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Sparmaßnahmen für Arzneimittelhersteller überprüfen

BERLIN (lk). Neue Töne anschlagen will die neue Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa), Birgit Fischer: Konsens statt Konfrontation lautet die Maxime der früheren SPD-Politikerin für ihre neue Aufgabe. Im DAZ-Interview erläutert die vfa-Chefin, wie sie in der Gesundheitspolitik mit ihrer Vorgehensweise überzeugen will.
Foto: DAZ/Sket
Keine Grabenkämpfe, sondern eine Situation, von der alle profitieren können, ist das Ziel der neuen vfa-Hauptgeschäfts-führerin Birgit Fischer. Hier im Gespräch mit den DAZ-Redakteuren Kirsten Sucker-Sket und Lothar Klein.

DAZ: Ihre Berufung hat in der Branche Überraschung ausgelöst. Sind Sie bei Ihren Ansprechpartnern überwiegend mit offenen Armen oder mit Skepsis empfangen worden?

Fischer: Die Gespräche verlaufen erheblich besser als es manche öffentlichen Reaktionen vermuten ließen. Im Übrigen kam die ein oder andere irritierte Reaktion nicht überraschend. Mein Wechsel zum vfa war ja überraschend: Warum hat sich Birgit Fischer für den vfa entschieden? Warum hat sich der vfa für Fischer entschieden? Inzwischen wird anders diskutiert und die entscheidende Frage gestellt: Was steckt dahinter? Dass etwas in Bewegung gekommen ist, steht dabei außer Frage und ist jetzt auch für viele erkennbar. Und wie das meistens so ist: Wenn sich etwas verändert, möchten viele an dieser Bewegung beteiligt sein, möchten nichts verpassen. Ich stoße also inzwischen auf Neugier und Offenheit!


DAZ: Welche Signale senden Sie an Ihre Gesprächspartner?

Fischer: Im Gesundheitswesen ist unglaublich viel festgefahren – auch zwischen den Akteuren und vor allem im Verhältnis zur pharmazeutischen Industrie. Ich halte das für falsch. Ich glaube vielmehr, dass wir starre Verhältnisse aufbrechen müssen. Sonst wird viel für das Gesundheitswesen verspielt, sowohl für die Patienten als auch für die Volkswirtschaft. Jetzt ist die Zeit reif, dass alle Akteure des Gesundheitswesens ihre alten Positionen infrage stellen und darüber zu reden, wie stellen wir uns die Zukunft in der Versorgung und im deutschen Gesundheitsmarkt denn vor?


DAZ: Was ist denn in der Vergangenheit falsch gelaufen?

Fischer: Es geht nicht um richtig oder falsch oder gar um Vergangenheitsbewältigung. Aber es gab zu viele Grabenkämpfe. Jeder versuchte, Gewinner in einem Interessenkonflikt zu sein. Es geht aber nicht um Gewinner und Verlierer, sondern darum, eine Situation zu schaffen, von der alle profitieren können. Das ist jetzt genau die Aufgabe: Eine Atmosphäre zu schaffen, in der man aufeinander zugeht, um miteinander Lösungen zu finden. Das ist jetzt im Gesundheitswesen zwingend notwendig. Hierzu gibt es ein Angebot der pharmazeutischen Industrie.


DAZ: Das Angebot heißt jetzt Kuscheln statt Konflikt?

Fischer: Das ist kein Kuscheln. Es geht um ehrliche und offene Diskussionen über Interessen und über eine Verständigung darüber, welche gemeinsamen Ziele es gibt und wer dazu welchen Beitrag leisten kann. Ich plädiere für eine vollkommen andere Art des Umgangs miteinander. Es macht einen Unterschied, ob wir als Arzneimittelhersteller nur auf ein gesetzliches Diktat wie das Preismoratorium und die erhöhten Zwangsabschläge reagieren oder vorher mit der Politik gemeinsam nach Lösungen suchen.


DAZ: Was heißt das konkret?

Fischer: Wir wollen unsere Positionen klar auf den Tisch legen. Wir wissen, dass das Gesundheitswesen mit begrenzten finanziellen Mitteln auskommen muss. Aber es kann nicht sein, das dies einseitig zulasten der Industrie geht, die mit Zwangsrabatten belegt wird, die jede Planungssicherheit unterlaufen und die den Unternehmen deshalb große Probleme bereiten. Wir müssen die Zusammenhänge verdeutlichen, die solche Maßnahmen auf den Forschungsstandort Deutschland haben, auf Beschäftigung und das Bild von Deutschland als der Apotheke für die Welt. Ich stelle immer wieder fest, dass es große Wissenslücken über die Wertschöpfungskette der Arzneimittelhersteller gibt.


DAZ: Welche?

