Warten auf den Europäischen Gerichtshof

Rx-Boni-Verfahren gegen Shop Apotheke ist ausgesetzt

14.02.2024, 07:00 Uhr

Shop Apotheke bietet wieder Rx-Boni an, das Verfahren ist aber nun ausgesetzt. (Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk)

Shop Apotheke bietet wieder Rx-Boni an, das Verfahren ist aber nun ausgesetzt. (Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk)


Das Verfahren, das die Apothekerkammer Nordrhein derzeit gegen den Versender Shop Apotheke führt, ist ausgesetzt. Der Versandhändler bietet nämlich trotz Verbot weiterhin Rx-Boni an. Bevor es hier eine Entscheidung gibt, soll der Europäische Gerichtshof zunächst aber grundlegende Fragen zur Geltung des deutschen Zugabeverbotes und dessen Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht beantworten. Ein eigentlich für März anberaumter Verhandlungstermin wurde nun abgesagt.

Apotheken, die Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgeben, dürfen keine Zugaben gewähren und müssen sich an die Preisbindung halten. So ist es in § 7 HWG und seit Dezember 2021 in § 129 Abs. 3 SGB V festgehalten. Eine Verknüpfung der beiden Regelungen wird in § 7 Abs. 1 Satz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) hergestellt. Diese Norm verbietet Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel, „soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten“.  

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Die Shop Apotheke interessiert das aber offenbar herzlich wenig. Sie bietet bereits seit einiger Zeit Boni im Zusammenhang mit der Einlösung von Rezepten an. Je nach Abgabepreis locken bei Kassenrezepten 2,50 oder 5 Euro, bei Privatrezepten noch mehr. Der Bonus wird laut Flyer bei Einsendung eines Rezepts gewährt und wird mit dem Preis nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel verrechnet oder dem Kundenkonto gutgeschrieben. Seit Kurzem wird er auch im Kontext mit dem E-Rezept beworben.


Kammer sieht Verstöße gegen HWG und SGB V  

Der Apothekerkammer Nordrhein, die bekanntermaßen gerichtliche Auseinandersetzungen mit niederländischen Versendern nicht scheut, ist das ein Dorn im Auge. Die Auslobung des Rezeptbonus gegenüber gesetzlich und privat krankenversicherten Patienten in Deutschland verstößt in den Augen der Kammer gegen das Zugabeverbot des § 7 HWG. Die im HWG vorgesehenen Ausnahmetatbestände greifen nach Ansicht der AKNR nicht. Darüber hinaus verstößt die Werbung mit dem Rezeptbonus gegenüber gesetzlich krankenversicherten Patienten zusätzlich noch gegen § 129 Abs. 3 S. 3 SGB V. 
Die Kammer hat bereits im vergangenen Jahr juristische Schritte gegen Shop Apotheke eingeleitet. Rechtsanwältin Anne Bongers-Gehlert hat den Versender vor knapp einem Jahr im Namen der AKNR aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. 

Erst soll der EuGH ran

Doch dieses Verfahren wird nun auf Antrag beider Parteien vorerst ausgesetzt (LG Köln, 31 O 152/22). Und zwar bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits der Apotheker Nordrhein mit dem anderen großen Versender DocMorris, der aktuell beim Europäischen Gerichtshof liegt. „Die im Rechtsstreit des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 182/22) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Auslegungsfragen dürften für den hiesigen Rechtsstreit von unmittelbarer Relevanz sein,“ heißt es in dem Beschluss über die Aussetzung.  
In diesem Rechtsstreit hatte ausnahmsweise mal nicht die Kammer DocMorris verklagt, sondern umgekehrt. Die Niederländer klagten gegen die AKNR, weil aus ihrer Sicht rückblickend alle dem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016 vorangegangenen Verfügungen und Vollstreckungen unzulässig waren. Damals befand der EuGH, dass die deutsche Rx-Preisbindung für EU-ausländische Versandapotheken europarechtswidrig sei. 

