Arzneimittel und Therapie

Chronische Verstopfung

Methylnaltrexon hilft bei Opioid-induzierter Obstipation

Die Opioid-induzierte Obstipation wird immer noch als eine Hürde für eine erfolgreiche Schmerztherapie mit Opioiden angesehen. Bis zu 90% der Patienten sind von dieser Nebenwirkung betroffen. Ein kausaler Therapieansatz mit dem peripher wirkenden µ-Opioidrezeptor-Antagonisten Methylnaltrexon scheint die Behandlungsmöglichkeiten verbessern zu können, so die Ergebnisse von Phase-III-Studien. Im Sommer 2007 wurde bei der amerikanischen Zulassungsbehörde sowie bei den europäischen Behörden die Zulassung für Methylnaltrexon beantragt.

Opioide stellen nach wie vor die effektivste Wirkstoffklasse zur Behandlung von starken Schmerzen dar. Durch die Bindung an Opioidrezeptoren im Zentralnervensystem wird die synaptische Übertragung von Schmerzsignalen erfolgreich inhibiert. Allerdings besitzen die Substanzen auch eine Wirkung auf das vegetative Nervensystem. Im Darm führt dies zur Erschlaffung der Längsmuskulatur, in deren Folge es zur Abnahme der propulsiven Motorik, zum Wasserentzug sowie Eindickung der Faeces und somit zur Verstopfung kommt. Die mit dieser Opioid-induzierten Obstipation einhergehenden Beschwerden wie Bauchkrämpfe, Spasmen, Blähungen sowie harte und trockene Stühle bedeuten für die Betroffenen eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität. Mit den üblichen Abführ- und Quellmitteln kann etwas mehr als die Hälfte der Patienten, die unter dieser Nebenwirkung leiden, ausreichend versorgt werden. Für den Rest der Patienten fehlen auch heute noch zufriedenstellende Behandlungsmöglichkeiten. Ziel einer begleitenden Therapie ist es daher, diese periphere Nebenwirkung des Morphins und verwandter Stoffe aufzuheben, da die Opioid-induzierte Obstipation sehr schmerzhaft sein kann und schließlich den Behandlungserfolg gefährdet.

Da bei der Opioid-induzierten Obstipation davon ausgegangen wird, dass die eigentliche Wirkung der Opioide direkt und lokal über den gesamten Darm durch die Besetzung der Opioidrezeptoren abläuft, sollte dieser Effekt durch die Anwendung von Opioidantagonisten wieder aufgehoben werden können, die mit endogenen und exogenen Opioiden an den µ-Rezeptoren konkurrieren. Die Verwendung von Opioidantagonisten ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn sich die antagonistische Wirkung nur auf den Darm beschränkt und nicht die zentrale schmerzstillende Wirkung aufgehoben wird. Darum kommen auch nur wenige Opioidantagonisten wie z. B. Naloxon, N-Methylnaloxon oder N-Methylnaltrexon in Frage, die unter bestimmten Voraussetzungen peripher und nicht zentral im ZNS wirken.

Naloxon ist ein reiner Opioidantagonist, der üblicherweise als Antidot im Vergiftungsfall mit Opioiden intravenös appliziert wird. Nach oraler Gabe wird Naloxon rasch und vollständig resorbiert. Dabei werden neben der Aufhebung der zentralen Opioidwirkung auch periphere Effekte beobachtet. Naltrexon ist peroral verfügbar und bewirkt ebenfalls eine Aufhebung zentraler und peripherer Opioidwirkungen.

Erschwerte Passage der Blut-Hirn-Schranke

Methylnaltrexon enthält eine zusätzliche Methylgruppe am Stickstoff-Atom. Diese verringert die Lipophilie im Vergleich zu Naltrexon und erschwert das Passieren der Blut-Hirn-Schranke. So kann Methylnaltrexon Opioid-induzierte Nebenwirkungen in der Peripherie antagonisieren, ohne die zentrale Analgesie einzuschränken. Auf zentral ausgelöste Nebenwirkungen, wie Atemdepression oder Sedierung, nimmt Methylnaltrexon aber keinen Einfluss. Mit dem µ-Opioidrezeptor-Antagonisten Methylnaltrexon konnte eine deutliche Verbesserung der Therapie der Opioid-induzierten Obstipation in zwei Phase-III-Studien gezeigt werden. In der ersten Studie wurde eine einmalige Gabe von Methylnaltrexon (0,15 mg/kg bzw. 0,3 mg/kg sc) bei insgesamt 154 Krebspatienten mit konstanter Opioidapplikation getestet. Das eingeschlossene Patientenkollektiv hatte innerhalb der letzten 48 Stunden keinen Stuhlgang. Dabei konnte in der Methylnaltrexon-Gruppe bei 62% der Patienten (bzw. 58% bei 0,3 mg/kg) innerhalb von vier Stunden und bei 68% innerhalb von 24 Stunden Stuhlgang beobachtet werden (vs. 13% bzw. 33% in der Placebo-Gruppe). Eine signifikante Veränderung der Schmerz-Scores oder der Opioid-Entzugssymptome traten unter der Methylnaltrexon-Therapie nicht auf. In einer zweiten Studie wurde an 134 Krebspatienten mit konstanter Opioidapplikation die Wirksamkeit von Methylnaltrexon (0,15 mg/kg sc) über einen Zeitraum von zwei Wochen gegen Placebo getestet. Im Studienzeitraum erhielten die Patienten im Verum-Arm den Arzneistoff alle zwei Tage (insgesamt sieben Applikationen). Dabei konnte Stuhlgang innerhalb von vier Stunden in der Methylnaltrexon-Gruppe bei 52% der Patienten (vs. 8,5% unter Placebo) bei mindestens zwei der ersten vier Applikationen beobachtet werden. Mehr als 70% der Patienten hatten nach einer der ersten vier Gaben von Methylnaltrexon binnen vier Stunden Stuhlgang. Auch in dieser Studie konnte keine signifikante Veränderung der Schmerz-Scores oder das Auftreten von Opioid-Entzugssymptomen beobachtet werden.

Quelle

Pressemitteilung der Wyeth Pharma GmbH vom 11. Dezember 2007.

Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2001).ck

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