Fischer: Politiker lassen sich immer wieder gerne mit Automobilen fotografieren …


DAZ: … oder halten Autogipfel ab, wie auch SPD-Kanzler Gerhard Schröder …

Fischer: Aber wer weiß schon, dass die Arzneimittelhersteller gemessen am Umsatz die höchste Quote von Forschungsinvestitionen in der deutschen Wirtschaft haben. Ich glaube, dass die Arzneimittelhersteller ihre Wertschöpfung zu zurückhaltend dargestellt haben und zwar gerade was ihren Anteil an Forschung und forschungsintensiver Beschäftigung betrifft. Die Wertschätzung, die die Politik den Arzneimittelherstellern entgegen bringt, entspricht dieser Bedeutung jedenfalls nicht. Gerade die forschenden Arzneimittelhersteller sind auf langfristig verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Wir benötigen für unsere Arbeit ein größeres Verständnis der Politik dafür, wie unsere Branche "tickt". Dafür will ich werben!


DAZ: Fünf Monate nach dem AMNOG, zehn Monate nach Zwangsrabatt und Preismoratorium: Wie geht es den forschenden Arzneimittelherstellern?

Fischer: Die Erhöhung der Zwangsrabatte ist ein willkürlicher Eingriff des Gesetzgebers mit massiven Auswirkungen. Damit wurde die gesamte Kalkulation der Unternehmen auch rückwirkend über den Haufen geworfen. Das kann jeder Privatmann nachempfinden, der im Nachhinein erfährt, dass er weniger verdient hat, als eingeplant war. Das führt zu Verwerfungen. Das ist klar.


DAZ: Zwangsrabatt und Preisstopp beruhten auf der Annahme eines elf Milliarden Euro-Defizits in der GKV. Jetzt sieht die Einnahmeentwicklung der gesetzlichen Kassen deutlich besser aus. Fühlen Sie sich von der Politik übers Ohr gehauen?

Fischer: In der Tat stellt sich die Kassenlage der GKV und die gesamte wirtschaftliche Situation jetzt deutlich besser dar. Der Gesetzgeber hat erhöhten Zwangsrabatt und Preisstopp zwar für drei Jahre festgelegt, aber das war nur gerechtfertigt aufgrund der prognostizierten finanziellen Notlage. Die hat sich aber so nicht eingestellt. Und das Gesetz selbst sieht einen "Faktencheck" vor. Es enthält nämlich eine jährliche Prüfklausel. Angesichts einer günstigeren Kassenlage der Krankenkassen sehen wir tatsächlich Überprüfungsbedarf was die Dauer und Höhe des Zwangsrabattes angeht!


DAZ: Der vfa fordert also eine Revision von Preisstopp und Zwangsrabatt?

Fischer: Man muss zumindest prüfen, ob es bei dieser Höhe bleiben kann. Die Prüfklausel kann nicht als reine "Null-Nummer" im Gesetz stehen. Zur Einhaltung des Gesetzes gehört auf Seiten der Regierung, dass es überprüft wird. Das muss jetzt im Sommer erfolgen. Darüber sind wir mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr im Gespräch.


DAZ: Jetzt kommen Nutzenbewertung und Preisverhandlungen auf die Hersteller zu. Wie gehen Sie damit um?

Fischer: Bei der anstehenden Nutzenbewertung kommt es jetzt auf die Ausformung der Rahmenvereinbarungen an. Dazu laufen derzeit die Verhandlungen. Es ist noch zu früh, dies zu bewerten. Ende des Jahres wissen wir mehr. Kürzlich haben wir im Konsens eine Schiedskommission bestellt, im Einvernehmen mit dem GKV-Spitzenverband. Das ist ein ermutigender erster Schritt.


DAZ: Welche Details müssen in der Rahmenvereinbarung noch geklärt werden?

Fischer: Es geht um die Kriterien für die Rabattverhandlungen und dabei auch, also etwa um die Frage, welche Vergleichspreise und welche Vergleichsmärkte herangezogen werden. Was ist eigentlich mit Therapiekosten gemeint? Wird nur der Arzneimittelbereich eingerechnet oder die gesamten Kosten? Das sind noch offene, aber für uns entscheidende Fragen. Davon hängt ab, ob wir zu einer gerechten Kosten-Nutzen-Bewertung kommen. Das Kleingedruckte muss noch ausformuliert werden.


DAZ: ABDA/KBV haben ein eigenes Konzept zur Arzneimittelversorgung vorgelegt. Was hält der vfa davon?

Fischer: Der Patient muss bei solchen Überlegungen im Mittelpunkt stehen. Und für ihn haben dieie Apotheker eine sehr wichtige Beratungsfunktion, wenn es um Wechselwirkungen von Arzneimitteln geht, um Compliance und um Arzneimittelsicherheit. Die Patienten haben dazu eine Reihe von Frage, vor allem auch bei der Selbstmedikation. Daher wäre es sinnvoll, wenn der Apotheker einen Überblick über die Medikation eines Patienten hätte. Wir halten daher ein intensiveres Arzneimittelmanagement durchaus für sinnvoll. Es macht aber keinen Sinn, dass sich Apotheker und Ärzte jetzt Konkurrenz bei der Auswahl des passenden Arzneimittels machen.


DAZ: Frau Fischer, wir danken Ihnen für das Gespräch.



DAZ 2011, Nr. 24, S. 17

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