Art der Veröffentlichung
Update der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Verdauungssystems. Zum typischen Beschwerdebild gehören Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen und Stuhlgangsveränderungen wie z. B. Diarrhö und/oder Obstipation. Die erste deutsche S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom stammt aus dem Jahr 2011. Im Juli 2021 wurde, basierend auf neuesten Erkenntnissen, eine aktualisierte Version der Leitlinie publiziert. Neben einem Überblick über die Bereiche Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms aus der aktuellen Leitlinie soll im Folgenden auch die Therapie von Schmerzen und Blähungen als Symptomen des Reizdarms dargestellt werden.
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Update der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (RDS) zählt zu einer der häufigsten Erkrankungen des Verdauungssystems und kann immer wieder zu Arztbesuchen führen. Die Erkrankung betrifft etwa 11 % der Weltbevölkerung, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind. Eine oft langwierige Diagnosestellung und verschiedenste Therapieversuche können für die Betroffenen sehr belastend sein. Erschwerend kommt die Chronizität der Krankheit hinzu. Damit kann die private und berufliche Lebensführung sowie die Lebensqualität von vielen betroffenen Patientinnen und Patienten stark eingeschränkt sein.
An der Definition des RDS hat sich auch in der neuen S3-Leitlinie nichts geändert. Für die klinische Einordnung des Krankheitsbilds müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
In die neue Leitlinie wurden eine Vielzahl neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse eingearbeitet. Trotzdem bleibt das RDS ein komplexes und multifaktoriell bedingtes Krankheitsbild. Dem Mikrobiom und der Darm-Hirn-Achse werden bei der Genese des RDS zentrale Rollen eingeräumt. Diese Erkenntnis fand auch Eingang in die von dem internationalen Expertengremium „Rome Foundation“ entwickelten Diagnosekritierien. Der Begriff „Functional Gastrointestinal Disorders“ erhielt in den aktuellen Rome IV-Kriterien den Untertitel „Disorders of the gut brain interaction“.
Hinsichtlich der Symptomatik unterscheidet man zwischen verschiedenen Subtypen des RDS. Beim Obstipations-Typ steht die Verstopfung als Symptom im Vordergrund, beim Diarrhoe-Typ der Durchfall, während sich beim Mischtyp beide Formen abwechseln. Zusätzlich wurden dem gemeinsamen Auftreten von Schmerzen und Blähungen beim RDS in der neuen Leitlinie stärkere Bedeutung beigemessen.
Aufgrund der Komplexität und der multifaktoriellen Ätiologie des RDS steht keine symptomatische Standardtherapie zur Verfügung. Es empfiehlt sich daher ein multimodaler Ansatz, der sich nach der jeweiligen Symptomatik richtet. Zunächst hat jede Therapie einen probatorischen Charakter. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Symptom-unabhängigen allgemeinen und Symptom-orientierten medikamentösen Therapieverfahren:
Symptom-unabhängige allgemeine Therapieverfahren können bei allen RDS-Subtypen angewendet und im Sinne eines multimodalen Therapiekonzepts untereinander bzw. mit medikamentösen Therapien kombiniert werden. Dazu zählen Ernährung, psychotherapeutische Verfahren, Probiotika und komplementäre Therapieverfahren wie Yoga, Akupunktur und Phytotherapie.
Die Auswahl der Symptom-orientierten medikamentösen Therapieverfahren erfolgt laut Leitlinie in Abhängigkeit von den vorliegenden Hauptsymptomen. Hier ist es wichtig, zwischen den einzelnen Subtypen (Obstipation/Diarrhoe/Mischtyp) sowie der Symptomkombination Schmerzen/Blähungen zu unterscheiden.
Zur Behandlung des Symptoms „Bauchschmerzen“ werden neben symptom-unabhängigen Maßnahmen (Modifikationen der Ernährung, psychotherapeutische Ansätze, Modulation des Darm-Mikrobioms durch Pro- oder Antibiotika, komplementäre Verfahren) Spasmolytika als symptomspezifischer medikamentöser Behandlungsansatz empfohlen. Diese Empfehlungen basieren auf Daten einer Cochrane-Metaanalyse. Zu den empfohlenen Spasmolytika zählen u.a. Butylscopolamin, Cimetropium, Pinaverium, Trimebutin, Otilinium, Hyoscin und Pfefferminzöl.
Daneben wird von den Autoren der Leitlinie Pfefferminzöl zur Therapie der RDS-Symptome „Schmerz“ und „Blähungen“ empfohlen. Laut Leitlinie gilt Pfefferminzöl als etabliertes, potentes Spasmolytikum mit „1A-Wirksamkeitsevidenz“. Die Autoren beziehen sich dabei auf die Ergebnisse zahlreicher klinischer Studien und Metaanalysen, die die Wirksamkeit von Pfefferminzöl in magensaftresistenten Kapseln zur Behandlung des Reizdarmsyndroms untermauern. Es zeigten sich signifikante Effekte hinsichtlich Bauchschmerzen und generellen RDS-Symptomen.
Erfahren Sie mehr über Selbstmedikation, untermauert mit wissenschaftlichen Studien zu Wirksamkeit, Sicherheit und...
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Andresen V et al. Reizdarmsyndrom: Aktuelle Empfehlungen für Diagnostik und Therapie in der neuen Leitlinie. Kompendium Gastroenterologie 2021;27-32
Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), 2021. AWMF-Registriernummer: 021/016
MAT-DE-2105447 V1.0 11/2021