GKV-Sparpaket

Vdek sieht Leistungserbringer zu wenig belastet

Berlin - 19.08.2022, 16:45 Uhr

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkasse (vdek), hält das Sparpaket für unausgewogen. (x / Fotp: vdek)

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkasse (vdek), hält das Sparpaket für unausgewogen. (x / Fotp: vdek)


Das GKV-Sparpaket des Bundesgesundheitsministers ist aus Sicht der Ersatzkassen unausgewogen: Die Leistungserbringer würden zu wenig, die Versicherten zu viel belastet. Zudem seien die Maßnahmen nur kurzfristig angelegt. Nötig seien langfristige Lösungen. Unter anderem müsse die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent gesenkt werden. Ideen haben die Ersatzkassen überdies zur Weiterentwicklung von MVZ.

Nach vielen fetten Jahren haben die Krankenkassen mittlerweile wieder eine finanzielle Schieflage. Der vormalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in Zeit wachsender Reserven bewusst Gesetze auf den Weg geschickt, die mit Mehrausgaben verbunden waren. Doch dann kam die Pandemie und die Defizite kehrten zurück.

Das Bundesgesundheitsministerium will mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz entgegenwirken. Doch die Pläne, die noch nicht im Parlament sind, finden bekanntlich bei keinem der Betroffenen Anklang: Weder bei der Pharmaindustrie, die fast 2 Milliarden Euro zum Ausgleich des erwarteten 17-Milliarden-Euro-Defizit betragen soll, noch bei den Leistungserbringern inklusive der Apotheken, denen für zwei Jahre ein höherer Kassenabschlag ins Haus steht, und nicht einmal bei den Krankenkassen, die doch eigentlich profitieren sollen. 

Für Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), ist dies kein ausgewogenes Programm. Gut zwei Drittel des Sparbeitrags fielen auf die GKV und damit weitgehend auf die Versicherten zurück: Die Kassen müssten Reserven abschmelzen, mit einer abgesenkten Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds leben und ihre Verwaltungsausgaben würden gedeckelt. Das geplante Bundesdarlehen von 1 Milliarde Euro muss zurückgezahlt werden. Und dann soll noch der Zusatzbeitrag steigen. Die Belastung der Leistungserbringer falle hingegen geringer aus – vor allem aber seien alle Maßnahmen nur eine kurzfristige Hilfe, betont Elsner.

vdek für nachhaltige und langfristige Lösungen

Was aus Sicht des vdek wirklich wichtig ist, sind nachhaltige und langfristige Lösungen. Konkret fordern die Ersatzkassen – ebenso wie seit geraumer Zeit auch alle anderen Kassen – eine auskömmliche Finanzierung der Gesundheitsversorgung von ALG-II-Empfängern – hier bestehe eine Unterdeckung von 10 Milliarden Euro. Doch auch wenn das Vorhaben im Koalitionsvertrag angelegt ist, stellt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hier derzeit noch quer. Zudem müsse die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Um 6 Milliarden Euro jährlich könnte die GKV auf diesem Weg entlastet werden.

Ferner müsse der Bundeszuschuss dynamisiert werden. Seit 2017 liegt er bei regulär 14,5 Milliarden Euro – seit Beginn der Pandemie wurde aber immer wieder aufgestockt. Und wenn tatsächlich auch der Beitragssatz angehoben werden müsste, sollte es nicht der zusätzliche, sondern der allgemeine sein. Das würde die Kassen nicht dazu zwingen, jede:n einzelne:n Versicherte:n anzuschreiben und zu informieren, erklärte Elsner.

Regionale Gesundheitszentren

Neben der Frage, wie die Finanzprobleme der Kassen zu lösen sind, hat sich der vdek übrigens auch Gedanken gemacht, was Regionen mit Versorgungsdefiziten helfen kann. Und das sind aus seiner Sicht regionale Gesundheitszentren. Dies ist im Übrigen ein Begriff, der im Bundestagswahlkampf der SPD immer wieder aufgetaucht war. 

Boris von Maydell, Abteilungsleiter Ambulante Versorgung beim vdek, räumt ein, dass der Gedanke nicht neu ist. Man hatte ihn schon im Kopf, als man 2003 die Grundlage für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) schuf. Doch die haben sich dann bekanntlich in eine andere Richtung entwickelt als gedacht. Beim vdek setzt man nun auf eine Rückbesinnung auf die „Versorgung unter einem Dach“ – 50 bis 100 Standorte kämen laut Maydell dafür in Betracht.

