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Schokolade-Inhaltsstoff besetzt THC-Rezeptor: Warum macht Schokolade süchtig?

(rms). Die kürzlich in Schokolade isolierte Verbindung Anandamid besitzt die Fähigkeit, an die neuronalen Rezeptoren für den Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) zu binden. Die in Schokolade enthaltenen Mengen der Substanz sind jedoch viel zu gering, um beim Menschen eine dem Haschisch oder Marihuana ähnliche Wirkung zu erzielen. Eine wissenschaftliche Erklärung für die "Schokoladensucht" vieler Menschen steht damit nach wie vor aus.

Anfang September 1996 wurde das Anandamid von der Zeitschrift "Chemical and Engineering News" zum Molekül der Woche gewählt. Wissenschaftler des "Neuroscience Institutes" von San Diego hatten geringe Mengen der Substanz in Schokolade und Kakaopulver isoliert. Anandamid, das Ethanolaminderivat der Arachidonsäure, einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, war zuvor nur im Gehirn nachgewiesen worden. Dort bindet die Substanz an den THC-Rezeptor, also an den Rezeptor für die Wirksubstanz von Haschisch und Marihuana. Besitzt Schokolade eine "Haschischwirkung"? Diese Frage beschäftigt die Medien seit dieser Entdeckung immer wieder. Wie die Informations- und Dokumentationsstelle am Institut für Ernährungswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen anhand der zu diesem Thema vorhandenen Literatur zusammenfaßte, sind in 1 g Schokolade zwischen 0,5 und 90 mg Anandamid (Arachidonethylamid) und Analoge (Oleoyl-, Linoleoylethylamid) enthalten. Rein rechnerisch müßte damit ein 30 kg schweres Kind im ungünstigsten Fall 7 Tafeln (0,22mal 100 g Schokolade pro kg Körpergewicht), im günstigsten 12000 Tafeln (400mal 100g/kg KG) Schokolade auf einmal zu sich nehmen, um die erwähnte Wirkung zu verspüren. Trotz der sehr ähnlichen pharmakologischen Profile von Anandamid und THC unterscheiden sich beide Substanzen stark in ihrer Struktur und ihrer Pharmakokinetik. So wird Anandamid innerhalb von 30 Minuten abgebaut, THC ist hingegen noch Stunden nach der Aufnahme wirksam. Auch andere in Schokolade enthaltene psychoaktive Substanzen wie Coffein, Theobromin oder verschiedene biogene Amine scheinen die "Lust" auf Schokolade nicht erklären zu können. Und das 2-Phenylethylamin, das eine Steigerung des Lust- und Glücksempfindens verursachen und gemütsaufhellend wirken soll, ist in zu geringen Mengen in Schokolade enthalten, um die "Sucht" nach diesem Genußmittel erklären zu können. So lautet denn das Fazit der Gießener Wissenschaftler: "Eine Schokoladensucht wird eher vom angenehmen Geschmack, dem Aroma und dem zarten Schmelz von Schokolade ausgelöst."

Quellen Chemical and Engineering News, vom 2.9.1996, S.31 "Macht Schokolade high"?", Mitteilung der Informations- und Dokumentationsstelle am Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen

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