Vitamin B12-Creme

Lösung als Zwischenlösung

Zum Beitrag "Vitamin-B12-Creme – Rezepturprobleme und ihre Lösungen", DAZ Nr. 45 vom 5. 11. 2009, S. 54

Lösung als Zwischenlösung

Das Titelblatt der DAZ 45/2009 lässt Rezepturinteressierte hellhörig werden: Warum sind denn die Empfehlungen der NRF-Redaktion keine Alternative zur Rezeptur der Vitamin-B12-Avocadoöl-Creme, die sich auf das Medizinprodukt Regividerm®-Creme bezieht? So steht es in dem Beitrag des Kollegen Dr. Wolf unter der Rubrik "Praxis". Natürlich fragt man sich ohnehin, wofür eine Apotheke die Rezeptur-Alternativen zum Fertigpräparat braucht, angesichts der infrage gestellten Wirksamkeit des Vitamin B12 bei Anwendung auf der Haut. Gemeint ist die Molekülgröße des Cyanocobalamins, die auch dem Autor immerhin zu denken gibt (als "500-Dalton-Regel" in den Rezepturhinweisen des NRF im Internet zitiert).

Nehmen wir einfach an, es geht darum, dem verunsicherten Patienten ein nach anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestelltes Rezepturarzneimittel anzubieten. Hier bemüht sich Dr. Wolf in nicht immer leicht nachvollziehbaren Argumentationen aus Lehrbuchwissen und eigener Vorstellung. Dabei bleibt er eine schlüssige Erklärung schuldig, woran es den Cremevorschlägen des NRF denn nun mangelt. Als Funktionsträger der GD Gesellschaft für Dermopharmazie sollte ihm ein Kernsatz der GD-Leitlinie "Dermokosmetika zur Reinigung und Pflege trockener Haut" geläufig sein: "Die Eigenschaften von Dermokosmetika zur Reinigung und Pflege trockener Haut sind an die Gesamtformulierung und nicht an einzelne Inhaltsstoffe geknüpft." Insofern sind Spekulationen aufgrund der besseren Hautfreundlichkeit eines Emulgators gegenüber der eines anderen eitel. Von der Tensidwirkung in wässrigen Systemen und deren HLB-Werten auf komplex strukturierte Cremes zu schließen, das ist wirklich der Vergleich von "Äpfeln mit Birnen".

Und dann steckt der Autor viel Energie in die Herstellung einer in seinen Augen "optimierten" Creme, allerdings wiederum mit einem vorher so geschmähten O/W-Emulgator. Zudem wird der bei trockener Haut als notwendig erläuterte hohe Fettanteil dann um rund 26 Prozent gegenüber der Regividerm®-Creme erniedrigt. Besonders nachdenklich stimmt es den fachkundigen Leser, dass mit TEGO®-Care PS ein Zuckertensid-Emulgator eingesetzt wird, der in den Medizinischen Wissenschaften unbekannt ist und für den weder eine anerkannte pharmazeutische Prüfvorschrift noch ein valides Prüfzertifikat vorhanden sind. Was nützt da der Hinweis auf die "Eigenverantwortung des Apothekenleiters", wenn in den Herstellungsbeschreibungen des Autors ausschließlich nicht erlaubte Emulgatoren eingesetzt und keine Alternativen angeboten werden? Hoffen wir, dass die Apothekenaufsicht § 34 Satz 1 Ziffer 3a ApBetrO in Verbindung mit § 25 Abs. 2 ApoG nicht kennt. Ob der erfolgreiche großtechnische Einsatz der Zuckertenside in Spül-, Vollwasch- und Haarpflegemitteln den Aufwand der pharmazeutischen Qualitätssicherung für die Apothekenrezeptur rechtfertigt, ist eher kritisch zu prüfen. Der Bedarf an wünschenswerten Wirk- und Hilfsstoffen zeigt wiederholt, dass die Breite des Sortiments der Lieferanten für Rezeptursubstanzen endlich ist. Für den Galeniker ist es nützliches Handwerk, in begründeten Fällen Dermatika am Dreiwalzenwerk zu bearbeiten. Im täglichen Rezepturbetrieb reißt man sich nicht darum, und schon gar nicht zweimal im Herstellungsgang. Warum auch, Herr Dr. Wolf, wenn Sie vorab bereits "eine gleichmäßige, homogene Emulsion erhalten" haben und sich Wirkstoffklumpen leicht vermeiden lassen? Die Plausibilitätsbetrachtung der NRF-Rezepturhinweise vom 29. 11. 2009 (www.dac-nrf.de) zu Cyanocobalamin legt nahe, dass wässrige Cyanocobalamin-Lösungen in dem weiten rezeptierbaren pH-Bereich des Wirkstoffs jahrelang haltbar sind und zum Lösen schadlos heiß gemacht werden können. Allenfalls gut gemeint erscheint auch die Empfehlung zur oxidativen Stabilisierung mit Tocopherolen oder Butylhydroxytoluol (BHT). Das Cyanocobalamin wird man wegen seiner hohen Hydrophilie mit dem Verteilungskoeffizienten logPOctanol/Wasser = – 2,6 quantitativ in der Wasserphase suchen müssen. Wie viel BHT man dort erwarten darf, gibt dessen Wert an: logPOctanol/Wasser = 5,1. Auch im Interesse des Patienten sollen Antioxidantien nicht unnötig verwendet werden. Bei zulassungspflichtigen Dermatika verlangt die "Besonderheitenliste" des BfArM in solchen Fällen den zum eingangs genannten Anspruch nicht gerade förderlichen Warnhinweis: "Butylhydroxytoluol/kann örtlich begrenzt Hautreizungen (z. B. Kontaktdermatitis), Reizungen der Augen und der Schleimhäute hervorrufen."

