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Kinderrezepte – was Apotheker wissen müssen

Köln - 12.10.2022, 07:00 Uhr

Dürfen für Kinder auch Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter verordnet werden? (Foto: Drazen / AdobeStock) 

Dürfen für Kinder auch Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter verordnet werden? (Foto: Drazen / AdobeStock) 


Während Erwachsene durchschnittlich drei bis vier Mal im Jahr krank werden, kann es bei Kindern zu bis zu zwölf Erkrankungen im Jahr kommen. Wenn Eltern mit ihrem kranken Nachwuchs den Arzt aufsuchen und dieser dem Kind OTC-Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet, gilt es manches zu beachten: Was wird erstattet? Einen Überblick verschaffen Ihnen die folgenden FAQ.

Was ist eine „Kinderverordnung“?

Grundsätzlich wird bei Patienten unter zwölf Jahren aus Verordnungssicht nicht zwischen Kleinkindern und Säuglingen unterschieden. Hier gelten Erstattungsbedingungen für alle Altersgruppen gleichermaßen. Darüber hinaus zählen Jugendliche bis 18 Jahre mit Entwicklungsstörungen für die Erstattung ebenfalls als Kinder.

Was zählt als Entwicklungsstörung, und muss die Apotheke eine vorliegende Entwicklungsstörung überprüfen?

Entwicklungsstörungen können körperlicher, aber auch sozialer, psychischer oder kognitiver Art sein. Daher ist es für Apotheken nicht zwingend ersichtlich, ob ein Patient entwicklungsgestört ist oder nicht. Da Apothekenmitarbeiter dies nicht prüfen können, gibt es auch keine Prüfverpflichtung. Es darf also dem Arzt vertraut werden, wenn er z. B. einem Kind über zwölf Jahren ein OTC-Arzneimittel verordnet.

Müssen für Kinder Zuzahlungen erbracht werden?

Nein, Kinderrezepte sind von der Zuzahlung befreit. 

Sind Mehrkosten zu entrichten oder übernimmt die Krankenkasse diese Beträge?

Kinder sind leider nicht von der Zahlung von Mehrkosten befreit. Dies ist auch der Grund, weshalb Eltern besonders bei Nasensprays häufig Centbeträge zuzahlen müssen.

Kann ein Arzt alles auf ein Kinderrezept verordnen?

Nein. Verordnen kann ein Arzt grundsätzlich alle gängigen apothekenpflichtigen Arzneimittel, mit der Ausnahme von pflanzlichen Arzneimitteln, die häufig Sonderregeln unterliegen (s. u.). Außerdem kann ein Arzt Medizinprodukte sowie Hilfsmittel verordnen, allerdings letztere niemals zusammen mit den ersteren beiden – Hilfsmittel müssen immer auf einem gesonderten Rezept verordnet werden. Auch Rezepturen können für Kinder verordnet werden, das schließt auch solche ohne Wirkstoff ein, da jede Rezepturherstellung in der Apotheke grundsätzlich in einem apothekenpflichtigen Arzneimittel resultiert.

Dürfen auch Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter verordnet werden?

Nein, Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter werden üblicherweise nicht durch gesetzliche Krankenkassen erstattet – auch nicht für Kinder.  

Bedürfen Hilfsmittelrezepte für Kinder einer besonderen Genehmigung?

Ob ein Hilfsmittel einer Genehmigung bedarf oder nicht ist altersungebunden. Die jeweiligen Regelungen der Krankenkassen können dabei den Hilfsmittellieferverträgen entnommen werden.

Was, wenn das Kind noch nicht über eine Versichertennummer verfügt?

Rezepte ohne Versichertennummer dürfen nicht zu Lasten der GKV abgerechnet werden. Oftmals kann aber bei der entsprechenden Krankenversicherung eine temporäre Versichertennummer erfragt werden, sofern diese schon beantragt wurde. Sollte sich keine Versichertennummer herausfinden lassen, kann das Rezept nur wie ein Privatrezept behandelt werden und die Summe den Erziehungsberechtigten in Rechnung gestellt werden.

Werden natürliche Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenkasse erstattet?

Hier muss zunächst unterschieden werden, ob es sich um ein homöopathisches bzw. anthroposophisches oder ein pflanzliches Arzneimittel handelt. Homöopathische bzw. Anthroposophische Arzneimittel oder auch Schüßler-Salze werden im Normalfall nicht von gesetzlichen Krankenkassen erstattet, oftmals gibt es aber, begründet durch die Satzungsleistungen der Krankenkassen, jährliche Budgets für natürliche Arzneimittel, sodass Eltern im Nachgang Rezepte bei der Krankenkasse einreichen können und die Kosten erstattet bekommen. Dies ist aber von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich. Pflanzliche Arzneimittel mit traditioneller Zulassung werden ebenso normalerweise nicht erstattet, Rezepte können aber wie oben beschrieben häufig dennoch nachträglich durch die Eltern eingereicht werden. 

Pflanzliche Arzneimittel mit nicht-traditioneller Zulassung, die also ein normales Zulassungsverfahren durchlaufen haben, werden allerdings erstattet. Da dies für Apotheken häufig schlecht nachzuvollziehen ist, empfiehlt es sich, hier stets bei der Krankenkasse nachzufragen, wenn eine Verordnung über ein natürliches Arzneimittel vorgelegt wird. Einzig pflanzliche Arzneimittel, die in Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie gelistet sind, können ohne schlechtes Gewissen zulasten der GKV abgerechnet werden. Gelistet sind hier unter anderem Ginkgo-biloba-Extrakte und Flohsamenschalen.

Was ist mit Kindern über zwölf Jahren?

Kinder über zwölf Jahren, die keine Entwicklungsstörungen aufweisen, also streng genommen Jugendliche, sind zwar von der gesetzlichen Zuzahlung befreit, jedoch darf hier keine Verordnung von OTC-Arzneimitteln mehr zulasten der GKV vorgenommen werden. OTC-Arzneimittel müssen ab dann privat bezahlt werden. 

Darf ein Arzt einem Kind ein Arzneimittel verordnen, das eigentlich für Erwachsene gedacht ist?

Nicht immer gibt es für Kinder passende Arzneimittel – beispielsweise, weil eine Erkrankung bei Kindern sehr selten auftritt. Ärzte dürfen daher nach Abwägen von Kosten und Nutzen Kindern auch Arzneimittel verordnen, die eigentlich keine Zulassung für Kinder haben. Dies geschieht jedoch im Rahmen eines Off-Label-Use und auf Risiko des Verordners. Sollten Sie Zweifel haben, ob dem Arzt bewusst war, dass er ein Erwachsenenarzneimittel verordnet hat, sollten Sie Rücksprache mit ihm halten, um einen Medikationsfehler zu vermeiden.


Thomas Noll, PTA, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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