Corona-Impfen in der Apotheke: Welche sachlichen Argumente sprechen dagegen?
Zum Thema „Impfen in der Apotheke“, mehrere Beiträge in DAZ Nr. 49, u. a. „Apotheker mit Flugbegleitern verglichen“ auf Seite 18
Die Reaktionen einiger Ärzte zu dem Vorschlag „Impfen in der Apotheke“ war leider aufgrund meiner gemachten Erfahrungen mit der Ärzteschaft so zu erwarten. Der Inhalt und die Argumente sind an Lächerlichkeit und Arroganz nicht mehr zu überbieten. Ich möchte deshalb mit folgenden grundsätzlichen Feststellungen als „Flugbegleiter zum Piloten“ gegen eine solche ärztliche Unterstellung gegenüber uns Apothekern wie folgt Stellung nehmen:
1. Der Ärzte-Lobby scheint wohl entgangen zu sein, dass die Impfungen gegen Corona in anderen Ländern nachweislich ohne Probleme neben den Ärzten von Apotheken und Laien ohne ärztliche Bedenken vorgenommen werden. In den USA kann man sich auf Plätzen vor Supermärkten die Spritze in den aus dem Autofenster herausgehängten Arm sogar verabreichen lassen und anschließend die Fahrt ohne eine ärztliche Kontrolle und Probleme fortsetzen.
2. Das eigene Setzen von ambulanten Spritzen, u. a. von Insulin und Antikoagulanzien durch die Patienten selbst, wird von der Ärzteschaft aus Gründen der Rationalität und Wirtschaftlichkeit empfohlen.
3. Selbst in den Arztpraxen werden Spritzen und Blutentnahmen überwiegend von nichtärztlichem und angelerntem Personal vorgenommen.
Wo liegt da ein sachlich begründeter Unterschied für eine Impfung durch Apotheker gegen Corona mit einer polemischen Gleichstellung als Laien und sogar eines Fluglotsen anstelle eines Piloten?
Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Umgangsformen mit dem Setzen von Spritzen und Impfungen sollte sich die Ärzteschaft einmal ehrlich damit auseinandersetzen und in der Realität bleiben, bevor diese Apotheker in einer so polemischen Form diffamiert.
4. Die Aussagen des Laborarztes Bobrowski aus Schleswig-Holstein, dass Testungen auf SARS-CoV-2 eine rein ärztliche Leistung sind, die nicht in die Hände von Laien gehören und damit wohl auch noch Apotheker einschließt, kann ich nur als eine Anmaßung betrachten. Diese verdeckt bewusst ganz nebenbei die realistischen Abläufe in der Labormedizin.
Als ehemaliger Geschäftsführer einer ärztlichen Laborgemeinschaft kann ich dazu nicht schweigen, da ich dort ganz andere Abläufe im positiven und negativen Sinne erlebt habe. So wurden in diesem Bereich aus Gründen der Qualitätsverbesserung und Rationalisierung in den einzelnen Arztpraxen zunächst Laborgemeinschaften gegründet. In diesen arbeiteten auch an verantwortlicher Stelle neben Ärzten Apotheker, Chemiker und Biologen ohne Probleme.
Bemerkt sei, dass in anderen europäischen Ländern Apotheken klinische Laboranalysen durchführen und in unseren Kliniken auch Apotheker in diese aufgrund ihrer Ausbildung involviert sind.
Leider haben wir Apotheker trotz unserer Ausbildung das Gebiet der klinischen Chemie und den dafür gegebenen Möglichkeiten ihrer Ausübung, wie so vieles Andere auch, verschlafen. Von ärztlichem Standesdünkel und den daraus folgenden Standesvorschriften haben wir uns abschrecken lassen!
Aktuell haben Laborärzte darin einen Markt erkannt, der zu industriellen Großlaboren geführt und solche Laborgemeinschaften vom „Markt“ verdrängt oder in ihre „Obhut“ genommen hat. In diesen wird die klinische Chemie im Wesentlichen vollautomatisch und mit entsprechendem Profit betrieben. Daneben betreiben auch zunehmend in Deutschland und Europa nicht von Ärzten betriebene Großunternehmen solche Einrichtungen.
Bei solchen labortechnischen Dienstleistungen noch von einer rein ärztlichen Dienstleistung zu sprechen, konterkariert die aktuell vorgebrachten Aussagen von Ärztevertretern zum Impfen und Testen durch Apotheker in eklatanter Weise.
Claus Witte, Apotheker für Offizin- und Klinische Pharmazie, Gründau