Die wahre Bedrohung
Mit Besorgnis hab ich mir den Kommentar von Herrn Ditzel durchgelesen, und habe in der Ernennung von dem SPD "Gesundheitsökonomen" Lauterbach zum gesundheitspolitischen Sprecher der Opposition meine Befürchtungen bestätigt gesehen, dass uns Apothekern in Zukunft – ungeachtet dessen, was die schwarz-gelbe Koalition durchsetzen wird oder nicht – weiterhin ein eisiger Wind entgegenblasen wird …
Was allerdings bei der ganzen Diskussion um Apothekenketten und drohende Investoren aus dem Ausland gerne vergessen wird ist Folgendes: Längst wird den wohnortnahen Apotheken die Existenz streitig gemacht! Nur sind es nicht Apothekenketten, sondern die Versandapotheken, die die Apotheke vor Ort infrage stellen … Jede Woche sieht man sich konfrontiert mit der Rosinenpickerei: Die Versandapotheken werben mit Rabatten auf OTC-Arzneimittel, dass es mir als Apothekeninhaber mehr als schwindelig wird!
Nachlässe von 70% sind keine Seltenheit mehr! So werden Umckaloabo, Prospan, Cetirizin & Co. teilweise preistechnisch verschleudert, dass uns in der Offizin die Argumente ausgehen.
Was nutzt es uns, die Bevölkerung aufzuklären, zu beraten und der Ansprechpartner zu sein, wenn sich Situationen wie die folgende ständig wiederholen:
Ich berate ein Dame, die die Wirtschaftswissenschaftler gerne als Angehörige der späten "silver ager-Generation" bezeichnen. Um genau zu sein, die Dame geht auf die 70 Jahre zu. Ich lege ihr nahe, da sie des Öfteren mit Kurzatmigkeit und Konzentrationsproblemen zu tun hat, auf Weißdorn und Ginkgo zu vertrauen. Nach ungefähr 15 Minuten Beratung über Einnahme, Wirkweise etc. entschließt sich die Dame dazu, noch einmal darüber nachzudenken, und verabschiedet sich dankend für die "kompetente und freundliche" Beratung.
Eine Woche später kommt die Dame in Begleitung ihrer Tochter wieder in die Apotheke. Auf meine Frage, ob sich die Dame Gedanken über meine Empfehlungen gemacht hat, antwortet mir ihre Tochter, dass sie im Internet nachgesehen habe, und warum ich denn so überteuerte Preise hätte … Natürlich kontern wir immer mit den "üblichen" Argumenten… Aber was soll man schon bezüglich langfristiger Dauermedikationen entgegnen, wenn es dann um Nachlässe im Onlinegeschäft von 30 bis 50% geht?
Letztendlich entwickeln wir uns doch immer mehr zum A… der Nation!
Die wahre Bedrohung sind keine Apothekenketten. Vor diesen hätte ich keine Angst; die wahre Bedrohung ist der Versandhandel, der die hohe Qualität der Präsenzapotheke als überteuert, ja fast schon als Wucherunternehmen dastehen lässt! Man kann darüber streiten, welcher Preis als sinnvoll zu erachten ist. Aber Fakt ist, dass wir "Vor-Ort-Apotheken" höhere Ansprüche haben als automatisierte Versand-"dienstleister", und einen höheren Aufwand haben.
Der Rezeptumsatz dient nur noch als Kostendeckung – das weiß mittlerweile jeder; wenn nun aber das Versandgeschäft der "Normal-Apotheke" den beratungsaufwendigen Handverkauf auch noch zerstört, werden wir uns früher in einem "Apothekensterben" wiederfinden, als wir es uns je im Falle einer "Kettenerlaubnis" hätten träumen lassen! Von Boni-Gewährung beim Einlösen von Rx- Rezepten ganz zu schweigen (z. B. Pillenrezepte beim Schlecker)… Wenn die Standesvertretung an der Erhaltung der Präsenz-Apotheke interessiert ist, würde ich zuerst an dieser Front ansetzen, denn diese ist mehr als bedrohlich, bereits real und eben keine Zukunftsmusik.