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Sachsen und Bayern kündigen Bundesratsinitiative an

DRESDEN (ks). Der Freistaat Sachsen beabsichtigt, über den Bundesrat eine Initiative einzubringen, die den Versandhandel mit Arzneimitteln "auf das europarechtlich erforderliche Maß zurückführen soll". Dies kündigte die sächsische Gesundheitsministerin Helma Orosz (CDU) am 9. Juni an. Einen Tag später gab auch der bayerische Gesundheitsminister Otmar Bernhard (CSU) bekannt, eine solche Initiative starten zu wollen. Damit ist ein neuer Vorstoß zur Einschränkung des Arzneimittelversandes in die Wege geleitet, nachdem die Anfang 2007 vom nordrhein-westfälischen Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) ins Rollen gebrachte Initiative im Sande verlaufen ist.

Das dm-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 hatte das Sächsische Gesundheitsministerium zu einer umfassenden Prüfung veranlasst, inwieweit die in Deutschland geltenden Regelungen zum Versandhandel mit Arzneimitteln einer Revision bedürfen. Orosz, die bereits vor zwei Monaten im DAZ-Interview eine rechtliche Klarstellung als Reaktion auf das Urteil gefordert hatte (siehe DAZ Nr. 19/2008, S. 14), sieht sich auch nach dieser Prüfung in ihren Bedenken bestätigt: "Mit diesem Urteil droht die Entwicklung des klassischen Versandhandels (direkte Bestellung, direkte Belieferung) hin zu schwer überschaubaren Varianten mit von Dritten betriebenen Diensten. Und das bei hochwirksamen Arzneimitteln, die zwischen Schuhcreme und Videokassetten wirklich nichts zu suchen haben." Die Ministerin erinnerte etwa an die bei einzelnen Arzneimitteln erforderliche Kühllagerung. "Hier möchte ich als Gesundheitsministerin nicht warten, bis etwas Schlimmes passiert, sondern schon vorher handeln", so Orosz.

Nur eine Lösung macht Sinn

Wesentlicher Inhalt der rechtlichen und fachlichen Prüfung des Ministeriums war die Frage, ob und wie die Details des Versandhandels über eine Rechtsverordnung besser als bisher geregelt werden können. Orosz Fazit ist klar: Eine Lösung im Sinne der Patientinnen und Patienten ließe sich hierdurch nicht erreichen – denn Versandapotheken im EU-Ausland wären rechtlich nicht an eine deutsche Verordnung gebunden. Und so kommt die Ministerin zu dem Ergebnis, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln auf rezeptfreie Präparate beschränkt werden sollte – lediglich dieser eingeschränkte Versandhandel ist auch nach dem ersten Doc-Morris-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Dezember 2003 europarechtlich erforderlich.

Keine weitere Verzögerung

"Ich halte das, auch in Anbetracht der zunehmenden Gefahr von Arzneimittelfälschungen, für eine klare und gute Regelung im Sinne des Patienten- sowie Gesundheitsschutzes", betonte die Ministerin. Und sie ist sicher, dass ihr Anliegen Unterstützer in der schwarz-roten Landesregierung findet: "Erste Gespräche mit dem neuen Ministerpräsidenten sowie dem Wirtschaftsministerium haben gezeigt, dass meine Sichtweise dort geteilt wird. Wir werden nun ohne weitere Verzögerung eine Kabinettsvorlage erstellen, damit unsere Initiative so schnell als möglich in den Bundesrat eingebracht werden kann", so Orosz. Ein Beschluss vor der Sommerpause wäre noch möglich, wenn alle Kabinettsmitglieder der schwarz-roten Landesregierung mitziehen. Die Einbringung in den Bundesrat könnte aber erst ab September erfolgen.

Bayern zieht mit

Unterstützung erhält Orosz zudem aus Bayern: Bereits einen Tag später kündigte ihr bayerischer Amtskollege Otmar Bernhard eine ebensolche Bundesratsinitiative an. Er betonte, dass Medikamente, die aus gutem Grund nur auf Rezept erhältlich seien, in die Apotheke und nicht ins Internet oder in den Supermarkt gehörten. Er verwies darauf, dass der seit 2004 in Deutschland zugelassene Arzneimittelversandhandel "zunehmend ein Experiment mit ungewissem Ausgang für die Gesundheit" werde. Illegale Versandhändler arbeiteten inzwischen so geschickt, dass Verbraucher sie nicht von den seriösen Versandapotheken unterscheiden könnten. Auch die mit dem dm-Urteil möglich gewordenen Pick-Up-Stellen für Arzneimittel lehnt Bernhard ab: "Es kann nicht sein, dass anstelle des Apothekers künftig etwa ein Kioskbetreiber oder Tankwart unkontrolliert Rezepte einsammelt und die bestellten Arzneimittel ausgibt. Zwischen Schokoriegeln und Scheibenreinigern ist ihre sachgemäße Behandlung und Lagerung kaum zu garantieren, ganz zu schweigen von der fehlenden, aber so wichtigen Beratung". Bernhard forderte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt auf, den Schutz der Patienten und Verbraucher ernst zu nehmen und den Arzneimittelversandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland zu unterbinden".

Um weitere Unterstützung wird geworben

Nächste Woche soll das Thema im bayerischen Kabinett eingeführt werden, erklärte eine Sprecherin des zuständigen Staatsministeriums gegenüber der DAZ. Dabei sei davon auszugehen, dass die Kabinettsmitglieder die Initiative mittragen werden. Auch wenn Bayern einen eigenen Weg geht – man "ziehe am selben Strang" wie Sachsen, sagte die Sprecherin. Sobald der Kabinettsbeschluss und sodann der Entschließungsantrag für den Bundesrat gefasst sei, werde man auch bei allen anderen Ländern für diesen werben. Ob sich der einstige Vorreiter Nordrhein-Westfalen dem Vorstoß aus Sachsen und Bayern anschließen wird, war zu Redaktionsschluss der DAZ noch nicht zu erfahren. Hier hatte sich vor allem der Koalitionspartner FDP quergestellt.

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