Gesundheitspolitik

Preisschaukel

vfa springt Rösler zur Seite

Berlin (lk). Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) hat sich mit einer ungewöhnlichen Stellungnahme an die Seite von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler gestellt und die 46 Mitgliedsunternehmen aufgefordert, bei den ab August geltenden erhöhten Zwangsrabatten mit dem Instrument der "Preisschaukel" nicht zu tricksen.

Kein Unternehmen solle gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen einen reduzierten Zwangsrabatt berechnen, "ganz gleich, ob vor Kurzem Preisveränderungen vorgenommen wurden oder nicht", erklärte vfaVorsitzender Dr. Wolfgang Plischke. Zuvor war bekannt geworden, dass einige Arzneimittelhersteller eine Gesetzeslücke nutzen, um den ab August von sechs auf 16 Prozent erhöhten Zwangsrabatt zu umgehen. Im Gesetz ist vorgesehen, dass Preissenkungen mit dem Zwangsrabatt verrechnet werden können. Einige Firmen hatten ihre Arzneimittelpreise im Juli erhöht, um diese zum 1. August wieder zu senken.

Der vfa teile die Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums, dass es bei "richtiger Auslegung des Gesetzes überhaupt keine Gesetzeslücke gibt", schrieb der vfa in einer Stellungnahme. Die Erklärung des vfa ist offenbar auf Wunsch der Mehrheit der Mitgliedsfirmen zustande gekommen. Nur der Arzneimittelhersteller Merck Serono hat bisher die "Preisschaukel" genutzt. Die anderen Firmen, die auf die Anwendung dieser umstrittenen Preispolitik verzichteten, gerieten dadurch intern unter Rechtfertigungsdruck.

Falls der Gesetzesgeber – wie bereits vom Bundesgesundheitsministerium angekündigt – eine Klarstellung im Gesetz vornehmen wolle, fordert der vfa Gleichbehandlung: "Dabei sollte diese Lücke dann aber rückwirkend zum 1. August 2010 geschlossen werden, damit alle Unternehmen gleich behandelt werden." Das Bundesgesundheitsministerium hatte bereits angekündigt, das Gesetz so zu ändern, dass Arzneimittelhersteller aus der Gesetzeslücke keine Vorteile ziehen können.

Nach AZ-Informationen nutzen aber nur wenige Arzneimittelhersteller diese Lücke im Spargesetz, um den ab August geltenden erhöhten Zwangsrabatt zu umgehen. "Das ist keine Massenbewegung", sagte ein Branchenkenner gegenüber der AZ. Einen exakten Marktüberblick gibt weder beim Bundesgesundheitsministerium noch beim GKV-Spitzenverband.

"Wir kommentieren unsere Preispolitik nicht", sagte ein Hexal-Firmensprecher gegenüber der AZ. Nach eigenen Recherchen hat Hexal für 19 Arzneimittel und Sandoz für drei Arzneimittel die Preise vor der Erhöhung des Zwangsrabattes angehoben. Vorübergehend angehoben haben ebenfalls die Firmen Neocorp sowie Fresenius Kabi die Preise für einige Arzneimittel. Als einziges vfa-Mitgliedunternehmen nutzte Merck Serono die Gesetzeslücke.

Unterdessen werfen SPD und Bündnis 90/Die Grünen der Regierungskoalition Schlamperei vor und fordern Aufklärung. "Die Versicherten haben das Recht zu erfahren, wie viel Geld der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Fehler des Bundesgesundheitsministers verloren geht und wie er es wieder einsammeln will", sagt Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Patientenrechte Bündnis 90/Die Grünen. Sie fordert, die Pharmaunternehmen, die sich der "Preisschaukel" bedienen, klar zu benennen. "Teile der Pharmaindustrie scheinen das Solidarsystem ausschließlich als Geldautomaten wahrzunehmen", so Klein-Schmeink. Das Ausgangsproblem seien allerdings die Spielräume, die die Bundesregierung der Pharmaindustrie gelassen habe.

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