Feierliche Verabschiedung von Prof. Dr. Eugen Verspohl in den Ruhestand

Eugen Verspohl, Jahrgang 1947, hat seine pharmazeutische Laufbahn als Student an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster begonnen und ist nach einigen Zwischenstationen wieder an die WWU als Hochschullehrer zurückgekehrt.
Nach dem Vorexamen hat er 1968 das Studium der Pharmazie in Münster aufgenommen und nach drei Jahren mit der Approbation als Apotheker abgeschlossen. Anschließend ist er zur Promotion an die Universität Düsseldorf gewechselt und hat dort innerhalb von nur zwei Jahren eine Doktorarbeit am Pharmakologischen Institut bei Prof. Dr. K. Greeff angefertigt. Dabei hat er Radioimmunoassays (RIAs) entwickelt, mit denen sich verschiedene Herzglycoside auch in komplexen Matrices exakt quantifizieren lassen. Für seine Doktorarbeit wurde er 1974 mit dem EDENS-Preis der Universität Düsseldorf ausgezeichnet. Diese Preisverleihung hat maßgeblich zu der Entscheidung beigetragen, anschließend eine wissenschaftliche Karriere als Hochschullehrer anzustreben.
Die Habilitation hat er am Pharmakologischen Institut der Universität Tübingen in der Arbeitsgruppe von Prof. Ammon durchgeführt. Hierbei hat er sich mit den Insulinrezeptoren in den Langerhans‘schen Inseln beschäftigt. Nach Abschluss der Habilitation 1982 war er von 1983 bis 1986 "Visiting Professor" bei Prof. I. Goldfine am Department für Physiologie in San Francisco. Im Jahr 1991 ist er dann einem Ruf auf eine C3-Professur für Pharmakologie und Toxikologie in der Pharmazie in Münster gefolgt, wo er bis heute tätig ist.
Der Name Eugen Verspohl ist untrennbar mit Diabetes-Forschung verknüpft. So hat er sich intensiv mit den Mechanismen der Insulin-Freisetzung beschäftigt. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Rezeptorsysteme der Langerhans’schen Inseln (z. B. Insulin-, Opioid-, ANP-, Cholecystokinin-, Muscarin-Rezeptoren) auf ihre Bedeutung für die Insulin-Freisetzung untersucht. Hieraus resultiert auch die langjährige und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Prof. Dr. James Knittel, Chair of the Department of Pharmaceutical and Administrative Sciences at the College of Pharmacy of the Western New England University, Springfield, Massachusetts. Mit seinem exzellenten Vortrag über die gezielte Entwicklung neuartiger Isonicotinsäure-Derivate als potente und selektive PI3Kα -Inhibitoren hat Prof. Knittel einen sehr schönen Beitrag zur Abschiedsfeier von Eugen Verspohl geleistet.
Neben der Untersuchung von Rezeptoren als Targets für Arzneistoffe hat sich Herr Verspohl auch mit verschiedenen Liganden befasst, die die Rezeptoren aktivieren oder inhibieren können. Zu nennen sind hier Diadenosinpolyphosphate als pathologische Substanzen für die Diabetes-Entwicklung sowie Agonisten für RAR-, RXR- und PPARγ -Rezeptoren, die zur Insulin-Sensitivierung beitragen. Gerade in jüngster Zeit hat sich Herr Verspohl mit der Bedeutung von Adenosin-Rezeptor-Subtypen bei Diabetes befasst, wobei er in einer engen Kooperation mit Frau Prof. Müller von der Universität Bonn subtypenselektive Adenosin-Rezeptor-Agonisten und -Antagonisten pharmakologisch evaluiert. Ein weiterer Schwerpunkt bildet zurzeit das Angiotensin-System. Insbesondere wird die Bedeutung des Octapeptids Angiotensin II und seiner kleineren Abbauprodukte (z. B. Heptapeptide, Hexapeptide) für die Entwicklung von Diabetes bearbeitet.
