Arzneimittel und Therapie

Neues Antihypertonikum für Risikopatienten

Daglutril schützt bei Nephropathie

Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems stellen eine sichere und wirksame Option der Hypertoniebehandlung bei Diabetespatienten dar. Bei unzureichender Einstellung der Blutzuckerwerte können sich jedoch diabetische Nephropathien entwickeln, sodass etablierte Behandlungen keine ausreichende Blutdrucksenkung erzielen. Daher wurde nun Daglutril als neuartiges Antihypertonikum getestet und potenziell protektive Effekte bei diabetischen Spätfolgen evaluiert.

Bluthochdruck bei gleichzeitig bestehendem Diabetes mellitus stellt ein besonderes Krankheitsbild dar, das mit einem erhöhten Risiko an Makroangiopathien einhergeht und Herzinfarkt, Lungenödem oder Schlaganfall zur Folge haben kann. Patienten mit fortgeschrittener Nierenschädigung zeigen aufgrund pathologischer Organveränderungen eine geringe Ansprechrate auf ACE-Hemmer bzw. AT2-Rezeptor-Blocker, sodass die antihypertonen Effekte konventioneller Therapeutika selten erreicht werden.

Zur Regulierung des Blutdrucks sind neben den Substanzen des Renin-Angiotensin-Systems auch vasoaktive Peptidhormone aus dem Endothel von entscheidender Bedeutung. Endothelin-1 (END-1) ist ein hochwirksamer Vasokonstriktor, dessen biologische Verfügbarkeit über Konversionsenzyme (ECE, Endothelin-konvertierendes Enzym) gesteuert wird. Diese spalten das inaktive Prohormon big-Endothelin in biologisch aktives END-1 [1]. Neben vasokonstriktorischen Effekten zählen auch Zellproliferation und -hypertrophie der Herzmuskelzellen sowie die Verringerung des renalen Blutflusses und der glomerulären Filtrationsrate zu den typischen Wirkungen von END-1.Zusätzlich nehmen auch natriuretische Peptide Einfluss auf den Gefäßdruck. Atriale natriuretische Peptide (ANP), brain natriuretische Peptide (BNP), C-Typ natriuretische Peptide (CNP), Dendroaspis natriuretische Peptide (DNP) sowie Urodilatin senken den Blutdruck durch Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate der Nieren bei gleichzeitiger Reduktion der Natrium- und Wasser-Rückresorption. Des Weiteren wird die Gefäßpermeabilität erhöht und das intravasale Volumen erniedrigt. Antifibrotische und antihypertrophe Wirkungen antagonisieren darüber hinaus die Effekte von END-1 am Herzen [2].

Natriuretische Peptide werden hauptsächlich durch eine er-höhte Dehnung des Vorhofes freigesetzt, jedoch können auch END-1 bzw. Angiotensin 2 die Sekretion von atrialen natriuretischen Peptiden induzieren und somit eine überschießende vasokonstriktorische Wirkung durch negative Rückkopplung vermeiden. Der Abbau der natriuretischen Peptide erfolgt unter anderem über die neutrale Endopeptidase (NEP), welche die Ringstruktur der Peptide zerstört [3], darüber hinaus aber auch am Abbau von END-1 und Angiotensin 2 beteiligt ist.

