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Akademische Karrieren

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg sowohl die Zahl der weiblichen Studierenden und Apothekeninhaberinnen als auch – wenngleich langsamer – der Anteil an Professorinnen.

Ab 1920 konnten sich Frauen an deutschen Universitäten habilitieren – damit war auch die Voraussetzung für weibliche Professoren gegeben. Zehn Jahre später war es in der Pharmazie erstmals so weit: In Hamburg gelang der Apothekerin Ilse Esdorn mit einer Arbeit über die Hartschaligkeit der gelben Lupine am Staatsinstitut für angewandte Botanik der Einstieg in eine wissenschaftliche Karriere in der Pharmakognosie (Drogenkunde).


Frauen in der Pharmazie


Teil 1: DAZ 2012, Nr. 51, S. 81

Teil 2: DAZ 2013, Nr. 4, S. 85

oder unter www.adexa-online.de

Ilse Esdorn (1897 – 1985)

Die Kaufmannstochter Ilse Esdorn wurde 1897 in Braunschweig geboren und besuchte dort das Herzogin-Elisabeth-Lyzeum. Ihre pharmazeutische Lehrzeit absolvierte sie in Bergedorf und Braunschweig, wo sie 1918 ihr pharmazeutisches Vorexamen ablegte. Anschließend arbeitete sie als Apothekengehilfin in Rostock – eine Voraussetzung für das Pharmaziestudium.

Bei den Pharmaziestudierenden war der Frauenanteil inzwischen auf immerhin zehn Prozent angestiegen und lag damit sogar geringfügig über dem Schnitt sämtlicher Studierender. Trotzdem dürften es die Kommilitoninnen in dem damals noch männlich dominierten akademischen Umfeld schwergehabt haben.

Nach dem pharmazeutischen Staatsexamen (1922 in Braunschweig) war Esdorn Assistentin und Doktorandin des Botanikers und Phytopathologen Prof. Gustav Gassner an der TH Braunschweig. Ihre Dissertation schrieb sie über "Untersuchungen über Einwirkung von Röntgenstrahlen auf Pflanzen".

1927 ging Esdorn nach Hamburg und war als wissenschaftliche Angestellte an der Universität tätig. Von 1932 bis 1940 hatte sie einen Lehrauftrag für Pharmakognosie, hielt Vorlesungen über die "Grundzüge des Arzneipflanzenbaus" und führte Heilkräuterexkursionen für Mediziner durch.

Die Ernennung zur Beamtin wurde ihr 1936 verweigert, weil im Nationalsozialismus Frauen in höheren Positionen unerwünscht waren. 1937 trat sie selbst in die NSDAP ein. Als zwei Jahre später die Fachrichtung Pharmazie in Hamburg eingestellt wurde, wechselte Esdorn als Abteilungsleiterin ans "Reichsinstitut für ausländische und koloniale Forst- und Holzwirtschaft" in Reinbek bei Hamburg, wo sie 1941 zur außerplanmäßigen Professorin ernannt wurde.

1950 kehrte Ilse Esdorn ans Institut für Angewandte Botanik in Hamburg zurück. Dort hat sie sich besonders mit den Heil- und Nutzpflanzen des tropischen Afrika beschäftigt und dazu diverse Forschungsreisen unternommen. 1961 erschien ihr Lehrbuch "Die Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen der Weltwirtschaft". Andere Veröffentlichungen der 50er und 60er Jahre betreffen die Biosynthese von ätherischen Ölen, die Arzneipflanzen Rauwolfia, Fagopyrum (Buchweizen) und Ginseng sowie Pilze als Erreger von Allergien (DAZ, 1968).

Bis zu ihrer Pensionierung, 1962, betreute sie als Leiterin der Abteilung Pharmakognosie zahlreiche Studierende und Doktoranden, darunter auch viele junge Frauen. In einem Nachruf wurden ihr "Verständnis für ihre Schüler und ihre soziale Aktivität gegenüber den Studierenden insgesamt (z. B. als Betreuerin von Studentenwohnheimen)" hervorgehoben und ihr "Engagement für die Gleichberechtigung der Frau in wissenschaftlichen Berufen" gewürdigt. 1982 wurde Ilse Esdorn Ehrenmitglied der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.

Elsa Ullmann (1911 – 2010)

Auch Elsa Ullmann war eine Wegbereiterin für Frauen in der akademischen Welt der Pharmazie, und zwar in dem neuen Fach Pharmazeutische Technologie. Die Tochter eines Geheimen Rechnungsrevisors wuchs in Potsdam auf. Für die Pharmazie entschied sie sich, "weil die Ausbildung zur Apothekerin kurz und kostengünstig war", was angesichts der langen Lehr- und Gehilfenzeit vor dem Studium aus heutiger Sicht verwundert. Auch war es 1930, als sie ihr Abitur absolvierte, durch die Arbeitslosigkeit schwierig, überhaupt eine Ausbildungsapotheke zu finden. Von 1931 an war Ullmann zunächst als Praktikantin und nach dem Vorexamen als Gehilfin in Bartenstein (Ostpreußen) tätig, bevor sie 1933 nach Potsdam in die Cecilien-Apotheke zurückkehrte. Ein Jahr später begann sie in Berlin zu studieren, u. a. bei dem pharmazeutischen Chemiker Carl Mannich (Mannich-Reaktion = Aminoalkylierung CH-acider Verbindungen).

Nach dem Staatsexamen, 1936, unterbrach sie ihre universitäre Laufbahn aus finanziellen Gründen und arbeitete in einer Apotheke. Rückblickend schrieb sie dazu 1994: "Obwohl ich versuchte, mein Wissen umzusetzen, wurde mir klar, dass die Arbeit in einer öffentlichen Apotheke keine befriedigende Zukunftsperspektive bot."

Glücklicherweise fand sie nach drei Jahren eine Assistentenstelle bei Prof. Eugen Bamann in Tübingen, wo sie den pharmazeutischen Nachwuchs in einem galenischen Labor unterrichtete und promoviert wurde. Mit Bamann ging Ullmann 1941 an die Prager Universität – und wurde dort als Deutsche nach Kriegsende wie dieser inhaftiert. Im April 1946 wurde sie aus der Gefangenschaft nach Hessen entlassen. Von Kassel zog Elsa Ullmann 1948 nach München – wiederum als wissenschaftliche Assistentin von Eugen Bamann. Im folgenden Jahr begann sie mit dem Aufbau der Abteilung für Pharmazeutische Technologie, für deren Unterricht sie acht Jahre allein zuständig war. 1953 habilitierte sie sich in diesem Fach mit einer Studie über pflanzliche Lipasen – es war die erste Habilitation in Pharmazeutischer Technologie überhaupt. 1961 folgte die Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin. Aber erst 1979 wurde sie mit 66 Jahren auf den Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie berufen (zwei Jahre vor ihrer Emeritierung). Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage, ob dies einem männlichen Kollegen mit gleicher Qualifikation wohl ähnlich ergangen wäre.


Literatur


Vortrag von Prof. Dr. Christoph Friedrich am 11. 12. 2012 in Hamburg in der Vortragsreihe der DPhG-Landesgruppe Hamburg


C. Friedrich: Forscher, Künstler, Unternehmer – Apothekerkarrieren aus vier Jahrhunderten. Govi-Verlag, Eschborn 2012


G. Beisswanger et al.: Frauen in der Pharmazie. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2001


Dr. Sigrid Joachimsthaler



DAZ 2013, Nr. 7, S. 85

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