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Pille danach: Was ist bei der Abgabe zu beachten?

Köln - 17.10.2022, 07:00 Uhr

Was muss bei einer Beratung zur Notfallkontrazeption beachtet werden? (b/Foto: RFBSIP / AdobeStock) 

Was muss bei einer Beratung zur Notfallkontrazeption beachtet werden? (b/Foto: RFBSIP / AdobeStock) 


Seit nunmehr sieben Jahren ist die orale Notfallkontrazeption, im Volksmund „Pille danach“ genannt, verschreibungsfrei in deutschen Apotheken erhältlich. Was muss bei einer Beratung zur Notfallkontrazeption beachtet werden? Und bedeutet die Verschreibungsfreiheit, dass eine Erstattung nun nicht mehr möglich ist? Dieses FAQ liefert Antworten zu diesen und weiteren Fragen rund um die „Pille danach“.

Was ist eine Notfallkontrazeption?

Bei einer Notfallkontrazeption handelt es sich um die Vermeidung einer Schwangerschaft, im Fall der „Pille danach“ durch Einnahme einer Tablette.

Welche Wirkstoffe werden zur oralen Notfallkontrazeption eingesetzt?

Derzeit gibt es im deutschen Markt zwei verschiedene Mittel zur oralen Notfallkontrazeption. Dies sind Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA).

Ulipristalacetat ist ein selektiver Progesteron-Rezeptormodulator mit einer Halbwertszeit von 32 Stunden. Rezeptor-Modulatoren haben agonistische oder antagonistische Aktivität. Die für die Progesteron-Wirkung notwendigen Co-Faktoren des Progesteron-Rezeptors sind unterschiedlich gewebespezifisch verteilt. Daher ist auch die Wirkung der Rezeptormodulatoren – also ob die agonistische oder die antagonistische Wirkung zum Tragen kommt – gewebeabhängig. Auf die Progesteron-Rezeptoren der Hypothalamus-Hypophysen-Gonadenachse wirkt Ulipristalacetat als Agonist. Über negative Rückkopplung wird die Freisetzung des luteinisierenden Hormons (LH) reduziert. Dies führt zu einer verzögerten Ovulation. 

Das synthetische Gestagen Levonorgestrel wirkt agonistisch auf den Progesteron-Rezeptor. Auch hier wird über negative Rückkopplung die LH-Produktion reduziert und so der Eisprung verschoben.  Die Halbwertszeit von Levonorgestrel beträgt 43 Stunden.

Die Wirkung der beiden Substanzen beruht also auf einer Hemmung der Follikelreifung und somit einer Verzögerung der Ovulation.

Was sind die Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen?

Beide Wirkstoffe verschieben den Eisprung um mindestens fünf Tage. Das genügt, um das fertile Fenster zu schließen, da die Überlebensdauer von Spermien im weiblichen Genitaltrakt drei bis fünf Tage beträgt  

Unterschiedlich sind jedoch die jeweiligen Wirkfenster. Im Gegensatz zu Levonorgestrel wirkt Ulipristal auch noch, wenn der LH-Anstieg bereits begonnen hat. Als selektiver Progesteron-Rezeptormodulator ist die Substanz in der Lage, den LH-Spiegel wieder unter die kritische Grenze zu senken. Erreicht der Follikel eine Größe von etwa 20 mm ist ein Eisprung möglich. Bis zu einer Follikelgröße von 18 mm kann Ulipristal die Ruptur verhindern und somit die Ovulation verzögern. Hat der Follikel eine Größe von 18 mm überschritten, kann Ulipristal bei Einnahme vor dem LH-Peak die Follikelruptur noch in etwa der Hälfte der Fälle (44 bis 59 %) fünf bis sechs Tage nach der Einnahme verschieben. Selbst bei Gabe zum Zeitpunkt des LH-Peaks ließ sich die Ovulation noch 24 bis 48 Stunden verschieben. Am effektivsten ist Ulipristal, wenn es vor dem LH-Peak eingenommen wird.