Den Grundpfeiler bilden müsste eine hausärztliche Primärversorgung. Dazu gehörten mindestens vier Hausärzt:innen, vier nichtärztliche Praxisassistent:innen und mindestens zwei weitere medizinische Fachberufe, etwa Physiotherapeut:innen. Zudem eine fachärztliche Grundversorgung, eine Videosprechstunde und eine Kooperation mit Case-Mangager:innen der Krankenkassen. Die Arbeitszeiten sollen flexibel und damit attraktiv für (angestellte) Ärzte und Ärztinnen sein – zudem sollen sie den Patient:innen lange Öffnungszeiten garantieren, am besten auch für die Notfallversorgung. 

Erweitert werden kann das Gesundheitszentrum durch weitere Kooperationen – etwa mit Apotheken und Gemeindeschwestern. Alles in allem geht es um eine verzahnte Versorgung, die auch digitale Instrumente für sich nutzt.

MVZ sollen reguliert werden

Und was soll aus den MVZ werden? Auch sie sollen weiter ihren Platz in der Versorgung haben und am besten zu regionalen Gesundheitszentren weiterentwickelt werden. Allerdings müsse Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden. Das heißt für den vdek nicht, dass Finanzinvestoren von außen ganz außen vor bleiben. Aber ihr Marktzugang müsse direkt sein und an strikte Voraussetzungen geknüpft werden. Derzeit finden Investoren ihren Weg in der Regel über aufgekaufte (kleinere) Krankenhäuser in die MVZ-Trägerschaft. Auch Maydell sieht darin eine kritische Umgehungsstrategie.

Um Monopole und die Konzentration auf renditestarke Leistungen zu verhindern, schlägt der vdek folgendes vor: Orientiert am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen müsste man dafür sorgen, das Anträge auf Zulassung eines MVZ oder Anstellung eines Arztes abgelehnt werden, wenn eine marktbeherrschende Stellung droht. Einer Leistungskonzentration könnte durch Abschläge auf die EBM-Bewertung entgegengewirkt werden. Zudem müsste die Selbstverwaltung klare und einheitliche Vorgaben zum Leistungsumfang der Fachgruppen in MVZ machen. Überdies müsse Transparenz über die Inhaber- und Trägerstrukturen geschaffen sowie die ärztliche Leitung und Unabhängigkeit gestärkt werden.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Wo gibt´s denn sowas?

von Thomas Eper am 22.08.2022 um 10:15 Uhr

Ist klar Frau Elsner,
die gestiegenen Kosten der KFZ-Versicherer kompensieren auch die Autowerkstätten, oder?

Erst denken, dann reden.

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Leistungserbringer

von Stefan Seibert am 20.08.2022 um 13:20 Uhr

Wie die Dame schon sagt, sind es LEISTUNGSerbringer und keine Sesselfurzer, die die letzten 2 Jahre großenteils um Homeoffice verbracht haben!!!
Ärzte, Apotheker, Physios, Krankenscheestern etc. haben ihren Job vor Ort erbracht.
Erstklassig und ohne murren und knurren.
Und als Dank sollen wir jetzt bluten???

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„Ferner müsse der Bundeszuschuss dynamisiert werden.“

von Uwe Hansmann am 20.08.2022 um 12:45 Uhr

. . . und gleichzeitig in diesem Zuge die seit 2004 stagnierende Arzneimittelpreisverordnung ebenfalls dynamisiert werden.

Das sollte, flankiert durch Senkung der Verwaltungskosten der Krankenkassen z.B. mittels weiterer Fusionen durchaus machbar sein. Ein VDEK Dachverband wäre insofern à la long entbehrlich.

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schräge Denke

von Karl Friedrich Müller am 20.08.2022 um 10:24 Uhr

warum sollen sich Leistungserbringer am Defizit überhaupt beteiligen müssen?
Bei Änderungen der Abrechnung müsste das allenfalls neu vertraglich geregelt werden, aber nicht einfach dubios festgelegt werden können.
Auch scheint mir der Einfluss der KK auf das BMG dubios und wenig demokratisch. So ist es aber in Berlin. Einige wenige nehmen Einfluss (Lobbyismus, wenn die Lobbyisten nicht sowieso schon in den Ministerien sitzen), der rest muss es ausbaden.
warum sind die Krankenkassen ausgenommen? Das sind doch in dem Sinn auch Leistungserbringer. Also mal Gehälter; Boni, und was man sich sonst noch so gönnt, kürzen. Mir scheint das überhaupt ein ähnliches Konstrukt wie beim rbb zu sein, wo man sich bedient, aber allen anderen Bereichen Kürzungen zumutet. Kein Geld und Schulterzucken.

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Belastungen alle

von Roland Mückschel am 19.08.2022 um 17:46 Uhr

Jawoll Frau Ulrike.
Auch ich bin dafür bei den überflüssigen Krankenkassen
mit eisernen Besen auszukehren, heissa das wär ne
Sparmassnahme par excellence.
Da müssen sie nur aufpassen dass es nicht auch
ihren Allerwertesten erwischt.

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