Diskussion um Meinungsbeitrag

Rettet die kleine Apotheke!

Stuttgart - 07.08.2017, 16:00 Uhr

Solitär-Apotheken, für die es im Umkreis von fünf Kilometern
keine Alternativ-Apotheke gibt, sind laut dem Gutachten besonders gefährdet. (Foto: dpa)

Solitär-Apotheken, für die es im Umkreis von fünf Kilometern keine Alternativ-Apotheke gibt, sind laut dem Gutachten besonders gefährdet. (Foto: dpa)


Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche zieht aus einem Gutachten, das aufzeigt, welche Folgen das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung auf das Apothekennetz in Deutschland haben kann, eigene Schlüsse. Diese hat sie medienwirksam in einem Meinungsbeitrag veröffentlicht. Für Dr. Christian Rotta, der als Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlages das Gutachten mit in Auftrag gegeben hat, ist allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine Gesundheitspolitikerin auf Grundlage der vorliegenden Daten zu solchen Rückschlüssen kommen kann. Lesen Sie hier die ganze Diskussion.

Ein Meinungsbeitrag der Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche mit dem Titel „Rettet die kleine Apotheke!“ sorgt für heftige Diskussionen. Thema ist ein vom Deutschen Apotheker Verlag und der Noweda in Auftrag gegebenes Gutachten. Darin setzen sich die drei Experten Uwe May, Cosima Bauer und Heinz-Uwe Dettling mit der Frage auseinander welche Auswirkungen Ertragsverluste in unterschiedlicher Höhe, zum Beispiel durch Boni, auf die Zahl der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken in Deutschland hätten. Mit einem „Szenario-Rechner“ lassen sich die möglichen Szenarien nachvollziehen. Das Ziel des Gutachtens ist, die Datenlücke zu schließen, die der EuGH in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 bemängelt hatte. Nach Ansicht der Richter ist im Verfahren nämlich nicht hinreichend dargelegt worden, dass eine Aufhebung der Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versandapotheken zu einer Ausdünnung des bestehenden Apothekennetzes und somit zu einer Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung führt. Das Rx-Versandverbot ist nach Ansicht der Gutachter ein probates und sogar das einzige Mittel, um die Preisbindung aufrecht zu halten.

Die finale Fassung des Gutachtens ist noch nicht veröffentlicht. Schulz-Asche, der nach eigener Aussage ein Kapitel vorab vorlag, hat dennoch bereits ihre Schlüsse gezogen und sie medienwirksam veröffentlicht. Unter anderem das Handelsblatt hat ihren Meinungsbeitrag aufgegriffen. Schulz-Asche kommt zu dem Schluss, dass das Gutachten – anders als von den Auftraggebern beabsichtigt – Argumente gegen die Aufrechterhaltung der heutigen Preisbindung liefert, weil diese, so Schulz-Asche, eine massive Ungleichverteilung zwischen den Apotheken fördere. 

Die Gutachter selbst standen bislang urlaubsbedingt für eine Stellungnahme noch nicht zur Verfügung. Heftige Kritik kommt jedoch von einem der Auftraggeber des Gutachtens. Dr. Christian Rotta spricht in einem Kommentar auf DAZ.online von einem „Grünen Ablenkungsmanöver“. Statt zeitnahe Maßnahmen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung insbesondere in dünn besiedelten Gebieten auf ihre Realitätstauglichkeit und Umsetzbarkeit abzuklopfen, versuche Schulz-Asche eine Ablenkungsdebatte über Betriebsergebnisse „armer“ und „reicher“ Apotheken vom Zaun zu brechen, so Rotta. 