Die Einnahme von LNG muss vor Beginn des LH-Anstiegs erfolgen (siehe Abb. 1), danach ist Levonorgestrel wirkungslos. 

Wie unterscheiden sich die beiden Wirkstoffe in der Anwendung?

Während LNG bis zu 72 Stunden nach einer Verhütungspanne eingenommen werden muss, ist bei UPA die Einnahme 120 Stunden nach der Verhütungspanne möglich. Ungeachtet des gewählten Wirkstoffs sollte die Einnahme so schnell wie möglich erfolgen, bestenfalls noch in der Apotheke.

Die optimalen Einnahmezeitpunkte für LNG und UPA in Abhängigkeit vom Zeitpunkt im Zyklus.

Kann eine „Pille danach“ zu einem Schwangerschaftsabbruch führen?

Nein, eine Notfallkontrazeption verschiebt lediglich den Eisprung um mindestens fünf Tage nach hinten. Ein Abort ist daher nicht möglich bzw. zu erwarten. Bei Verdacht auf Schwangerschaft sollte dennoch vor Einnahme ein Arztbesuch erfolgen.

Darf eine „Pille danach“ während der Stillzeit eingenommen werden?

Ja, eine Einnahme während der Stillzeit ist möglich, jedoch sollte die Mutter dann eine Stillpause einlegen, um ein Übergehen von Hormonen aufs Kind zu vermeiden. Bei UPA muss mindestens eine Woche Stillpause abgehalten werden, bei LNG acht Stunden.

Gibt es nennenswerte Wechselwirkungen oder Kontraindikationen für die „Pille danach“?

Ja. Grundsätzlich sollte Frauen, die orale Glucocorticoide einnehmen, zu LNG geraten werden. Bei kürzlicher Einnahme von CYP3A4-Induktoren sollte stets ein Arzt zur Rate gezogen werden, da hier unter Umständen auf eine andere Form der Notfallkontrazeption ausgewichen werden muss. Patientinnen mit starken Leberfunktionsstörungen dürfen keine „Pille danach“ einnehmen. Bei eingeschränkter Leberfunktion können LNG und UPA zwar generell angewendet werden, hier empfiehlt sich jedoch auch der Arztbesuch, um den Schweregrad der Funktionsstörung festzustellen.

Was tun, wenn die nächste Monatsblutung ausbleibt?

Es kann vorkommen, dass die folgende Monatsblutung sich um bis zu eine Woche verschiebt. Sollte die Periode allerdings auch nicht verspätet eintreten, sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.

Bietet eine „Pille danach“ einen vollständigen Schutz vor Schwangerschaft?

Nein. Ein Notfallkontrazeptivum wirkt nur, sofern es vor dem Eisprung bzw. im Fall von LNG vor dem LH-Anstieg eingenommen wird. Ist dieser bereits erfolgt, bleibt die „Pille danach“ wirkungslos. Daher muss wie oben beschrieben bei Ausbleiben der Periode ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.

Kann die „Pille danach“ auch eingenommen werden, wenn sonst die „normale Pille“ genommen wird?

Ja, eine Einnahme der Pille stellt keine Kontraindikation für ein Notfallkontrazeptivum dar.

Erstattet die gesetzliche Krankenversicherung die „Pille danach“?

Ja, die „Pille danach“ kann durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet werden. Möglich ist dies für alle Frauen bis zum Erreichen des 23. Lebensjahrs. Ausgenommen von der Erstattung sind also alle Frauen ab dem 22. Geburtstag. Mädchen unter 18 Jahren sind von der Zuzahlung befreit.

Darf jede Frau sich die „Pille danach“ in der Apotheke holen?

Grundsätzlich darf jede Frau, selbst Minderjährige, sich die „Pille danach“ auch ohne Rezept in der Apotheke holen. Bei Mädchen unter 14 Jahren wird jedoch das Einholen einer Einverständniserklärung der Eltern empfohlen. Verpflichtend ist dies allerdings nicht. 


Thomas Noll, PTA, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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