DAZ aktuell

Lange Wartezeiten für Arzttermine sollen bestraft werden

BERLIN (dpa/ks). Die SPD sorgt mit neuen Vorschlägen für Unruhe in der Ärzteschaft: Sie will, dass Ärzte künftig nicht mehr Privat-, sondern Kassenpatienten bevorzugt behandeln. Wenn sie gesetzlich Versicherte diskriminieren, sollen sie bis zu 25.000 Euro Geldbuße zahlen und im Ernstfall sogar ihre Zulassung bis zu zwei Jahre lang verlieren. Die Ärzte warnen vor sozialistischen Verhältnissen.
Termin erst in zwei Monaten? Kassenpatienten müssen derzeit auf Facharzttermine meist länger warten alsPrivatpatienten. Die SPD will das ändern: Kassenpatienten sollen nach ihrem Wunsch künftig bei der Terminvergabe bevorzugt werden. Foto: Kautz15 – Fotolia.com

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion provoziert bekanntlich gerne. Nun hat er mit der kampferprobten Fraktions-Vizechefin Elke Ferner einen knappen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem sie fast alle aktuellen gesundheitspolitischen Debatten aufgreifen. Im Wettlauf um möglichst große Geschenke an die 70 Millionen gesetzlich Versicherten präsentieren sie teilweise doch recht überraschende Lösungen.

Auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will die Medizin-Versorgung 2011 per Gesetz verbessern. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), hat das Jahr gar zum Jahr der Patienten ausgerufen und mit einem Vorstoß für Zwei-Bett-Zimmer für gesetzlich Versicherte für Furore gesorgt. Ferner und Lauterbach nehmen die Vorstöße auf, ebenso wie die Forderung nach Veröffentlichung von Klinikinfektionen. Doch sie spitzen all die Verheißungen für die Patienten noch etwas zu – und übertrumpfen die Koalitionäre bei Weitem:

Nur noch fünf Tage warten

So sollen Kassenpatienten nur noch fünf Tage auf einen Arzttermin warten müssen – heute sind es bei Spezialisten wie Lungenärzten manchmal Monate. Ärzte sollen sogar verpflichtet werden, gesetzlich Versicherte eher dranzunehmen. Die Kassen sollen die Terminvergabe auch durch Testanrufe überprüfen. Ein einst von Lauterbach geleitetes Universitätsinstitut hatte so schon vor drei Jahren gezeigt: Kassenpatienten müssen oft dreimal länger auf einen Termin warten.

Verzerrtes Bild von der Ärzteschaft

Dass sie mit ihren Forderungen umgehend heftiges Kopfschütteln bei der Politkonkurrenz und der organisierten Ärzteschaft hervorriefen, dürften die roten Kritiker eingerechnet haben. Auch wenn Lauterbach in einem Interview unverfroren beteuert: "Ich gehe fest davon aus, dass die Union unsere Vorschläge unterstützt." Rösler sagte der "Ärztezeitung": "Der Vorschlag zeigt, welches verzerrte Bild die Sozialdemokraten von der Ärzteschaft haben." Der Minister betonte, dass "drastische Strafen" nicht sein Weg seien. Da es immer weniger Ärzte gebe, gebe es "naturgemäß auch immer weniger freie Termine". Auch Spahn, Lauterbachs Widersacher in der Union, will von den Plänen natürlich nichts wissen. "Außerdem ist es zynisch, wenn die Partei, die fast neun Jahre die Gesundheitsministerin stellte, jetzt so einen plumpen Drei-Seiten-Gesetzentwurf auf den Tisch legt", sagte er mit Blick auf Rösler-Vorgängerin Ulla Schmidt.

Kontrollwut und Kontrollverlust

"Dieser Vorstoß der SPD trägt planwirtschaftliche Züge einer überbordenden Kontrollwut", echauffierte sich auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler. Er wirft Lauterbach und Co. vor, generell etwas gegen Ärzte zu haben und populistisch für eine Einheitsversicherung Stimmung zu machen. Der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dirk Heinrich schäumt noch mehr: "Die SPD plant offenbar ein sozialistisches Gesundheitssystem und die Enteignung der niedergelassenen Ärzte."

Sein Kollege vom Hartmannbund, Kuno Winn, wirft Lauterbach Kontrollverlust vor. "Anders ist es für mich nicht zu erklären, dass Herr Lauterbach nun ganz offen für die gesetzliche Verankerung der von ihm bisher stets angeprangerten Zwei-Klassen-Medizin eintritt", so der Ärztefunktionär. Tatsächlich würden Privatpatienten mit der SPD wohl in die zweite Klasse absteigen, in der wegen der Besserstellung der Kassenpatienten dann auch reichlich Platz wäre.



DAZ 2011, Nr. 6, S. 38

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.