„Rot-Grün hat die Büchse der Pandora für die Ungleichverteilung geöffnet“

Die Antwort der Grünen-Politikerin folgt prompt. „Grünes Ablenkungsmanöver vom Plan der Apotheken-Elite, dass alles so bleibt wie seit hundert Jahren und lästige Konkurrenz obendrein noch ausgeschaltet wird“ sei in ihren Augen die passendere Überschrift des Kommentars. Sie bleibt bei ihrem Standpunkt: 

Für den Mitauftraggeber Rotta ist es nicht nachvollziehbar, dass in Schulz-Asches Augen die preisrechtliche Privilegierung ausländischer Versandapotheken keine Auswirkungen auf eine flächendeckende Arzneimittelversorgung und das bestehende Apothekennetz in Deutschland haben soll. Zudem weist er darauf hin, dass die 2004 unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Aufweichung des Mehrbesitzverbots, maßgeblich den Weg für die jetzt von Schulz-Asche beklagten Verteilungsproblematik zwischen „armen“ und „reichen“ Apotheken geebnet hat. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

Von wegen zerreden ! Aber drüber reden schon!

von Reinhard Rodiger am 09.08.2017 um 23:38 Uhr

Lieber Kollege Rotta, wir erleben ständig das Unverständnis zur wirtschaftlichen Situation.Deshalb ist alles gut,was zur Klärung beiträgt. Nur sollte das auch nicht sofort angreifbar sein.Was bekannt wurde war so. Deshalb drüber reden! Das ist geschehen.Danke !
Trotz aller Konzentration auf einen Sachverhalt bleiben viele Punkte offen.Transparenz geht anders Die.Debatte zu "unserer" Wirtschaftlichkeit kommt sowieso.Deshalb ist das Umfeld so wichtig.So spricht niemand davon,dass Betriebsergebnis nicht gleich Privateinkommen ist.Ganz zu schweigen vom Zwang zu defizitären Tätigkeiten.Ich werde den Eindruck nicht los,der Wegfall von einigen ist gar nicht so unerwünscht.Da wartet die Klärung, dass es um Gefährdung des Systems geht.Je plausibler das gelingt desto besser.
Das scheint ja auf gutem Weg zu sein.Drüber reden sollten wir schon.

Viele Grüße

Reinhard Rodiger

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Zerreden - natürlich nicht; a bisserl adjustieren: schon

von Wolfgang Müller am 09.08.2017 um 16:43 Uhr

Lieber Kollege Rotta,

irgendwie haben Sie ja Recht …...

Hier soll aber nichts zerredet werden. 100 Prozent im Gegenteil: Eher gezeigt, dass es für die untere Hälfte JETZT SCHON und vor Allem: AUCH OHNE ENDGÜLTIGE BONI-FREIGABE noch viel schlimmer ist, als es Frau Schulz-Asche wg. des Szenario-Rechners denkt. Und damit übrigens auch für "ärmere" junge Existenzgründer der Ofen JETZT SCHON komplett aus ist, und für Ältere, die ihre "durchschnittlichen Buden" (die eigentlich gute, im Kiez oder auf dem Land gebrauchte Apotheken sind) an Nachfolger abgeben wollen. Was der Szenario-Rechner halt a bisserl verharmlost ....

Wir stehen ja - in diesem Zusammenhang in der EuGH-Euphorie nicht zu vergessen - auch recht unmittelbar vor der Veröffentlichung des "Konkurrenzproduktes" von 2HM zur grundlegenden Honorar-Findung. Gut, wenn die von Ihnen und Noweda - ja hierfür schließlich zwei sehr gute Adressen - ENDLICH als apothekeneigene Argumentation erarbeitete Studie in ihrer ausführlichen Version die Vereinfachungen des Szenario-Rechners so hinter sich lässt, wie Sie es hier darlegen.

Natürlich - volle Unterstützung dafür!

Zeit, dass die nötige Transparenz geschaffen wird. Sie kann uns nur nützen. Im Gegensatz zu der vielfach mir gegenüber vertretenen, erstaunlichen zumindest teil-offiziellen Meinung, dass das eben auch gerade "den Großen zu sehr schaden würde", die vom Friedhofs-Effekt doch so schön profitieren ......

