Brintellix®

Vortioxetin

01.05.2015


Mehr als ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
Episoden einer schweren Depression (Major Depression) bei Erwachsenen können nun mit Vortioxetin (Brintellix®), einem Serotonin(5-HT)-Wiederaufnahmehemmer und Modulator an Serotonin-Rezeptoren, behandelt werden. Das neue Antidepressivum soll wegen fehlender kardialer Nebenwirkungen, Gewichtszunahmen und Absetzreaktionen vergleichsweise gut verträglich sein.

Vortioxetin 

ATC-Code

N: Nervensystem


N06: Psychoanaleptika


N06A: Antidepressiva


N06AX: Andere Antidepressiva


N06AX26: Vortioxetin


Wirkungsmechanismus

Das Antidepressivum Vortioxetin hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin (5-HT) in die Präsynapse und wirkt zusätzlich als Agonist an 5-HT1A-Rezeptoren, als partieller Agonist an 5-HT1B-Rezeptoren sowie als Antagonist an 5-HT3-, 5-HT7- und 5-HT1D-Rezeptoren. Weiterhin wurde eine Beeinflussung der noradrenergen, dopaminergen, cholinergen, histaminergen sowie der GABAergen und glutamatergen Neurotransmission nachgewiesen. Neben ihrer antidepressiven Wirkung führt die Substanz zu einer Verbesserung der kognitiven Funktion, des Lernens und Gedächtnisses. Bislang ist jedoch unklar, welche der neben der Serotonin-Wiederaufnahmehemmung beobachteten Effekte zur Wirkung von Vortioxetin letztendlich relevant beitragen. Möglicherweise verstärkt der Agonismus an 5-HT1A-Rezeptoren den antidepressiven Effekt. Vermutlich trägt der Antagonismus an 5-HT3-Rezeptoren zur guten Verträglichkeit bei.

Pharmakokinetik

Resorption: Nach peroraler Gabe werden erst nach sieben bis elf Stunden maximale Plasmaspiegel gemessen. Die Bioverfügbarkeit von Vortioxetin beträgt 75%.


Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung liegt bei 98 bis 99%, das Verteilungsvolumen ist mit etwa 37 l/kg sehr groß.


Metabolismus: Die Biotransformation erfolgt über die Leber, hauptsächlich unter Beteiligung von CYP2D6, in geringerem Ausmaß auch über CYP3A4/5 und CYP2C9. Im Wesentlichen entstehen Oxidationsprodukte, die nachfolgend mit Glucuronsäure konjugiert werden.


Exkretion: Die Ausscheidung von Vortioxetin erfolgt überwiegend in Form von Metaboliten, zu etwa zwei Drittel renal und zu etwa einem Drittel mit den Fäzes. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 66 Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Initial- und Erhaltungsdosis liegt für Erwachsene unter 65 Jahren bei einmal täglich 10 mg. Bei Patienten über 65 Jahren sollten 5 mg als Anfangsdosis eingesetzt werden. In Abhängigkeit vom Ansprechen ist eine Anpassung der Tagesdosis auf maximal 20 mg oder minimal 5 mg möglich. Bei gleichzeitiger Behandlung mit starken CYP2D6-Inhibitoren kann eine Dosisreduktion, mit Cytochrom-P450-Induktoren eine Dosiserhöhung erforderlich sein (s. Wechselwirkungen). Nach Abklingen der Symptome sollte die Behandlung über mindestens weitere sechs Monate fortgeführt werden. Ein abruptes Absetzen der Medikation ist ohne Gefahr von Absetzreaktionen möglich.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Vortioxetin oder gleichzeitiger Anwendung mit nicht-selektiven oder selektiven MAO-A-Hemmern besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Behandlung mit Vortioxetin kommt es sehr häufig zu Übelkeit. Häufig treten verminderter Appetit, abnorme Träume, Schwindelgefühle, Diarrhö, Obstipation, Erbrechen und generalisierter Pruritus auf. Gelegentlich wurde über Zähneknirschen, Hitzegefühl und nächtliche Schweißausbrüche berichtet. Weiterhin muss mit potenziell lebensbedrohlichen Serotonin- oder malignen neuroleptischen Syndromen gerechnet werden.