Seine Aufgeschlossenheit zeigt sich auch in seinen sehr jungen Arbeiten zu den pharmakologischen Effekten pflanzlicher Präparate. Es werden verschiedene Pflanzenextrakte (z. B. Thymianextrakt, Artischockenextrakt, Pfefferminzöl, oder Opuntia ficus indica Extrakt) aber auch reine Pflanzeninhaltsstoffe (z. B. Thymol, Menthol) auf ihre spasmolytische (Ileum Trachea), antiemetische und endocrine (z. B. antidiabetische) Wirkung geprüft und evaluiert. Darüber hinaus werden aber auch der Einfluss auf die Zilientätigkeit in den Bronchien und cytoprotektive Mechanismen von Pflanzenextrakten und Pflanzeninhaltsstoffen untersucht.
Kooperationen hat Herr Verspohl immer intensiv gepflegt. So war er auch sofort bereit die antidiabetischen Eigenschaften von neuartigen Thiazolidindion-Analoga zu untersuchen, die Frau Prof. Oya Bozdag, Full Professor of Pharmaceutical Chemistry an der Universität Ankara hergestellt hatte. Aus dieser Kooperation hat sich eine sehr gute Freundschaft entwickelt, so dass Frau Prof. Bozdag gern die Einladung zu einem wissenschaftlichen Vortrag bei der Abschiedsfeier angenommen hat. Dabei hat sie eindrucksvolle chemische Variationen der als Insulinsensitizer vielversprechenden Substanzklasse der Thiazolidindione vorgestellt.

Das wissenschaftliche Œuvre von Herrn Verspohl ist beachtlich. Er hat mehr als 180 Originalarbeiten in international hochangesehenen Journalen veröffentlicht und darüber hinaus elf Bücher verfasst. Auf Tagungen ist er ein gern gesehener Redner, was durch seine mehr als 300 Kongressbeiträge verdeutlicht wird. Unter seiner Betreuung haben insgesamt 36 junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Promotion erfolgreich abgeschlossen. Im In- und Ausland ist das Fachwissen von Herrn Verspohl sehr gefragt, so dass er schon bei mehreren hochrangigen pharmazeutischen Streitangelegenheiten als Gutachter auftreten durfte.
Eine besondere Stärke von Herrn Verspohl stellt seine stete wissenschaftliche Neugier dar, die aber immer gepaart ist mit einer gesunden kritischen Beurteilung der Daten. Dies wurde besonders in seiner Abschiedsvorlesung deutlich, die den Titel trug "Wie verlässlich sind pharmakologische Messergebnisse? (Paradoxes, Placebo, Konditionierung, Nocebo, Statistik-Lügen)". Er erläuterte das Prinzip "Regression to the mean", nach dem alle vom Zufall abhängigen Vorgänge letztendlich sich auf einen Mittelwert hinbewegen. Die Schwierigkeiten, in klinischen Studien den Placebo-Effekt korrekt zu ermitteln, wurden diskutiert. Sehr interessant war die Konditionierung der Patienten in Klinischen Studien. Es ist möglich, selbst harte Laborparameter wie die Basophilenzahl nach Vorkonditionierung mit einem gut schmeckenden Saft ohne Antihistaminikum zu erhöhen.
Die Lehraufgaben hat der Hochschullehrer Eugen Verspohl stets vorbildlich erfüllt. Seine Vorlesungen – selbst Montag morgens von 8 bis 10 Uhr – waren stets gern und gut besucht. Während seiner knapp 22-jährigen Lehrtätigkeit in Münster hat er mehr als 2000 Prüfungen im 2. Staatsexamen abgenommen. Dies ist eine enorme Prüfleistung. Im pharmakologisch-toxikologischen Demonstrationskurs hat er stets großen Wert auf Versuche, auch Tierversuche, gelegt. Dies wurde von den Studierenden, für die er stets ein offenes Ohr hat, hoch geschätzt. Deshalb haben sie ihm im Rahmen der Abschiedsfeier ein "lebendes Bild" geschenkt, in dem sich die Studierenden in Form einer Maus zusammengestellt haben. In Münster wird behauptet, dass Herr Verspohl genau weiß, auf welchen Plätzen die Studierenden in seiner Vorlesung sitzen. Ihr kleines Quiz "Wer sitzt wo?" hat Herr Verspohl mit Bravour gelöst.
