Sind Ballaststoffe ein Ballast?
Die von Herrn Dr. A. Ströhle und Mitarbeitern in der DAZ vorgelegten Publikationen über „Gesundheitliche Effekte von Ballaststoffen“ (DAZ Nr. 31, S. 40; Nr. 32, S. 54) sind hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit, ihrer Übersichtlichkeit und ihrer wissenschaftlichen Qualität vorbildlich und bedürfen keiner Ergänzung. Als Basis für ernährungswissenschaftliche Bildungsprogramme sind sie auch wegen ihrer didaktischen Klarheit zu empfehlen.
Die Erfahrungen aus langjähriger Fortbildungstätigkeit auf diversen Ebenen des Gesundheitswesens veranlassen mich, der Kollegenschaft einen Vorschlag zur Terminologie anzubieten, der sich aus der Frage ergibt: Weshalb bezeichnen wir einen Teil der Nahrungsmittel als Ballaststoffe, obwohl sie keinen Ballast darstellen?
Der Begriff „Ballast“ ist negativ besetzt: unnützes Beiwerk, wertlose Fracht, Bürde, Last (althochdeutsch: schlecht). Der in der Ernährungswissenschaft gebrauchte Begriff Ballaststoff gewinnt an Wert in dem Maße, wie und was über das Kompositum in den betreffenden Zusammenhängen berichtet wird. Die Intensität der Akzeptanz des Begriffes durch die Mehrheit der Rezipienten wird durch die unbewusst beeinträchtigte Kognition im obigen Sinne mehr oder weniger negativ beeinflusst. Mir ist dieses Verständigungsproblem zwischen Autor bzw. Referent einerseits und Rezipienten andererseits häufig begegnet, weil offenbar Hörer oder Leser das zumindest unbewusst empfundene Negativum des Begriffes Ballast nicht tilgen (können).
Meine Intention ist, diesem Phänomen sinnvoll und konstruktiv zu begegnen, indem ich vorschlage, den Begriff „Ballaststoffe“ künftig durch den Terminus „Balancestoffe“ zu ersetzen. Dieser Terminus trifft die Situation inhaltlich und sprachlich besser als der hier infrage gestellte, da die mit ihm bezeichneten Nahrungsbestandteile optimal wirken, wenn sie in einem ausbalancierten Verhältnis zu den Nährstoffen vorliegen. Ströhle et al. belegen dies, wenn sie die negativen Begleitwirkungen von überdosierten Ballaststoffen beschreiben.
Liebe Kollegen und Leser, was spricht für oder gegen einen terminologischen Wechsel von „Ballaststoffe“ zu „Balancestoffe“ vor dem Hintergrund der ernährungsphysiologischen Realität und der sprachlichen Genauigkeit?
An Ihrem Beitrag hierzu bin ich sehr interessiert und freue mich auf Ihre Post an:
Dr. Otfried K. Linde, Frankenweg 5, 67246 Dirmstein, E-Mail: heide.linde@gmx.de
DAZ 2012, Nr. 34, S. 64