Arzneimittel und Therapie

Transmembranprotein für hohe Infektiosität verantwortlich

Das Masernvirus besitzt eine sehr hohe Ansteckungsfähigkeit. Es wird durch Tröpfcheninfektion übertragen, und schon ein kurzer Kontakt mit einem Infizierten reicht aus, um sich anzustecken. Eine internationale Arbeitsgruppe, darunter auch Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), hat jetzt die Ursache für diese hohe Infektiosität gefunden. Über das Transmembranprotein Nectin-4 gelangen die Viren nach ihrer Vermehrung in die Atemwege zurück. Das Eiweiß war bereits als Tumormarker bekannt, und jetzt wird ein möglicher Einsatz der Viren in der Krebstherapie untersucht.
Foto: CDC
Masern sind hochansteckend Das Transmembranprotein Nectin-4 ist für die hohe Infektiosität der durch das Masernvirus ausgelösten Infektionskrankheit verantwortlich, die vor allem Kinder betrifft.

Die Masern sind eine durch das Masernvirus hervorgerufene, hoch ansteckende Infektionskrankheit, die vor allem Kinder betrifft. Das Virus kommt weltweit vor, wobei die Krankheitshäufigkeit stark variiert. Vor allem in den Entwicklungsländern kommt es immer wieder zu lokalen Masernepidemien mit hohen Krankheits- und Sterblichkeitszahlen.

Das Virus wird beim Husten, Niesen oder Sprechen durch Tröpfcheninfektion übertragen. In der Luft bleibt es bis zu zwei Stunden ansteckend, und schon ein kurzer Kontakt mit einem Patienten reicht aus, um sich anzustecken. Von 100 infizierten Personen erkranken mehr als 95 anschließend an der Infektionserkrankung. Trotz Impfung kommt es auch in Deutschland immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen. Im Jahr 2010 wurden dem RKI 780 Fälle gemeldet.

Masernviren in der Krebstherapie?

Masernviren infizieren mit Hilfe eines spezifischen Rezeptors zunächst offenbar primär Makrophagen und dendritische Zellen in den Atemwegen. Diese mit Viren beladenen Zellen wandern anschließend über lokale Lymphknoten in die lymphatischen Organe ein, wo sich die Viren intensiv vermehren. Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) Langen haben jetzt in einer Kooperation mit Arbeitsgruppen aus den USA, Kanada, Singapur und Frankreich aufgezeigt, wie die Erreger in die Atemwege zurückgelangen, ausgeschieden und erneut Menschen infizieren können. Auf der Innenseite der Epithelzellen identifizierten sie das Transmembranprotein Nectin-4, das für die Viren zugänglich ist und ihnen den Weg durch die Epithelzelle ermöglicht. Bei ihren Untersuchungen verwendeten die Wissenschaftler sieben verschiedene Zelllinien von Lungen- und Blasentumoren, wobei ein Teil durch pathogene Masernviren infizierbar war, der andere nicht. Nach dem Ausschlussprinzip fanden sie das Protein, das für die Infizierbarkeit mit Masernviren verantwortlich sein kann. Durch Blockierung der Nectin-4-Genexpression bei infizierbaren Zellen wurde dann tatsächlich das Eindringen des Virus verhindert. In humanen Atemwegsepithelzellen konnte ebenfalls die Expression der messenger-RNA für Nectin-4 nachgewiesen werden.

Masernviren, die durch die Vermehrung in Tumorzellen deren Zelltod induzieren, werden schon heute als onkolytische Viren eingesetzt. Nectin-4 gilt als Tumorbiomarker, der z. B. auch bei Brustkrebs, Darmkrebs und weiteren Epitheltumoren verstärkt gebildet wird. "Spannend ist nun die Frage, ob die Effizienz der Tumorzellinfektion möglicherweise mit dem Ausmaß der Nectin-4-Expression korreliert und darüber schon vor Behandlungsbeginn eine Vorhersage über die Wirksamkeit einer Therapie mit Nectin-4-abhängigen onkolytischen Viren möglich wird", so Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts und Mitautor der Veröffentlichung.


Quelle

Mühlebach, M.D.; et al.: Adherens junction protein nectin-4 (PVRL4) is the epithelial receptor for measles virus. Nature 2011; doi:10.1038/nature10639, vom 2. November 2011.

Paul-Ehrlich-Institut Langen: Hauptkomponente des Krankheitsmechanismus der Masern aufgeklärt – neue Erkenntnisse für Krebstherapie nutzbar? Pressemitteilung vom 2. November 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 45, S. 56

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