PS Darf die Mehrheit jetzt gerne leicht abgedreht finden, aber: Ich würde mich zugegebenrmaßen halt sehr freuen, wenn Sie die Juristen, Volks- und Betriebswirte unter Ihren Lesern aus der Politik einmal ausdrücklich auf den immensen Rendite-Killer-Einfluss unseres vollkommen durchgeknallten, brutal Defizit-trächtigen Fixkostenblocks aus Labor etc. hinweisen würden. Den große Apotheken und Filialverbünde nun eben mal um ein Vielfaches leichter aus der Portokasse schultern können als die zur FLÄCHENDECKUNG und in den Kiezen so wertvollen typischen bis durchschnittlichen Apotheken. Ich werde schließlich nie davon abgehen, dass eine entscheidende Voraussetzung für die Flächendeckung mit freiberuflichen Apotheken die Beherrschung dieses Fixkostenblocks u. a. durch profitables "Labor und Rezeptur" ist. WARUM darf zum Beispiel nicht – wie etwa in GB – eine so fabelhafte Rezeptur-Apotheke wie die gerade wg. guter Ausbildung ausgezeichnete Dresdner Riesen-Apotheke auch Rezepturen mit „Streng geprüften Ausgangsstoffen“ (Homepage) für die Kleineren herstellen? Dann vor Allem: auch wirklich GMP-gerecht, weil für uns alle doch „der Patient im Mittelpunkt steht“? Bleibt z. B. aber auch die Frage: Will sie das, oder lieber den anderen beim Rumwurschteln zusehen?

Nix für ungut,

Wolfgang Müller

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Bitte nicht zerreden

von Christian Rotta am 09.08.2017 um 15:15 Uhr


Gemach, gemach, die Herren, das hat schon alles seine Richtigkeit. Im Gutachten heißt es dazu:

"Die Befunde zur Umsatzrendite von Apotheken unterschiedlicher Umsatzklassen, Ortsgrößenklassen und Geschäftslagen zeigen, dass sich die Kennzahl Umsatzrendite in den verschiedenen Klassen unterscheidet. Sie weisen nach Umsatzklassen Spannbreiten von 3,8% bis 7% (2013), 5,3% bis 7,2% (2014) und 3,2 bis 7.7% (2015), nach Ortsgrößenklassen eine Spannbreite von 4,7% bis 7,6% und nach Geschäftslage eine Spannbreite von 4,7% bis 6,3% auf. Andererseits lassen die verschiedenen Werte keine klaren Zusammenhänge zwischen der Umsatzrendite einerseits und bestimmten Klassen andererseits zu. So ist einerseits der Anteil der Apotheken mit niedrigen Umsätzen und mit einer Entfernung zur nächsten Apotheke von mindestens fünf Kilometern in Ortschaften mit unter 5.000 Einwohnern am Höchsten. Gleichzeitig ist die Umsatzrendite der Apotheken in der niedrigsten Nettoumsatzklasse von unter 1 Mio. Euro in den Jahren 2013 und 2015 am Niedrigsten, im Jahr 2014 aber wieder am Höchsten. Ferner weisen die Apotheken in der kleinsten Ortsgrößenklasse von unter 5.000 Einwohnern jedenfalls 2012 mit 7,6% die höchste Umsatzrendite auf. Mangels klarer Zusammenhänge zwischen Umsatzklassen, Ortsgrößenklassen und Geschäftslagen ist es gerechtfertigt, für die Feststellung der betriebswirtschaftlichen Situation von Apotheken im Allgemeinen und von Solitärapotheken (Umkreis 5 km) im Besonderen von der durchschnittlichen Umsatzrendite – im Falle des Jahre 2016 6,4% des Nettoumsatzes - als maßgeblicher und valider Kennzahl für die Ermittlung des mutmaßlichen Gewinns (steuerlichen Betriebsergebnisses) auszugehen."

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 16. Oktober 2016 eingefordert, konkrete Belege dafür vorzulegen, dass die Aufhebung der (grenzüberschreitenden) Arzneimittelpreisbindung zu einer konkreten Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung und einer Durchlöcherung des Apothekennetzes in Deutschland führt. Diese Lücke schließt das Gutachten mit validen, in der Tat eher "konservativen" Zahlen und Daten. Sie sind alles andere als "wertlos", sondern unabdingbare Voraussetzung darfür, auch Skeptiker (und Gerichte) von der Notwendigkeit (und Geeignetheit) einer Beschränkung des zulässigen Versandhandels auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel zu überzeugen, um die Arzneimittelversorgung insbesondere in ländlichen Gegenden weiterhin aufrecht zu erhalten. Mag sein, dass die Gefährdungslage zukünftig noch katastrophaler ist - aber auch schon der Verlust der einzigen Apotheke in über 1.000 Orten sollte mit Fug und Recht als dramatisch bezeichnet werden. Also: Nicht auf jede Leimrute treten, die von interessierter Seite aus ausgerollt wird. Es gibt keinen Grund, unsere Apothekenwirtschaftsdaten nicht transparent offen zu legen. (In der DAZ dieser Woche erscheint dazu ein interessanter Beitrag von Thomas Müller-Bohn.)
Die besseren Argumente sprechen für uns. Wir sollten sie nicht zerreden.

