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Generalanwalt: Fremdbesitzverbot ist rechtmäßig

LUXEMBURG (cr). Das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot in Deutschland steht mit geltendem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Regelungen, die das Eigentum an einer Apotheke und die Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis Pharmazeuten vorbehalten, sind aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Dies hat der französische Generalanwalt Yves Bot in seinen Schlussanträgen vor dem Europäischen Gerichtshof festgestellt.

Am Dienstag, 9.30 Uhr war es so weit: Generalanwalt Yves Bot ließ vor der Großen Kammer des EuGH seine in der Apotheken- und Pharmabranche mit Spannung erwarteten Schlussanträge stellen. Ausgangspunkt des Verfahrens war das sog. Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, in dem es um die rechtliche Beurteilung des in Deutschland geltenden apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbots für Apotheken geht (§§ 2, 7 und 8 des deutschen Apothekengesetzes). Das Verwaltungsgericht hatte zwei anhängige Prozesse, die sich gegen die vom saarländischen Justiz- und Gesundheitsministerium unter dubiosen Vorzeichen erteilte Betriebserlaubnis für eine DocMorris-Fremdbesitzapotheke in Saarbrücken richteten, ausgesetzt und dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Fremdbesitzverbotes mit geltendem Europarecht vorgelegt. Zwar ist der EuGH in seiner Entscheidung nicht an das Votum des Generalanwalts gebunden – gleichwohl kommt den Ausführungen für den Ausgang des Verfahrens eine gewichtige Indizwirkung zu.

Zahlreiche Verfahrensbeteiligten und ihre Prozessvertreter waren in Luxemburg persönlich anwesend: Neben Ralf Däinghaus und Vertretern aus der Celesio-Rechtsabteilung der saarländische Kammerpräsident Manfred Saar, Kammerjustitiar Carsten Wohlfeil, die Klägerin Helga Neumann-Seiwert und ihr Prozessvertreter, Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling, sowie weitere Apothekerinnen und Apotheker, die sich gegen die Erteilung der Erlaubnis für die Fremdbesitzapotheke in Saarbrücken zur Wehr gesetzt hatten.

Verbot als präventiver Gesundheitsschutz

In nur einer halben Stunde war alles vorbei – und was Bot in seinen Schlussanträgen anmerkte, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Nach Auffassung des französischen Generalanwalts enthalten die Bestimmungen des Art. 152 EG die Grundlagen "für eine nur wenig integrierte Gesundheitspolitik" und lassen "einen Bereich geschützter nationaler Zuständigkeiten erkennen". Jeder einzelne Mitgliedstaat dürfe deshalb in eigener Verantwortung bestimmen, "auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten" wolle und wie "dieses Niveau erreicht werden solle". Zwar stelle das deutsche Fremdbesitzverbot eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar – diese Beschränkung sei jedoch aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot komme nämlich "in nicht diskriminierender Weise" zur Anwendung, sei im Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt und gehe nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses legitimen Ziels erforderlich sei. Im Ergebnis schlägt Bot dem Europäischen Gerichtshof vor, "für Recht zu erkennen, Art. 43 und 48 EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der nur Apotheker eine Apotheke besitzen und führen dürfen". Eine solche Regelung sei durch das Ziel gerechtfertigt, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Beim apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbot handelt es sich, so der Generalanwalt, um ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel des präventiven Gesundheitsschutzes. Allein die Verankerung der Haftung eines Apothekenbetreibers, der nicht Apotheker ist, oder anderer nachträglicher Korrekturmechanismen reiche dagegen nicht aus, um ein gleich hohes Schutzniveau für die Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen. Bot wörtlich: "Die Argumente, die die Gegner der deutschen Regelung hierzu zur Stützung ihrer Auffassung vortragen, sind weitgehend theoretisch und werden im Übrigen durch die Realitäten der jetzigen Finanzkrise widerlegt. So hat die Existenz von Kontrollbehörden und rechtlichen Regelungen über die zivilrechtliche, kommerzielle oder strafrechtliche Haftung im Bankengeschäft in tragischer Weise ihre Grenzen und ihr Unvermögen offenbart, die Auswüchse einer Denkweise zu unterbinden oder zu kontrollieren, die dem Ertrag des eingesetzten Kapitals den Vorrang einräumt."

Pillen sind keine Brillen

Ausdrücklich widerspricht Bot dem gekünstelten Konstrukt einer Unterscheidung zwischen "internen" und "externen" Aspekten der pharmazeutischen Tätigkeit. Es sei nämlich kaum vorstellbar, dass ein berufsfremder Apothekenbetreiber nicht in die Beziehungen zwischen (angestelltem) Apotheker und Kunden eingreife und in kommerzieller Absicht zumindest mittelbar darauf Einfluss nehme. Auch verneint der Generalanwalt in seinem Schlussantrag eine Gleichsetzung von Arzneimitteln und Sehhilfen ("Pille = Brille"). Aus dem Optiker-Urteil des EuGH könnten die Befürworter des Fremdbesitzes deshalb rechtlich keinen Honig saugen.

Entscheidung im Frühsommer

Nun haben die 13 Richter der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes das Wort. Mit ihren Entscheidungen zum Fremdbesitzverbot ist im Frühsommer zu rechnen.

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