In einer launigen Ansprache mit zahlreichen Bildern hat Herr Prof. Hensel den vielseitigen Menschen Eugen Verspohl gezeichnet. Eugen Verspohl wurde als Naturwissenschaftler gezeigt, der bereits als Fünfjähriger Kröten zur Eiablage bewegt hat. Der Techniker Verspohl hat eine Modelleisenbahn zu Hause, besitzt den Führerschein für Dampflokomotiven, und kann mit einem Airbus unter der Golden-Gate-Bridge durchfliegen (im Flugsimulator). Der Reisende Verspohl hat persönliche und wissenschaftliche Kontakte zu den Menschen in verschiedenen Ländern in Afrika (Ghana, Nigeria, Sudan), Pakistan, USA, Russland und Brasilien aufgebaut. Wenn möglich, wurden Kongresse selbst in Athen mit dem Auto besucht. Dem Familienmenschen Verspohl ist die Familie sehr wichtig, wie beispielsweise eine Kreuzfahrt auf der "Queen Mary" nach bestandenen Examina der Töchter zeigt.
Herr Verspohl beendet seine aktive Dienstzeit mit einem einzigartigen Geschenk an die WWU, der "Verspohl-Stiftung". Gerade rechtzeitig zu seiner Verabschiedung wurde ihm am 29. Juni die Anerkennungsurkunde vom Präsidenten der Bezirksregierung Münster, Herrn Prof. Dr. R. Klenke, überreicht. Mit einem Stiftungskapital von 1/3 Million Euro wird die Stiftung in Zukunft die pharmazeutischen Wissenschaften, die pharmazeutische Ausbildung sowie die Gesamtpharmazie und ihre Außendarstellung fördern. Dazu werden Dissertationspreise, Studienpreise, Wissenstransferpreise und Lehrinnovationspreise ausgelobt. Darüber hinaus soll das Verspohl-Studienstipendium für "nicht-privilegierte" Studierende der Pharmazie vergeben werden. Unter "nicht-privilegierten" Studierenden werden Studierende verstanden, die bei guten Leistungen unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten sind, beispielsweise durch Pflege der Eltern, Unterstützung anderer Studierender, politische oder gesellschaftliche Probleme im Heimatland ausländischer Studierender oder auch durch Wegfall der Eltern als Geldmittelgeber. Mit diesem Instrument soll die Begeisterung dieser Studierenden für das Fach Pharmazie und die wissenschaftliche Pharmazie erhalten bleiben und ihr soziales Engagement anerkannt werden. Dieses einzigartige Engagement von Herrn Verspohl für "seine WWU" und insbesondere die Pharmazie in Münster wurde sowohl von der Rektorin, Frau Prof. Dr. Ursula Nelles als auch dem Dekan des Fachbereichs Chemie und Pharmazie, Prof. Dr. Bart Jan Ravoo, in ihren Grußworten zur Abschiedsfeier als vorbildhaft gewürdigt. Ich wünsche der Stiftung und dem Stifter, dass sie ihre hochgesteckten Ziele alle erreichen.
Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Pharmazie und des Fachbereichs Chemie und Pharmazie der WWU Münster bedanke ich mich bei dir, lieber Eugen, für die hervorragende Zusammenarbeit während der vergangenen Jahre. Ich wünsche Dir und Deiner Frau Gesundheit und alles Gute für die Zukunft und hoffe, dass mit der Verabschiedung in den Ruhestand der Kontakt zum Institut, wenn auch in neuen Räumlichkeiten nie abreißt.
Bernhard Wünsch