Wechselwirkungen

Nicht-selektive MAO-Hemmer wie Linezolid und selektive MAO-A-Hemmer wie Moclobemid können zusammen mit Vortioxetin ein möglicherweise tödlich verlaufendes Serotonin-Syndrom auslösen. Zwischen der Behandlung mit Vortioxetin und diesen Substanzen müssen daher mindestens 14 Tage liegen. Bei irreversiblen, selektiven MAO-B-Hemmern wie Selegilin oder Rasagilin ist das Risiko geringer. Auch die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln mit serotonerger Wirkung wie Tramadol, Triptanen oder Johanniskraut kann zu einem Serotonin-Syndrom führen. Bei gemeinsamer Anwendung mit Substanzen, die wie Bupropion, Mefloquin oder verschiedene Neuroleptika die Krampfschwelle herabsetzen, ist durch Vortioxetin eine Auslösung von Krampfanfällen möglich. CYP2D6-Inhibitoren wie Bupropion, Chinidin, oder Fluoxetin können zu einer Verlangsamung der Biotransformation von Vortioxetin führen und somit dessen Wirkung und Toxizität relevant verstärken. Cytochrom-P450-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin oder Phenytoin bewirken dagegen eine Beschleunigung der Vortioxetin-Biotransformation und somit möglicherweise eine Reduktion der antidepressiven Wirkung. Bei Anwendung von Vortioxetin in Kombination mit Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern muss mit einem erhöhten Blutungsrisiko gerechnet werden. Bei gleichzeitiger Anwendung von Vortioxetin mit Lithium oder Tryptophan ist wegen einer möglichen gegenseitigen Wirkungsverstärkung Vorsicht geboten.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Patienten, die während der Therapie in eine manische Phase übergehen, muss Vortioxetin abgesetzt werden. Zu Behandlungsbeginn besteht insbesondere bei jüngeren Patienten die Gefahr von suizidalen Verhaltensweisen, eine engmaschige Überwachung ist daher angeraten. Auch bei Patienten mit Krampfleiden oder instabiler Epilepsie ist wegen der Möglichkeit einer Anfallsauslösung Vorsicht geboten. Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie von Patienten mit Leber- oder schwerer Niereninsuffizienz liegen nur wenige Daten vor.

Schwangerschaft und Stillzeit

Vortioxetin sollte wegen begrenzter Erfahrungen während der Schwangerschaft nur bei zwingendem Erfordernis eingesetzt werden. Insbesondere bei einer Anwendung im 3. Trimenon muss beim Neugeborenen mit Zyanose, Apnoe, Krampfanfällen, Instabilität der Körpertemperatur, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, Erbrechen, Hypoglykämie, Hypertonie, Hypotonie, Hyperreflexie, Tremor, Lethargie, anhaltendem Weinen und Schlafstörungen gerechnet werden. Ebenso kann das Risiko für eine persistierende pulmonale Hypertonie beim Neugeborenen erhöht sein. Vortioxetin und seine Metaboliten gehen im Tierexperiment in die Milch über. Da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf den Menschen zutrifft, muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung mit Vortioxetin verzichtet werden soll.

