Kenn Dein Limit!" So wird man den Grillabend auch am nächsten Morgen nicht bereuen.

Quelle Gemeinsames Giftinformationszentrum. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen (GGIZ), www.ggiz-erfurt.de 

 


Anschrift der Verfasserin

 

Ute Richter, Krügerstr. 4, 01326 Dresden

Zum Weiterlesen


Toxikologie: Vergiftungsgefahren zur Osterzeit.

DAZ 2010, Nr. 10, S. 78 – 80


Schnelle Hilfe in akuten Vergiftungssituationen.
Über die Arbeit eines Giftinformationszentrums.

DAZ 2009, Nr. 50, S. 48 – 53

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