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50% fallen perspektivisch weg

von Reinhard Rodiger am 08.08.2017 um 16:01 Uhr

Die vorgelegte hypothetische Gewinnsituation ist so nicht plausibel wie Kollege Müller belegt hat. Wenn "Grosse" die Kleinen subventionieren sollen, dann brauchen wir ein anderes Wirtschaftssystem.Fragt sich welches? Nach solchem Denken müsste die CDU die GRÜNEN bezuschussen.Lächerlich.
Ausgangspunkt ist die politische Entscheidung, Flächendeckung überhaupt zu wollen.Das impliziert Grössenunterschiede. Dabei erreichen nahezu zwei Drittel den Durchschnitt nicht. Also das magere Ziel, Durchschnitt zu sein, ist für die Mehrheit nicht erreichbar.Und sich in die wenigen über Durchschnitt einzukaufen wird zunehmend unbezahlbar.Jedenfalls ist durch Verengung der Zugänglichkeit das Interesse an einem zunehmend strangulierten Versorgungsberuf endenwollend. Das Verteilungsproblem (der Versorgung) ist auch dadurch gegeben, dass Objekte mit 1,5-2 Mio nicht ohne weiteres verkäuflich sind.Das ist gut die Hälfte.Die Fachkompetenz ist in Gefahr, weil die Attraktivität sinkt. Das ist Resultat der kontinuierlichen Verschärfung der wirtschaftlichen Situation.Da fehlt jedes Szenario.

Wenn also ein struktureller Wegfall von 50% bereits schlecht maskiertes Ziel der Politik ist, wie soll sie sich vom Verschwinden der kleinsten 10% beeindrucken lassen? Das ist eben der " übliche Schwund".

Die kleinen 10% zu retten wie Frau Schulz-Asche populistisch sagt trifft das Problem nicht.Es geht um die Lebensfähigkeit eines Versorgungsnetzes. Das eigentliche Problem ist die Dynamik kapitalgesteuerter Interessen AUCH der Krankenkassen gegen Einzelunternehmen.Erstere wollen Marktdominanz, letztere haben sie schon.Unterlegen sind alle Einzelunternehmen.Sie haben ohne politische Rückendeckung keine Chance.Unabhängig von der Ausgangsgrösse.

Dies ist überall da zu betrachten, wo der Markt "freigegeben" wurde.In Skandinavien! Nirgends wurde das Ziel besserer
Versorgung erreicht.Oder Holland, dort ist durch Preisfreigabe kaum eine Einzelfirma mehr ohne Makler/Franchise möglich.

Die "Ware" Gesundheit ist nicht selbstregulativ marktfähig.
Deshalb sind Umverteilungsdebatten irreführend.Hilfreich ist nur die Klarstellung und Vermeidung der desaströsen Wirkung von Machtmissbrauch sei es durch Kapital oder selektive "Auftragsvergabe".

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Noch viel mehr Anlass zur Sorge um die "Kleineren" und die "Flächendeckung!"!

von Wolfgang Müller am 08.08.2017 um 9:28 Uhr

Jetzt wissen wir also endlich Bescheid, woher die Verwirrung kommt.