Ich teile mit dem Autor die Hoffnung, dass der Spuk bald vorbei sein wird. Zur Erinnerung: nach einer Untersuchung in Bochum und der Insolvenz der einschlägigen Herstellerfirma sind bereits 2004 kurzzeitig die entsprechenden Anfragen nach einer Cyanocobalamincreme an Apotheken gerichtet worden. Seinerzeit war nach einigen Monaten Ruhe. Offensichtlich wollten die Patienten keine Nachverordnung. Um vor diesem Hintergrund den Aufwand gering zu halten, für galenische Transparenz zu sorgen und den Patienten nicht vor die Wahl zwischen seiner ärztlich begleiteten Hauttherapie und einem fragwürdigen Wundermittel zu stellen, erlaube ich mir an dieser Stelle einen einfachen Vorschlag. Ganz im Sinne der von Dr. Wolf angeregten Diskussion. In konsequenter Verfolgung des Patientenwunsches und zur Trennung von verschleiernden Avocadoöleffekten fertigen wir ihm ein konserviertes, wässriges Cyanocobalamin-Hautspray an. Das trägt er dann gemäß der in der Dermatologie bewährten Sandwichtechnik vor den bisher angewendeten Dermatika auf und braucht weder die notwendige Basispflege noch die erforderliche Arzneimittellokaltherapie zu unterbrechen. Vielleicht beschleunigt das die Problemlösung?

Regividerm ist bis jetzt ein Pflegeprodukt

Antwort von Dr. Gerd Wolf, Autor des im Leserbrief kommentierten Beitrags in der DAZ

In ihrem Leserbrief weist Frau Dr. Schöffling mit Recht darauf hin, dass angesichts der Größe des Moleküls von Cyanocobalamin berechtigte Zweifel angebracht seien, ob hier auf der Haut überhaupt eine Wirkung zu konstatieren ist. Eine ähnliche Diskussion wird seit Jahren bei heparinhaltigen Dermatika geführt, ohne dass dabei ein letztendlich zufriedenstellendes Ergebnis gefunden wurde. Überlassen wir also den Dermatologen an Universitätshautkliniken in neuen und besseren Studien zu beweisen, dass von Vitamin B12 nachweisbar eine Wirkung bei Neurodermitis und Psoriasis ausgeht! Überraschend ist in diesem Zusammenhang ein Satz in dem Kommentar zur Ph. Eur. 4.2 in der Monographie "Cyanocobalamin", dass Vitamin B12 allerdings bei parenteraler Gabe "bei Patienten mit Psoriasis vulgaris zur Verschlechterung des Zustands führen kann".

Die Nichtvergleichbarkeit der Empfehlungen des NRF in Bezug auf die Original-Vorschrift liegt eigentlich auf der Hand. Die Vitamin B12-Creme stellt vom Vehikel-Typ her eine O/W-Creme dar, die in der DAZ als Alternative empfohlene Basiscreme DAC eine ambiphile Creme. Beide Vehikel-Typen unterscheiden sich in ihrem physikalisch-chemischen Aufbau sehr deutlich und damit auch in ihrem Anwendungsbereich. Das NRF empfiehlt dann noch eine Anreicherung der Basiscreme DAC mit 20% Avocado-Öl. Mehr Öl kann zusätzlich eine Basiscreme DAC auch gar nicht aufnehmen, ohne instabil zu werden. Dabei wird das ursprünglich ambiphile System in die Richtung einer lipophilen Creme gedrängt, also in ein völlig konträres System verwandelt als in der Vitamin B12-Creme vorliegt. Man könnte es auch so ausdrücken: hier wurden die "Pferde gewechselt". Das mag aus therapeutischer Sicht durchaus sinnvoll erscheinen – darauf habe ich ja in dem letzten Absatz meines Artikels auch deutlich hingewiesen. Jedoch vom rein galenischen Standpunkt her betrachtet ist dies eigentlich nicht statthaft. Es sollte stets eng am System optimiert werden.

