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Nobelpreis für Medizin 2003 an Pioniere der Magnetresonanztomographie

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht auch im Jahre 2003 nicht an Mediziner, sondern an den US-amerikanischen Chemiker Paul Lauterbur und den britischen Physiker Sir Peter Mansfield. Die beiden begründeten das heute aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenkende Verfahren der Magnetresonanztomographie, die als unschädliches bildgebendes Verfahren die medizinische Diagnostik revolutioniert hat.

Innere Organe und Gewebe exakt und schonend abzubilden, ist von entscheidender Bedeutung für die Diagnose, die Diagnose und Behandlung innerer Krankheiten. Dazu dient die moderne Magnetresonanztomographie (MRT) oder Kernspintomographie, die auf der kernmagnetischen Resonanz (nuclear magnetic resonance, NMR) beruht.

Die beiden Forscher haben zur Entwicklung dieser Technik erheblich beigetragen. Ihre Ehrung ist der vorläufige Schlusspunkt einer ganzen Kette von Nobelpreisen zu diesem Forschungsbereich.

Nobelpreise schon 1944 und 1952

Schon in den Dreißigerjahren hatte Isidor Isaac Rabi (Physiknobelpreis 1944) ein Verfahren zur Bestimmung des Verhältnisses magnetischer Momente zum mechanischen Drehimpuls (Spin) des Atomkerns entwickelt. Diese so genannte Molekülstrahlresonanzmethode ist die Grundlage alles Weiteren.

1952 wurden der Schweizer Felix Bloch und der US-Amerikaner Edward Purcell für die Entwicklung der NMR mit dem Physiknobelpreis geehrt. Ihnen war es gelungen, die Resonanzfrequenz der Protonen des Wasserstoffs des Wassers durch eingestrahlte Mikrowellen zu bestimmen, nachdem sie die Moleküle in einem homogenen Magnetfeld gleichgerichtet hatten.

Die NMR-Spektroskopie war geboren. Sie basiert auf dem mechanischen Drehimpuls (Spin) und dem damit gekoppelten magnetischen Moment von Atomkernen mit einer ungeraden Zahl an Nukleonen (Protonen oder Neutronen). In der aktuellen Praxis sind das vor allem Wasserstoff (1 Proton) und das Kohlenstoff-Isotop C-13 (7 Neutronen).

Das Energieniveau eines Atomkerns ist am geringsten, wenn das magnetische Moment parallel zu äußeren Magnetfeldlinien ausgerichtet ist. Wird ein starkes äußeres Magnetfeld an eine wasserstoffhaltige Substanz angelegt, richtet sich die größere Anzahl der Protonen in Feldrichtung (parallel), eine kleinere Anzahl entgegengesetzt (antiparallel) aus.

Wird die Substanz nun senkrecht zum Magnetfeld mit Photonen einer bestimmten Frequenz (der Resonanzfrequenz) bestrahlt, gehen parallele Protonen nach Absorption der Strahlung in die antiparallele Stellung über, die mit einem höheren Energieniveau verbunden ist; sie "klappen um". Nach Beendigung der Photonenbestrahlung gehen angeregte Protonen wieder in den Ausgangszustand über und senden dabei elektromagnetische Strahlen aus.

Nun wird ein Atom aber auch von den lokalen, inneren Magnetfeldern der es umgebenden Atome beeinflusst, die das äußere Feld teilweise abschirmen. Da die Resonanzfrequenz proportional zum wirksamen Magnetfeld ist, lässt sich die chemische Umgebung, in der sich das Proton befindet, bestimmen.

39 Jahre später

Fast vierzig Jahre später erhielt der Schweizer Richard Ernst für dieselbe Methode, die er extrem verfeinert hatte, wiederum einen Nobelpreis (Chemienobelpreis 1991). Während Bloch und Purcell im Grunde nur das Wasserstoffatom beobachten konnten, war es Ernst gelungen, das Verfahren auch für andere Nuklide wie das seltene Kohlenstoff-Isotop C-13 gangbar zu machen.

Dazu führte er das komplizierte mathematische Verfahren der Fourier-Transformation (FT) ein. Ernst brauchte die FT, da er seine Proben mit allen Frequenzen (die Bloch und Purcell noch nach einander angewandt hatten) auf einmal bestrahlte. Die vielen, sich überlagernden Resonanzfrequenzen, die sich dabei fanden, konnte er mit der FT analysieren.

Die chemische Analyse erlebte mit der FT-NMR eine Art Quantensprung. Es konnten nun sehr komplexe Strukturen relativ einfach identifiziert werden.

Bildgebende Verfahren – früher "unwichtig"

Peter Christian Lauterbur (geb. 1929) von der Universität von Illinois in Urbana (USA) hatte sich in den Sechzigerjahren damit nicht zufrieden gegeben. Er wollte seine Proben zweidimensional abbilden. Dazu überlagerte er das homogene Magnetfeld mit räumlich genau definierten zusätzlichen Magnetfeldern (Magnetfeldgradienten). Da unter diesen Bedingungen die fraglichen Atomkerne an jedem Raumpunkt andere Resonanzfrequenzen besitzen, lassen sie sich genau lokalisieren.

Als Lauterbur 1972 seine erste Aufnahme gelang, wollte er seine grandiosen Ergebnisse stolz in "Nature" publizieren. Doch seine Arbeit wurde zunächst als nicht wichtig genug empfunden und abgelehnt. Lauterbur musste die Veröffentlichung überarbeiten.