DocMorris will 18 Millionen Schadenersatz von der AKNR 

In erster Instanz wies das Landgericht Düsseldorf, die Klage ab. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah es jedoch anders. Im März 2022 bejahte es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach – zur Höhe gab es allerdings keine Entscheidung. Und die Forderungen von DocMorris sind mittlerweile in schwindelerregende Höhen gestiegen – mehr als 18 Millionen Euro will der Versender von der Kammer.  
Die AKNR zog schließlich vor den Bundesgerichtshof. Dieser hat das Verfahren allerdings vergangenen Sommer ausgesetzt. Vor seiner Entscheidung will er erst noch einige Fragen vom EuGH bezüglich der Geltung des Zugabeverbotes und dessen Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht, namentlich dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel geklärt wissen.  

Werbung war bei Boni-Entscheidung 2016 kein Thema 

Diesen Aspekt hatte der EuGH 2016 in seiner Entscheidung gar nicht berücksichtigt. Denn selbst wenn der EuGH die Geltung der Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versandapotheken damals infrage gestellt haben mag: Arzneimittel sind noch immer eine ganz besondere Ware und für die Werbung gelten sehr enge Grenzen, in Europa wie auch national. Dies zeigen auch die jüngsten Entscheidungen des EuGH, in denen er sich mit der Werbung für Arzneimittel beschäftigt hat. 
Daher soll nun in dem aktuellen Verfahren unter anderem geklärt werden, ob das heilmittelwerberechtliche Verbot von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder prozentualen Rabatten für den späteren Erwerb von Produkten im Einklang mit dem europäischen Recht steht und ob Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel mit Gutscheinen, die unmittelbar den Preis des Arzneimittels reduzieren, nach dem europäischen Recht sogar zwingend zu verbieten sind.  
Und diese Frage zur Reichweite und der Vereinbarkeit des Zugabeverbotes des HWG mit dem europäischen Recht ist eben auch für das Verfahren der Kammer Nordrhein gegen die Shop Apotheke interessant. „Es dürfte entscheidend darauf ankommen, ob die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 lit. a) HWG auch Geldbeträge erfasst, welche in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte beworben bzw. angeboten werden,“ heißt es in dem Beschluss des LG Köln zur Aussetzung des Verfahrens. Ein eigentlich für März anberaumter Verhandlungstermin wurde abgesagt. 

Entscheidung zu Rx-Boni  muss warten

So heißt es also erst einmal warten auf den EuGH. Danach kann es dann auch eine Entscheidung im Streit um die Rx-Boni der Shop Apotheke geben. Insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten CardLink-Verfahrens, mit dem sich E-Rezepte ohne Mehraufwand in die Niederlande schicken lassen, wäre es umso wichtiger, dem Anreiz in Form von Boni ein Ende zu bereiten.

Kommission, Parlament, EuGH: Was haben Apotheken von Europa zu erwarten?

Der europäische Einfluss von EU-Kommission, Europaparlament und Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf das deutsche Arzneimittel- und Apothekenrecht gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dies hat auch unmittelbare Folgen für die Apothekenpraxis in Deutschland. Aus der Vielzahl europarechtlicher Einflüsse für das Pharma- und Apothekenrecht werden die folgenden Punkte herausgegriffen:

  • Welche Entwicklungen zeigen sich beim EU-Pharmapaket?
  • Wie kann effektive und effiziente Bekämpfung von Versorgungsengpässen gelingen?
  • Welche Fortschritte sind im Bereich der Digitalisierung zu erwarten und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten?
  • Und es wird ein Blick auf das Verfahren DocMorris / Apothekerkammer Nordrhein geworfen werden, in welchem der Bundesgerichtshof mit Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2023 (I ZR 182/22) dem EuGH drei grundlegende Fragen gestellt hat.

Der Referent Professor Dr. Jens Prütting, LL.M.oec. ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius Law School Hamburg. Er hat an der Universität zu Köln Rechtswissenschaften studiert und dort promoviert. Zudem erwarb er ebenfalls in Köln einen Master im Wirtschaftsrecht mit dem Schwerpunkt auf Wettbewerbs- und Medienrecht. Anschließend hat er sich an der Universität Heidelberg zum Thema habilitiert. Nebst seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist Professor Prütting Partner der Kanzlei Medlegal Rechtsanwälte mit Sitz in Hamburg.

