Augen auf bei AV- und Nachfolgeartikeln
Das Vorhandensein eines Nachfolgeartikels wird in fast allen Fällen direkt beim Aufruf des AV-Artikels durch ein „N“ hinter der AV-Kennzeichnung sichtbar. Durch Klicken auf das „N“ wird dann die Nachfolge-PZN angezeigt. Oft öffnet sich im Kassendialog auch ein Fenster mit der Auswahlmöglichkeit, direkt den Nachfolgeartikel zu bestellen. Dies suggeriert, dass man diesen Artikel durch das ursprünglich verordnete und in die Apothekensoftware eingegebene Arzneimittel substituieren kann und darf. An dieser Stelle ist allerdings Vorsicht geboten, denn ein AV-Artikel kann nicht in jedem Fall durch seinen Nachfolgeartikel ersetzt werden, da nicht jeder Nachfolgeartikel aut-idem-konform zu seinem Vorgänger ist.
Gemäß § 9 Rahmenvertrag muss das für die Abgabe ausgewählte Fertigarzneimittel (Nachfolgeartikel) gegenüber dem ärztlich verordneten Fertigarzneimittel (Vorgängerartikel) folgende Kriterien erfüllen:
- gleicher Wirkstoff
- identische Wirkstärke
- identische Packungsgröße im Sinne des § 8 Rahmenvertrag
- gleiche oder austauschbare Darreichungsform
- Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet
Außerdem darf kein Verstoß gegen betäubungsmittelrechtliche Vorschriften vorliegen. Nachfolgend finden Sie einige Beispiele für nicht automatisch abgabefähige Nachfolgeartikel.
Nicht identische Packungsgröße
So hat zum Beispiel der Nachfolgeartikel zu Atorimib 10/10 100 St. N3 PZN 15387217 eine nicht identische Packungsgröße im Sinne des § 8 Rahmenvertrag. Der Nachfolgeartikel mit der PZN 17970932 trägt mit 90 Tabletten gar kein Normkennzeichen und ist daher nicht aut-idem-konform zu seinem Vorgängerartikel.
Zur Erinnerung: § 8 Abs. 3 Rahmenvertrag:
„Ist bei einer Verordnung eine N-Bezeichnung angegeben, stehen alle Packungen aus diesem N-Bereich zur Auswahl. Entspricht die nur nach Stückzahl verordnete Menge einem N-Bereich, stehen alle Packungen aus diesem N-Bereich zur Auswahl. Entspricht die nur nach Stückzahl verordnete Menge keinem N-Bereich, stehen ausschließlich Packungen mit der identischen Stückzahl zur Auswahl.“
Keine identische Wirkstärke
Der Nachfolgeartikel zu Skyrizi 75 mg Injektionslösung i. e. Fertigspritze 2 St. ILO PZN 15373617 (nicht mehr in der Taxe gelistet) hatte nicht nur eine abweichende Packungsgröße (1 Stück versus 2 Stück), sondern auch eine andere Wirkstärke. Es handelte sich beim Nachfolgeartikel um nur eine Spritze mit 150 mg Risankizumab. Dieser Nachfolgeartikel ist ebenfalls nicht aut-idem-konform zum Vorgänger (s. Abb. 1).

Abb. 1: Ausschnitt aus der Lauer-Taxe Online, Stand: Juni 2023
Unterschiedliche Zuordnung
Ein weiteres Beispiel war der Nachfolgeartikel von Tianeurax, der zwar ein identisches Normkennzeichen trug, aber aufgrund der enthaltenen Tablettenanzahl einer anderen Gruppe in der Packungsgrößenverordnung zugeordnet werden musste (s. Abb. 2 und Abb. 3).

Abb. 2: Ausschnitt aus der Lauer-Taxe Online, Stand: Februar 2023
Ein Austausch ist auch hier nicht möglich, denn nach § 18 Abs. 1 Rahmenvertrag umfasst der Auswahlbereich bei Verordnungen, die eine N-Bezeichnung enthalten, nur den N- Bereich, der sich aus der Eingruppierung des verordneten Arzneimittels in die Anlage der Packungsgrößenverordnung (PackungsV) ergibt.

Abb. 3: Ausschnitt PZN-Checkplus (DAP), Einordnung in die Packungsgrößen
Nachfolgeartikel ist kein Rabattartikel
Ein weiteres Beispiel wäre das bei der AOK (z. B. Baden-Württemberg) rabattierte, aber AV gemeldete Atorvastatin Axiromed 80 mg Filmtabletten N3 PZN 13896245. Auch hier kann nicht ohne Weiteres der Nachfolgeartikel mit der PZN 18303586 abgegeben werden. In diesem Fall ist der Nachfolger zwar aut-idem-konform zum Ausgangsartikel, aber bei der vorliegenden AOK nicht als rabattiert gemeldet. In diesem Fall müsste eines der vier preisgünstigsten aut-idem-fähigen Präparate vor dem nicht rabattierten Nachfolgeartikel abgegeben werden. Sollte der Nachfolgeartikel trotzdem entgegen der Abgaberangfolge des Rahmenvertrags abgegeben werden, so muss dies auf dem Rezept per Sonder-PZN und gegebenenfalls Vermerk dokumentiert und begründet werden.
Anderer Name und andere Hilfsmittelzusammensetzung
In guter Erinnerung dürften auch die Änderungen der Hilfsmittelzusammensetzung bei den Schilddrüsenhormonen sein. Auch hier wurde beim AV gemeldeten Berlthyrox der Nachfolgeartikel L-Thyroxin BC angezeigt. Ein abweichender Name stellt kein Problem dar, aber im Falle von Levothyroxin, einem Wirkstoff der Substitutionsausschlussliste, könnte die veränderte Zusammensetzung der Tabletten aufgrund des engen therapeutischen Fensters von Levothyroxin zu Veränderungen der Schilddrüsenstoffwechsellage führen. Der Hersteller hatte dazu umfangreich informiert, und auch ein Rote-Hand-Brief wies auf die notwendigen engmaschigen Kontrollen der Patienten während der Umstellungsphase hin. Es zeigt sich anhand dieser Beispiele, dass, auch wenn der Kassendialog die Bestellung eines Nachfolgeartikels anbietet, dies nicht immer die beste und vor allem nicht selten die falsche Entscheidung sein kann. Daher unser Rat: Augen auf bei Nachfolgeartikeln! Falls Sie sich unsicher sind, wenden Sie sich gerne mit an abgabeprobleme@deutschesapothekenportal.de. |
Heike Warmers, Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie (DAP)
DeutschesApothekenPortal
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