Gesundheitspolitik

„Apotheker haben Nachholbedarf“

DAV-Chef Becker fordert mehr Honorar für Apotheker

BERLIN (diz) | Auch wenn sich für das Jahr 2013 erstmals ein leicht positiver Trend in der wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken abzeichnete, haben die Apotheken in ihrer Honorarentwicklung einen Nachholbedarf, stellte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum in Berlin fest. In seinem Bericht zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken machte er deutlich, wie sich die Apotheker die Anpassungen vorstellen könnten.

„Eine gefühlte Ewigkeit“, fast neun Jahre lang, habe es für die Apotheken keine Honoraranpassung gegeben, erklärte der Verbandschef. Während dieser Zeit sind jedoch die Kosten gestiegen, die Apotheken mussten investieren, das AMNOG und weitere Spargesetze verlangten von den Apotheken finanzielle Opfer. Zu lange waren die Apotheken von Honorarerhöhungen abgekoppelt, daher bestehe Nachholbedarf.

Die Gesundheitspolitik der Großen Koalition habe sich mittlerweile neu aufgestellt, man kenne die neuen Gesprächspartner. Man werde nun „die mehr als gerechtfertigten Forderungen in aller Deutlichkeit vortragen“, so Becker, nämlich eine Anpassung des Entgelts 2015. „Was bei anderen selbstverständlich ist, muss auch Apotheken zugestanden werden.“

In diesem Zusammenhang kritisierte Becker erneut die aus Verbandssicht falsche Rechenmethode des Bundeswirtschaftsministeriums zur Anpassung des Apothekenhonorars. Die Kostensteigerungen mit den Ertragssteigerungen gegenzurechnen, sei leistungsfeindlich und „absolut nicht akzeptabel“. Es führe zu einer „dauerhaften Deckelung“ der Erträge. Außerdem seien die Apotheken bei der Rezepturherstellung und bei den Dokumentationspflichten für Arzneimittel wie beispielsweise den Betäubungsmitteln unterbezahlt. Zudem müssten die Apotheken für ihre Inkassoleistungen, die sie für die Krankenkassen erbringen, bezahlt werden. Beckers Forderung: „Die Politik muss handeln.“

Schließungen, Nullretax, Lieferengpässe

Auch wenn sich das Tempo ein wenig verlangsamt habe, halte der Trend zu Apothekenschließungen an. Am Beispiel der hessischen Apotheken zeigte er, wie sich der Rückgang von Apotheken auswirkt. In diesem Bundesland gibt es so wenig selbstständige Apotheker wie schon lange nicht mehr. Apotheker finden keine Nachfolger, es gibt kaum noch Neugründungen. Die Sorge besteht, dass sich die flächendeckende Arzneimittelversorgung verschlechtern könnte.

Kritik übte Becker des Weiteren an der Zytostatika-Ausschreibung der AOK Hessen und den Retaxationen auf Null, wenn Apotheken Zytostatika anfertigten und abgäben, die nicht zu den Losgewinnern gehören. „Hier ist für die Patienten die freie Apothekenwahl nicht mehr gegeben“, stellte der Verbandschef fest. Das Vorgehen der Kasse sei widerrechtlich. Der DAV werde daher rechtliche Schritte dagegen einleiten. Aber, so fügte Becker hinzu, es müsse auch die Hilfstaxe so angepasst werden, dass die Krankenkassen keine Vorteile mehr durch die Ausschreibungen sehen.

Mit großer Sorge sieht der Deutsche Apothekerverband die zunehmenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln und die schwerfällige Reaktion der Politik darauf. Mittlerweile seien auch nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Offizinapotheken betroffen. Politik und Krankenkassen nähmen das Problem nicht ernst genug, eine Analyse der Ursache werde vermieden. Auch wenn solche Engpässe glücklicherweise noch die Ausnahme seien, seien sie generell inakzeptabel.

Fragen der Sinnhaftigkeit

Beim Thema Selbstverwaltung fand Becker lobende Worte für den GKV-Spitzenverband im Hinblick auf den ausgehandelten Kompromiss zum Apothekenabschlag. Um weitere Streitereien auf diesem Gebiet zu vermeiden und um mehr Planungssicherheit zu bekommen, müsse allerdings § 130 SGB V geändert werden. Spitzenverband und DAV wollen daher gemeinsam den Gesetzgeber zu einer Änderung dieser Regelung auffordern.

Verwunderlich sei dagegen, dass der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Erstellung der Substitutionsausschlussliste beauftragt habe. Becker mahnte an, dass der Sachverstand von Experten und von Apothekern hier nicht außen vor bleiben dürfe.

Auch für die Entscheidung des Bundessozialgerichts, wonach die Vollabsetzung bei der Abgabe eines nicht rabattbegünstigten Arzneimittels rechtmäßig sei, konnte Becker kein Verständnis zeigen. Man habe daher im Dezember beschlossen, dagegen mit rechtlichen Mitteln vorzugehen. Betroffene Apotheker unterstütze der DAV bei ihrem Gang vor das Bundesverfassungsgericht.

Bei der Vielzahl an Kostendämpfungsmaßnahmen stelle sich mehr und mehr die Frage nach ihrer Sinnhaftigkeit. Da es für immer mehr Arzneimittel mittlerweile Erstattungsbeträge und Rabattverträge geben, bringe eine Förderung von Importen keine Vorteile mehr. Beckers klare Forderung: „Die Importförderklausel nach § 129 SGB V gehört abgeschafft. Sie ist kaum noch zu erfüllen und bringt wenig an Einsparungen.“

Nachbesserungen beim Notdienstfonds

Zu den „besseren Themen“ seines Wirtschaftsberichts rechnete Becker das neue Serviceangebot von DAV und den LAVs: ein Online-Vertragsportal, auf dem die Apotheken alle Verträge einsehen können, die die Verbände mit den Krankenkassen abgeschlossen haben und denen die Apotheker beitreten können. Ziel des Portals sei es auch, Produkte im Hilfsmittelbereich vertragssicher abgeben zu können. Eine Verknüpfung mit dem Warenwirtschaftssystem sei vorgesehen.

Auf der Seite der positiven Nachrichten steht auch der Nacht- und Notdienstfonds (NNF), der „stabil und ruhig“ laufe. Wie Becker hervorhob, sei dies „kein Geschäftsmodell für Apotheken, sondern ein Zuschuss für die Gemeinwohlverpflichtung“. Allerdings zeichne sich ab, dass die dafür angesetzten 16 Cent pro Packung nicht ausreichten, die von der Politik zugesagten 120 Mio. Euro aufzubringen. Daher: „Nachbesserungen in Form eines höheren Nacht- und Notdienstzuschlags sind unabdingbar. Wir setzen auf die entsprechende Zusage aus der Politik bei der damaligen Festlegung des Zuschlagsatzes.“

Beim Selbstmedikationsmarkt sei ein leicht positiver Trend erkennbar. Der Apotheker müsse, so Becker, in diesem Markt weiterhin engagiert bleiben und ihn ausbauen.

Als „klaren Fortschritt hinsichtlich einer gestärkten Rolle des Apothekers in der Patientenbetreuung und im Medikationsmanagement sieht Becker die Arzneimittelinitiative in Thüringen und Sachsen (ARMIN), die nun an den Start gehe. Man wolle weiterhin gestalten, beispielsweise indem man andere Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen abschließe. 

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