Handelspräparat Brintellix® 

Hersteller

Lundbeck GmbH, Hamburg

Einführungsdatum

01. Mai 2015

Zusammensetzung

Filmtabletten: 5 mg; 10 mg; 15 mg bzw. 20 mg Vortioxetin als Hydrobromid

Sonstige Bestandteile

Mannitol (Ph. Eur.) (E 421), mikrokristalline Cellulose, Hyprolose, Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) (Ph. Eur.), Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Hypromellose, Macrogol 400, Titandioxid (E 171) sowie Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2O (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172);


Tropfen: 20 mg Vortioxetin als Vortioxetinlactat pro ml Lösung; sonstige Bestandteile: Hydroxypropylbetadex, Ethanol (96%), gereinigtes Wasser

Packungsgrößen, Preise, PZN

5 mg: 28 Filmtabletten, 37,89 Euro, PZN 10410319; 98 Filmtabletten, 105,16 Euro, PZN 10410331;
10 mg: 28 Filmtabletten; 64,80 Euro, PZN 10410354; 98 Filmtabletten, 199,31 Euro, PZN 1041036;
20 mg: 28 Filmtabletten; 118,61 Euro, PZN 10410383; 98 Filmtabletten 387,64 Euro, PZN 10410408;
20 mg/ml: 15 ml Tropfen zum Einnehmen, Lösung, 68,64 Euro, PZN 10410420

Indikation

zur Behandlung von Episoden einer schweren Depression (Major Depression) bei Erwachsenen

Dosierung

Die empfohlene Dosis bei Erwachsenen unter 65 Jahren beträgt 10 mg Vortioxetin einmal täglich. Abhängig vom Ansprechen des Patienten kann auf maximal 20 mg einmal täglich erhöht oder auf minimal 5 mg einmal täglich reduziert werden. Bei Patienten ≥ 65 Jahren sollte stets die niedrigste wirksame Dosis von 5 mg einmal täglich als Anfangsdosis verwendet werden.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff; gleichzeitige Anwendung mit nicht-selektiven oder selektiven MAO-A-Hemmern wegen der Gefahr eines Serotonin-Syndroms

Unerwünschte Wirkungen

Die Nebenwirkungen waren im Allgemeinen vorübergehend und führten gewöhnlich nicht zu einem Therapieabbruch. Gastrointestinale Nebenwirkungen, wie z. B. Übelkeit, traten bei Frauen häufiger auf als bei Männern.

Wechselwirkungen

Vortioxetin wird extensiv durch CYP2D6 und in geringerem Ausmaß durch CYP3A4/5 und CYP2C9 metabolisiert. Potente Induktoren und Inhibitoren können daher die Biotransformation der Substanz relevant reduzieren oder verstärken und somit zur Wirkungsverstärkung oder -abschwächung führen. Antidepressiva mit serotonerger Wirkung setzen unter Umständen die Schwelle für Krampfanfälle herab und sollten daher mit ebenfalls potenziell krampfauslösend wirkenden Präparaten wie Neuroleptika oder Tramadol mit Vorsicht eingesetzt werden.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Vor allem bei Patienten mit hohem Suizidrisiko sollte die Therapie mit Vortioxetin, insbesondere zu Beginn der Behandlung und nach Dosisanpassungen, engmaschig überwacht werden. Auch bei Patienten mit Krampfanfällen in der Vorgeschichte oder instabiler Epilepsie muss die Therapie mit Vorsicht eingeleitet werden. Unter Behandlung mit Vortioxetin können ein Serotonin- oder ein malignes neuroleptisches Syndrom auftreten, beide sind potenziell lebensbedrohende Erkrankungen. Daten für Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen sind nur in begrenztem Umfang verfügbar.

Literatur

[1] Fachinformation, Brintellix Filmtabletten, Tropfen zum Einnehmen; Stand Februar 2015


[2] Schatzberg AF, Blier P, Culpepper L, Jain R et al. An overview of vortioxetine. J Clin Psychiatry 2014;75(12):1411-1418


[3] Meeker AS, Herink MC, Haxby DG, Hartung DM. The safety and efficacy of vortioxetine for acute treatment of major depressive disorder: a systematic review and meta-analysis. Syst Rev 2015;4(1):21


[4] EPAR summary for the public. Brintellix® Vortioxetin. EMA/3075/2014; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2015-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

06/2015

Apothekerin Dr. Monika Neubeck