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Schlankheitsmittel verändert Arzneimittelwirkung

19.01.2013, 10:00 Uhr


Wenn Kunden zum Abnehmen den Wirkstoff Orlistat (Alli®, Xenical®) verlangen, sollte immer die weitere Medikation hinterfragt werden. Darauf weist jetzt der Pharmakologe Professor Dr. Dr. Ingolf Cascorbi, Universität Kiel, in der Deutschen Apotheker Zeitung hin.

Nach der Veröffentlichung einer In-vitro-Untersuchung steht der Lipasehemmer Orlistat im Verdacht, ernstzunehmende Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen hervorzurufen, beispielsweise dem Zytostatikum Irinotecan. In der Studie wurde in vitro der hemmende Einfluss von Orlistat auf Carboxylesterasen (CES) untersucht. CES sind sowohl als Lipasen aktiv als auch an der Hydrolyse von Arzneistoffen und ihren Prodrugs beteiligt. Bei den Untersuchungen konnte Orlistat die Carboxylesterasen unerwartet stark hemmen.

Orlistat wird kaum resorbiert und gelangt nur in äußerst niedrigen Konzentrationen ins Plasma. Damit sich die in vitro beobachteten Effekte klinisch auswirken, müssten in der Leber ausreichende Konzentrationen von Orlistat erreicht werden. Bisher wurden beim Menschen Orlistat-Plasmakonzentrationen von bis zu 20 nmol/l gemessen, die in der neuen Studie für eine Hemmung der CES ausreichten.

Ob diese In-vitro-Hemmung auch klinische Konsequenzen habe, sei derzeit jedoch noch unklar, so Professor Cascorbi. Allerdings sollten die Ergebnisse der Studie zum Anlass genommen werden, Patienten, die Orlistat verwenden, immer auch nach der Einnahme anderer Arzneistoffe zu fragen.

So werden die Prodrugs Clopidogrel und Prasugrel durch hepatische Esterasen (CES) metabolisiert. Eine durch Orlistat vermittelte Hemmung dieser Esterasen könnte zu erhöhten Wirkspiegeln von Clopidogrel und damit einem erhöhten Blutungsrisiko führen, während Prasugrel nicht in seine aktive Form überführt und das Thromboserisiko steigen würde. Da jedoch bislang bei Clopidogrel noch keine Veränderung der Wirkung beobachtet werden konnte, bestehe zurzeit „kein Anlass zum akuten Eingreifen“, meinte Cascorbi. Das in der Studie als Modell eingesetzte Irinotecan ist ein Zytostatikum, das in der Regel nicht zusammen mit Orlistat angewendet wird.

Orlistat kann aber durch die erhöhte Fettausscheidung die Bioverfügbarkeit wichtiger fettlöslicher Arzneimittel einschränken. Daher sollten Patienten, die andere wichtige Arzneimittel einnehmen, ohnehin nicht gleichzeitig Orlistat verwenden, so Cascorbi in der DAZ.

Mehr zu Orlistat und Schlankheitsmitteln in der DAZ 1/2; S. 53 ff

Quelle: DAZ 1/2/13, S. 32-35


Dr. Bettina Hellwig