1. März 2024, 9.15 Uhr auf dem ApothekenRechtTag online.

Nähere Informationen: www.interpharm.de


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

Geld hilft

von ratatosk am 19.02.2024 um 18:12 Uhr

Solange von vom Großkapital genügend Geld fließt, wird Karl und die Ministerialen alles tun, damit die keine Probleme bekommen. Sonst dauern Regelungen in D ja ewig, man hat aber gesehen wie schnell sogar ein Ministerium arbeiten kann, wenn es motiviert ist.
Für Karl ist das mit dem Skonto ein Glücksfall, da dies sein Vernichtungswerk beschleunigt, ohne daß er selbst tätig werden muß.
Es bleibt dabei, er oder die ordentlichen Apotheken, eine Seite wird verenden.

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Ganz einfache Lösung ...

von Reinhard Herzog am 14.02.2024 um 11:28 Uhr

Der Blick in die ärztlichen Gebührenordnungen macht es vor: Dort müssen die meisten Leistungen persönlich erbracht werden, um abrechnungsfähig zu sein (Telemedizin gibt es inzwischen auch, aber ebenfalls unter klaren Regeln).

Das apothekerliche "Abgabehonorar" wird demzufolge umdefiniert zu einer "Beratungspauschale", mit entsprechenden Voraussetzungen der persönlichen Erbringung und mit einer klaren Leistungsdefinition.

Das ist dann in Holland nicht mehr aus der Ferne zu leisten.
Für die gibt es eben nur die kaufmännische Aufschlagskomponente, und sie dürfen dafür einkaufen, wie sie lustig sind (da grenzübergreifend kaum kontrollierbar).

Ich sehe hier auch keine wettbewerbsrechtlichen Probleme. Es gibt eben Leistungen, die "Auge in Auge" erbracht werden müssen. Die nationale Gesetzgebungskompetenz sollte hierfür ausreichen. Ein Zahn wird ja auch nicht per Internet plombiert oder eine Spritze auf die Ferne gesetzt. Ähnliches gilt für klassische psychotherapeutische oder logopädische Leistungen. Warum nicht für die apothekerliche Beratung?

Im Grunde doch ganz einfach und elegant, entsprechenden Gestaltungswillen vorausgesetzt?

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Höherer Abschlag?

von Stefan Haydn am 14.02.2024 um 8:34 Uhr

Wenn bei den niederländischen Versandhändlern genugn Kapital vorhanden ist um auf einen Teil des Rx-Honorares zu verzichten, frage ich mich warum für hier kein erhöhter Abschlag eingeführt wird. Das Geld gehört ja den Kassen und nicht den Versicherten. Wer so toll an Rx verdient, kann doch auch die Sozialversicherung besser unterstützen.

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AW: Höherer Abschlag

von Anita Peter am 14.02.2024 um 8:55 Uhr

Warum bekommt der Versand überhaupt ein Honorar auf RX wenn er nicht bzw schlecht berät ? ( Nachzulesen im EUGH Urteil )

AW: Warum überhaupt Geld?

von Stefan Haydn am 14.02.2024 um 14:38 Uhr

Die Frage ist doch, warum bekommen die überhaupt Geld. Mit den Boni verstoßen die gegen den Rahmenvertrag und somit wären die Krankenkassen gar nicht zahlungspflichtig.

Leider hat noch keiner geklagt, daß die Kassen auf diese Art und Weise seit Jahren Versichertengelder veruntreuen.

Von der Länderliste streichen

von Rainer W. am 14.02.2024 um 8:12 Uhr

In den Niederlanden gelten ja offensichtlich deutsche Gesetze nicht, die Versender sind weder nach Niederländischem Recht noch nach deutschem Recht Apotheken, es gibt keine Kontrollen durch deutsche oder niederländische Behörden und Gesetze werden nach Gutdünken ignoriert. Strafen können nicht eingetrieben werden und verjähren einfach.

Die einzige Konsequenz kann sein, die Niederlande von der Länderliste zu streichen, aus denen der Arzneimittelversand nach Deutschland erlaubt ist.

Wir haben das jetzt lange genug ausprobiert und es funktioniert einfach nicht. Die niederländischen Versandhäuser hatten ihre Chance und haben sie wieder und wieder missbraucht. Wie lange will sich der deutsche Staat noch auf der Nase herumtanzen lassen und von diesen Konstrukten das Geld aus dem deutschen Sozial- und Gesundheitssystem absaugen lassen?

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