Die Einkommens-Ermittlungen des Szenario-Rechners für Apotheken nach Umsatz-Gruppen sind meines Erachtens weitgehend wertlos, da sie einfach als Einkommen "6,4 Prozent vom Umsatz" zugrunde legen. Völlig falsch sind trivialerweise die daraus abgeleiteten Zahlen, wieviele Apotheken es mit einem Einkommen von mehr als x oder y zum Zeitpunkt der Erhebung gab. Dem entsprechend ist auch die in den ersten Meldungen dazu genannte Zahl "Ca. die Hälfte der Apotheken hat ein Einkommen von 145.000 Euro für den Inhaber pro Jahr" m. E. grotesk falsch. In Wirklichkeit sind es vielleicht locker die Hälfte weniger Apotheker, die so viel verdienen. Das lässt sich aber nur ganz anders herausfinden.

"6,4 Prozent vom Umsatz" mag ja ein Wert sein, den Apotheken im DURCHSCHNITT verdienen, daher muss es gekommen sein. Der PROZENTUALE Gewinn wächst allerdings gerade bei Apotheken dramatisch mit steigendem Umsatz, das Einkommen als weit überproportional! Auch wenn immer wieder erzählt wird "Der höhere Aufwand für mehr Kunden frisst die höheren Roherträge aus dem höheren Umsatz doch auf!" Jeder BWLer und jeder einigermaßen des Kostenrechnens fähige Apotheker weiß: Das ist totaler Quatsch.

In Wirklichkeit ist die Einkommensschere bei den Apotheken eher so, wie es auch in der Gesamt-Bevökerung ist. Also vielleicht so etwa "Die oberen 5 Prozent haben zusammen über ein Drittel des Gesamt-Apotheken-Einkommens" und "Die untere Hälfte hat weit weniger als ein Viertel". Denn: kleinste, kleinere und "typische" Apotheken haben in Wirklichkeit eher einen Gewinn von 0 - 4 Prozent. Die Inhaber/innen leben oft vom Einkommen des Partners, arbeiten über 60 Stunden in der Woche. Und/oder arbeiten bis zur Schließung nur noch gegen den noch nicht ausgelaufenen Mietvertrag. Um die Privatinsolvenz zu vermeiden. Das alles passiert JETZT SCHON, denn die Bedingungen haben sich durch verweigerte Honorar-Erhöhungen, aber auch durch Apotheker-eigene, meist unnötige und vom Markt nicht erwartete zusätzliche Verkomplizierungen verschärft.

Auf der anderen Seite kann eine 5-Mio.-Apotheke mit einigermaßen normalem Mietvertrag, ggf. in eigener Immobilie, und normalen Öffnungszeiten auch ohne Zytostatika-Geschäft oder Versand locker die 10-Prozent-Marke beim Gewinn deutlich überschreiten, wenn sie gut und ernsthaft gemanagt ist, auch das ist betriebswirtschaftlich trivial. Und: Das ist halt unser politisches System, soll das etwa weg?

Also: Die Einkommens-Ungleichheit ist bei uns um ein Vielfaches dramatischer als Frau Schulz-Asche das sowieso schon als Grundlage für ihren Ansatz "Rettet die kleinen Apotheken!" heranzieht. In Wirklichkeit sind NATÜRLICH nicht nur 10 Prozent der Apotheken, die aktuell die Flächendeckung sichern, gefährdet, sondern mindestens 50 Prozent. Vor Allem dann natürlich, wenn ALLE Apotheken miteinander konkurrieren werden, hohe Boni zu geben oder sich den tollsten GKV-Selektivverträgen mit dem gleichen Vernichtungseffekt anzuschließen.

Ich halte die von mir dargelegten Zahlen selbstverständlich nicht für letztgültig exakt, aber für allemal realistischer als das, was zurzeit mit diesem Ansatz "Gewinn = 6,4 Prozent vom Umsatz auch für die Kleineren" diskutiert wird. Ich verstehe die daraus abgeleitete Argumentation auch nicht, auch wenn ich noch keine Verschwörungstheorie daraus ableiten möchte: Wäre ich ein Politiker und würde diese viel zu "guten" Zahlen für die kleineren Apotheken aus dem "Szenario-Rechner" sehen, klar würde ich sagen: "Na dann ist es doch gut, wenn dann endlich mal diese paar Winz-Apotheken weniger da sind, wo auch immer: Passt schon!"

Schwierig, wenn es immer wieder betriebswirtschaftlich dermaßen nach hinten los geht, bei uns ..........

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