Auch Peter Mansfield (geb. 1933) ärgert sich noch heute über die seinerzeitige Ignoranz. Als er die Magnetresonanztomographie mit variierenden Magnetfeldern und mathematischen Verfahren praxisreif machte, wurde dem zunächst nur wenig Interesse entgegengebracht.

Denn Anfang der Siebzigerjahre sprach alle Welt vom CAT-Scanning, der computergestützten Tomographie mit Röntgenstrahlen. Heute sind diese Verfahren nicht nur nicht mehr wegzudenken aus dem medizinischen Alltag, sie werden auch permanent erforscht und weiterentwickelt.

Heute unentbehrlich für die Grundlagenforschung

Die NMR ist aber längst ein Mittel der Grundlagenforschung geworden. Vor allem die Analyse von Makromolekülen wie Proteinen oder DNA ist ein wichtiges Forschungsgebiet. Zur dreidimensionalen Entschlüsselung solch komplexer Moleküle werden am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Tripelresonanzexperimente durchgeführt, die dreidimensionale Bilder liefern sollen.

Dazu wenden die Forscher einen Trick an. Sie ersetzen den normalen Stickstoff teilweise durch das Isotop N-15, das sich aufgrund der ungeraden Nukleonenzahl (s. o.) mit der NMR sichtbar machen lässt, und können so die Makromoleküle stückchenweise analysieren. (Der Austausch der N-Isotope im Protein erfolgt schon bei dessen Synthese in der Labormaus, die mit entsprechenden Aminosäuren gefüttert wird.)

Mit der NMR-Spektroskopie lassen sich mittlerweile sogar aktive Proteine beobachten. Bettet man sie in eine Membran ein, sind sie ähnlich frei beweglich wie in vivo, aber besser beobachtbar. Mit ausgeklügelten Messverfahren wird nun die Konformationsänderung der Proteine erforscht.

So lässt sich zum Beispiel zeigen, wie ein potenzieller Wirkstoff an dem Protein Tubulin, dem Baustoff der Mikrotubuli, andockt. Funktioniert der Aufbau und Abbau der Mikrotubuli nicht, geht die Zelle zugrunde, sobald sie sich zu teilen versucht. Solche Vorgänge beobachtbar machen zu können, lässt für die Chemotherapie von Krebserkrankungen einiges erhoffen.

Die Festkörper-NMR macht es möglich, die Zellmembran mit ihren wichtigen Signal- und Membranproteinen zu untersuchen. Den Forschern des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie ist es gelungen, die Struktur des Spectrins, eines Pro-teins, das die roten Blutkörperchen in Form hält, zu analysieren.

MRT für Hirn und Herz

Es wurden bisher keine schädigenden Wirkungen der starken Magnetfelder beobachtet. Nicht nur deshalb hat die MRT ihren Siegeszug durch die Diagnostikräume noch lange nicht beendet. Denn die Methode wird weiter verfeinert und erforscht. Offene MR-Systeme erlauben es, in der Röhre liegenden Patienten Proben zu entnehmen oder diese sogar zu operieren.

Mit der MRT wird bereits seit Jahren die Struktur des Gehirns intensiv untersucht. Schnitte dieses wichtigen Körperteils zieren mittlerweile viele Plakate und Werbegraphiken.

Immer mehr rückt jedoch das Herz in den Mittelpunkt. An diesem anderen zentralen Organ kann das Schlagen des Muskels und seine Dynamik direkt beobachtet und diagnostiziert werden.

Die MRT dient auch zur Verlaufskontrolle beispielsweise bei Multipler Sklerose. Die medikamentöse Wirkung lässt sich gut beobachten und dokumentieren. Tumoren lassen sich mittels MRT genau lokalisieren und dann entfernen.

Damit sind die Wünsche der Forscher und Mediziner aber noch nicht zu Ende. Eines Tages soll die MRT während der Operation aktuelle Bilder liefern. Doch soweit ist es noch nicht.

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht auch im Jahre 2003 nicht an Mediziner, sondern an den US-amerikanischen Chemiker Paul Lauterbur und den britischen Physiker Sir Peter Mansfield. Die beiden begründeten das heute aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenkende Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT), die als unschädliches bildgebendes Verfahren die medizinische Diagnostik revolutioniert hat.

Biomolekulare NMR Die biomolekulare kernmagnetische Resonanzspektroskopie ist von zentraler Bedeutung für die Aufklärung der Funktion und Struktur biologischer Makromoleküle wie z. B. Proteinen, RNA und DNA. Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms gilt das Interesse den Genprodukten, den Proteinen. Deren Struktur bildet gewissermaßen die andere, von vielen als bedeutender angesehene Seite der Medaille bei der Entschlüsselung der genomischen Information. Quelle: www.bmrz.uni-frankfurt.de

MRT und Medizin 60 Millionen medizinische Aufnahmen sollen heute jährlich mit der Magnetresonanztomographie gemacht werden.

NMR im Netz Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut) www.mpibpc.gwdg.de

NMR Structural Biology in Life Sciences in the Post-Genomic Era Infrastructure Cooperation Network – An initiative to improve the visibility of the European NMR community www.postgenomicnmr.net

BMRZ Center for Biomolecular Magnetic Resonance der Universität Frankfurt am Main www.bmrz.uni-frankfurt.de

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