Nicht vergleichbar miteinander sind auch die Emulgatoren in der Vitamin B12-Creme und in der Basiscreme DAC. Beim Tego Care PS handelt es sich um einen Vertreter der PEG-freien Zuckertensid-Emulgatoren, in der Basiscreme DAC bei TAGAT S 2 um einen macrogol-, also PEG-haltigen Emulgator. Frau Dr. Schöffling will darin keinen gravierenden Unterschied sehen. Dazu möchte ich auf die In-vivo-Untersuchung von Kutz aus dem Jahr 1997 hinweisen: G. Kutz, P. Biehl, M. Waldmann-Laue, B. Jackwerth, On the choice of Oil-in-Water Emulsifiers for Use in Skin Care Products for Sensitive Skin, SÖFW-Journal, 123, 145 – 150 (1997).

In dieser Untersuchung hat sich im Vergleich mit verschiedensten anderen Emulgatoren das Zuckertensid Tego Care 450, das ich bei meiner Optimierung verwendet habe, als milder Emulgator mit ausgezeichneten feuchtigkeitsbindenden, wasserfesten, elektrolytstabilen Eigenschaften mit einer sehr guten Verträglichkeit mit anderen wirksamen Bestandteilen herausgestellt. Nicht von ungefähr kommt es daher, dass die Fa. Henkel vor einigen Jahren in Düsseldorf mit einer Rieseninvestition eine völlig neue Fabrikationsanlage nur zur Herstellung von Zuckertensiden erstellt hat. Zuckertenside befinden sich schon seit einigen Jahren in einer ganzen Reihe von apothekenexklusiven Körperpflege-Mitteln bedeutender Firmen wie z. B. Fa. Beiersdorf. Die Fa. Stada hat gerade erst das Produkt Multilind Silber auf der Basis einer reinen Zuckertensid-Creme herausgebracht. Ich habe den Eindruck, dass Frau Dr. Schöffling diese Entwicklung nicht in allen Einzelheiten verfolgt hat. Ich sehe auch unter ökologischen Aspekten die Zuckertenside – weil aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen – als die O/W-Emulgatoren der Zukunft an.

Die Original-Vorschrift der Vitamin B12 -Creme ist recht einfach strukturiert: ein Wirkstoff, eine Öl-Komponente, ein Emulgator, ein Konservierungsmittel-Gemisch und Wasser. Sie entspricht damit einem viel gehegten Wunsch der Dermatologen, die mit den komplex strukturierten Creme ohnehin nichts anfangen können.

Der Kernsatz der GD-Leitlinie "Dermokosmetika zur Reinigung und Pflege trockener Haut" ist mir schon bekannt. Aber ich weiß auch, wie die Leitlinie zustande gekommen ist, nämlich mit Rücksichtnahme auf die Industrievertreter in der zuständigen Fachgruppe.

Der Hinweis von Frau Dr. Schöffling auf die gesetzlichen Anforderungen an die pharmazeutische Qualität und entsprechende Paragraphen ist natürlich berechtigt, trifft aber hier nicht zu, weil es sich nicht um die Anfertigung eines Arzneimittels, sondern immer noch um ein Pflegeprodukt mit dem Status eines Medizinprodukts handelt. Eine Entscheidung des Regierungspräsidenten in Düsseldorf für oder gegen den Arzneimittelstatus von Regividerm ist bis dato noch nicht gefallen. So lange kann man die Vitamin B12-Creme als eine Pflegecreme mit nicht bewiesenem Wirkungshintergrund ansehen. Für diese gilt allenfalls die Kosmetik-Verordnung.

Der Einsatz des Dreiwalzenstuhls beruht auf einer selbstkritischen Betrachtung meiner Herstellungsweise. Hierdurch sollte neben der Homogenisierung die durch das Rühren mit dem ESGE-Biohomogenizer eingearbeitete Luft entfernt werden. Beim zweiten Durchgang sollte dafür Sorge getragen werden, dass das Vitamin B12 optimal, d. h. homogen in der Creme verteilt wird.

Das Argument, mit einem lipophilen Antioxydans ein in der Wasserphase gelösten Wirkstoff nicht optimal schützen zu können, ist durchaus diskussionswürdig. Ich verstehe dies als Anregung, meine optimierte Rezeptur in dieser Richtung weiterzuentwickeln.

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