Schnellere Zulassungen

WHO-Chefin kritisiert Pläne Trumps

Stuttgart - 13.02.2017, 06:55 Uhr

Zulassungsstandards dürften nicht abgesenkt werden, forderte die WHO-Chefin Margaret Chan. (Foto: WHO)

Zulassungsstandards dürften nicht abgesenkt werden, forderte die WHO-Chefin Margaret Chan. (Foto: WHO)


US-Präsident Donald Trump kündigte kürzlich an, die Zulassung von Arzneimitteln drastisch zu erleichtern und zu beschleunigen. Dies bezeichnete nun die WHO-Chefin Margaret Chan als „extrem gefährlich“ – der Erhalt der hohen Standards sei eine „absolute Pflicht“.

Bei einer Gedenkfeier zum zehnten Jubiläum der Abteilung für Globale Gesundheit der Universität Washington fand die scheidende Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Margaret Chan, mahnende Worte. „Wir müssen alle nach den höchsten Standards der wissenschaftlichen Integrität arbeiten“, erklärte Chan. „Ich beobachte eine Vielzahl verstörender Trends.“

Hierbei bezog sie sich offenbar insbesondere auf Äußerungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump, der radikale Einschnitte bei den Anforderungen der US-Arzneimittelagentur FDA angekündigt hatte. Auch hatte Trump bis zu 80 Prozent aller Regularien der US-Regierung als überflüssig bezeichnet und angekündigt, diese auf ein Maß zurückzustutzen, „wie es noch niemand gesehen hat“. Er werde die Zulassungsprozesse stark beschleunigen, betonte der US-Präsident kürzlich bei einem Treffen mit Pharma-Firmen. Ein Kandidat Trumps für das Amt des FDA-Chefs – der Finanzinvestor Jim O’Neill – hatte zudem vorgeschlagen, dass Arzneimittel zukünftig ohne Wirksamkeitstests auf den Markt sollten.

Die Ideen seien „extrem gefährlich“

Zulassungsbehörden müssten dem Druck widerstehen, dass randomisierte klinische Studien als Gold-Standard aufgeweicht würden, betonte Chan nun. Zwar würde teilweise argumentiert, dass derartige Veränderungen die Zulassungen beschleunigen, die Kosten der Industrie senken und die Produkte schneller auf den Markt bringen würden. „Diese Art des Denkens ist extrem gefährlich“, kritisierte Chan. 

„Nichts – wirtschaftliche Argumente oder Druck der Industrie eingeschlossen – darf unsere wissenschaftlichen Standards senken oder unsere Integrität kompromittieren“, erklärte Chan bei ihrer Rede. Dies sei „eine absolute Pflicht“, betonte die WHO-Generaldirektorin. „Politiker, die Öffentlichkeit oder die Industrie dürfen nicht die Lehren aus dem Thalidomid-Desaster vergessen.“

Zuvor hatte sich auch die FDA selbst betont, dass hohe Standards Patienten vor unwirksamen oder sogar schädlichen Arzneimitteln schützen: Die Behörde hatte eine Liste von 22 Präparaten veröffentlicht, bei denen erst Phase-3-Studien derartige Mängel aufgedeckt haben. Klinische Studien blieben der „Gold-Standard“, um zu ermitteln, ob ein Arzneimittel ein akzeptables Nutzen-Risiko-Verhältnis habe, erklärte die FDA. 

Gegenüber DAZ.online hatten auch deutsche Pharmaverbände die Pläne aus dem Trump-Lager stark kritisiert. „Unabgestimmte nationale Alleingänge in den gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung von Medikamenten würden die Entwicklung und Produktion von Medikamenten weltweit wieder erschweren“, erklärt ein Sprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Für Pharmafirmen würde es „überhaupt keinen Sinn“ machen, die Wirksamkeit nicht zu untersuchen. Außerdem sei es „nicht durchdacht“, Zulassungen basierend auf Phase-2-Studien zum Regelfall zu machen.

Abstriche bei der Arzneimittelsicherheit

Spätestens bei der Frage, ob Versicherungen die Kosten tragen, seien Wirksamkeitsnachweise unerlässlich. „Andernfalls erstatten sie das Medikament nicht oder nur zu einem niedrigen Preis.“ Da die Zulassungsstandards außerdem international vereinheitlicht sind, müssten die Firmen ohnehin die geltenden Standards erfüllen, um in Europa oder Japan Arzneimittel auf den Markt bringen zu können.

Dies betonte auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) auf Nachfrage. Die in den USA, Europa und Japan angeglichenen Zulassungsstandards seien von der Industrie inzwischen weitgehend akzeptiert, erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Hermann Kortland gegenüber DAZ.online. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Deregulierung der eigentlich weltweit geltenden Standards im angekündigten Ausmaß ohne Abstriche bei der Arzneimittelsicherheit möglich ist.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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