Dualer Angriff mit Daglutril

Die Hemmung der neutralen Endopeptidase (NEP) wurde aufgrund der dadurch erzielten Verstärkung diuretischer, natriuretischer und vasorelaxierender Effekte der endogenen natriuretischen Peptide als potenzielles Target zur Senkung des Blutdrucks erkannt, jedoch konnte keine ausreichende antihypertensive Wirksamkeit erreicht werden. Die alleinige Hemmung der NEP erhöhte gleichzeitig die Konzentration an vasokonstriktorischen Peptiden wie END-1. Daher konzentrierte sich die pharmazeutische Forschung auf Hemmstoffe mit dualem Wirkprinzip, die neben der NEP auch Peptidasen des Endothelin-Systems inhibieren [4]. Theoretische Vorteile dieser Substanz wären die Unterbindung proinflammatorischer und profibrotischer Wirkungen von END-1 bei gleichzeitig erhöhter Wirksamkeit natriuretischer Peptide. Die gefäßerweiternden, antihypertrophen und antifibrotischen Effekte würden neben der Blutdrucksenkung auch die Verschlechterung von Folgeschäden an Zielorganen unterdrücken können. Daglutril, ein neuartiger Wirkstoff der Klasse der dualen Vasopeptidase-Inhibitoren, hemmt sowohl die neutrale Endopeptidase sowie das Endothelin-konvertierende Enzym und stellt somit einen Therapieansatz für Bluthochdruckpatienten mit bereits bestehenden Nierenschäden dar, bei denen konventionelle Therapeutika wie ACE-Hemmer bzw. AT2-Antagonisten nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Um die Frage der Blutdrucksenkung bei Patienten mit fortgeschrittener Nephropathie zu adressieren, wurde eine randomisierte, placebokontrollierte, doppelt-verblindete Cross-over-Studie durchgeführt, die im Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht wurde [5]. Hierfür wurden insgesamt 45 Typ-2-Diabetiker mit nachgewiesener Albuminurie für acht Wochen entweder mit 300 mg/d Daglutril (22 Patienten) oder Placebo (21 Patienten) therapiert, wobei nach anschließender Auswaschphase beide Studiengruppen zusätzlich die jeweils andere Behandlungsart erhielten. Als Basistherapie diente bei allen Patienten durchgehend eine konventionelle Behandlung mit dem AT2-Antagonisten Losartan. Primärer Endpunkt der Studie war die Reduktion der renalen Albuminausscheidung als Parameter für die gestörte Nierenfunktion. Als sekundäre Endpunkte galten sowohl die ambulant und stationär gemessenen Blutdrucksenkungen (morgens und abends) sowie die renale Hämodynamik bzw. Filterfunktion.

Das Primärziel dieser Studie, eine signifikante Reduktion der renalen Albuminausscheidung, konnte nicht erreicht werden (Unterschied -7,6 µg/min, IQR -78,7 bis 19,0; p = 0,559). Eine Daglutril-Behandlung zeigte jedoch eine signifikante Senkung des systolischen und diastolischen Blutdrucks bei Tag sowie bei Nacht, welche bei Patienten mit bestehender Nephropathie schwer zu erreichen ist und daher eine beachtliche Verbesserung darstellt [6].

Die unveränderte Albuminurie wird von den Autoren auf die erhöhte Aktivität von pro-atrialen natriuretischen Peptiden zurückgeführt, welche die glomeruläre Permeabilität von Makromolekülen erhöhen. Der Effekt der geringeren END-1-Aktivität und somit der Reduktion der Nierendurchblutung sowie postglomerulären Vasodilatation würde dadurch ausgeglichen. Natriuretische Peptide könnten ebenso eine präglomeruläre Vasodilatation induzieren und somit die unveränderte Filtrations- und Perfusionsrate trotz der beobachteten Blutdrucksenkung erklären. Ob höhere Dosen an Daglutril bzw. eine längere Einnahmedauer eine bestehende Albuminurie verringern kann, werden weitere Studien klären müssen. Die bisherigen Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass duale Vasopeptidase-Inhibitoren eine neue Therapieoption bei Hypertoniepatienten darstellen, die aufgrund pathologischer Organschäden keine ausreichende Blutdrucksenkung durch konventionelle Therapien erreichen. 

Quelle

[1] Rubanyi GM, Polokoff MA. Endothelins: molecular biology, biochemistry, pharmacology, physiology, and pathophysiology. Pharmacol Rev, 1994; 46, 325–415.

[2] Burnett, JC, Costello-Boerrigter LC, Boerrigter G. Alterations in the kidney in heart failure: the cardiorenal axis in the regulation of sodium homeostasis. In Mann, DL (Ed.) Heart Failure: a companion to Braunwald‘s heart disease. Philadelphia, Elsevier Inc. (2004).

[3] Mair J. Review: Biochemistry of B-type natriuretic peptide – where are we now? Clin Chem Lab Med 2008.

[4] Stölting P. Bluthochdruck – Neue Medikamente, Verfahren und Geräte Ars Medici 2012; 21, 1154–1158.

[5] Parvanova, A., van der Meer, I., Iliev, I. et al. Effect on blood pressure of combined inhibition of endothelin-converting enzyme and neutral endopeptidase with daglutril in patients with type 2 diabetes who have albuminuria: a randomised, crossover, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol; published online June 2013 DOI: 10.1016/S2213-8587(13)70029-9

[6] Laurent, S. Daglutril for treatment of renal damage in hypertensive patients with type 2 diabetes: disappointment or hope? Lancet Diabetes Endocrinol; published online June 2013 DOI: 10.1016/S2213-8587(13)70036-6

 

Apotheker André Said

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