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Zukunft der Vor-Ort-Apotheken
Diskussionspapier: Lauterbachs Apothekenreform „als Chance“ begreifen
Stillstand zwischen ABDA und Bundesgesundheitsministerium? Die Autoren eines Positionspapiers zur Zukunft der Vor-Ort-Apotheken wollen die Diskussion um die anstehende Apothekenreform ins Rollen bringen. Sie kritisieren die Abwehrhaltung der Standesvertretung und fordern Lauterbachs Eckpunkte als „Gesprächsangebot“ anzunehmen und fortzuentwickeln – und offenbar auch die Bereitschaft, die ein oder andere heilige Kuh zu opfern.
Eine „Mogelpackung“ nannte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Apothekenreform-Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Schaut man sich die Vorschläge genauer an, wird klar, dass unter dieser sogenannten Reform alle Apotheken leiden würden – sowohl die Land- als auch die Stadtapotheken“, so Overwiening im Dezember.
Kurz vor Weihnachten waren die Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bekanntgeworden. Lauterbach sagte, es handele sich um die „größte Strukturreform der Apotheken seit 20 Jahren“. Unter anderem sollen Honoraranreize für Apothekenstandorte in ländlichen Regionen geschaffen werden und durch Telepharmazie Apotheken ohne Approbierte ermöglicht werden.
In letztem Punkt sieht die Standesvertretung eine „Entwertung der apothekerlichen Tätigkeit“ und ein „absolutes No-Go“. Das erklärte Overwiening zuletzt in einem Facebooktalk Mitte Februar. Zudem sei „eine unserer wichtigsten Forderungen“, die sofortige finanzielle Unterstützung der Vor-Ort-Apotheken, darin nicht enthalten.
Kein Vor und Zurück?
Allerdings ist der Referentenentwurf noch nicht bekannt. Erwartet wird er für April. ABDA und BMG führen derzeit Gespräche – die sind wohl nicht zuletzt auch wegen des Skonto-Urteils des Bundesgerichtshofs ins Rollen gekommen. Worum es bei den Treffen konkret geht, weiß man nicht. Aber es herrscht offenbar der Eindruck, dass es kein Vor und Zurück zwischen den Positionen des BMG und der Apothekerschaft gibt.
Die Juristin Daniela Klahn, der Gesundheitsökonom und Apotheker Björn Kersting und der Ökonom Dominik Klahn wollen nun Bewegung in die Diskussion bringen. Sie haben ein Diskussionspapier vorgelegt und fordern von der Standesvertretung, die gegenwärtige Situation „als Chance“ zu begreifen – und auf den Bundesgesundheitsminister zuzugehen. Unterstützt werden sie von Reinhard Herzog (Apotheker, AWA-Herausgeber, Hochschullehrer), David Matusiewicz (Professor für Medizinmanagement, FOM Hochschule, Direktor des Instituts für Gesundheit & Soziales), Holger Seyfarth (Apotheker, Vorsitzender Hessischer Apothekerverband) und Ulrich Ströh (Apotheker, Kammerversammlung Schleswig-Holstein).
„In der Vergangenheit verharrende berufspolitische Standesspitze“
„Wir blicken mit großer Sorge auf die Aktivitäten einer offenbar in der Vergangenheit verharrenden berufspolitischen Standesspitze“, heißt es in dem Papier. Die Eckpunkte des BMG seien „durchaus auch als Einladung zum Diskurs begreifen“. Es sei eine „Steilvorlage“, wenn in den BMG-Eckpunkten geschrieben wird, dass „der Erhalt eines flächendeckenden Apothekennetzes mit persönlicher Vor-Ort-Beratung von zentraler Bedeutung für die Arzneimittelversorgung“ sei. „Wir sollten die Politik beim Wort nehmen“, heißt es in dem Positionspapier.
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Gewarnt wird aber, dieses Gesprächsangebot „mit leeren Händen, bzw. den üblichen Forderungen nach Honorarerhöhung bei Ablehnung aller anderen Vorschläge“ anzunehmen. „Pauschale Rufe nach Rettungsschirmen, Honoraranpassung oder Entbürokratisierung allein sind nicht zielführend.“ So drohe die anstehende Gesetzesinitiative „in einem Desaster zu münden“. Dabei drehen sich die Gedanken der Autoren zum einen um die Frage, wie die Arzneimittel- und Grundversorgung sichergestellt werden kann und dann, wie dieses System zu finanzieren ist.
Sicherstellung der Versorgung
Bei der Sicherstellung plädieren sie dafür, sich auf eine „Ausweitung des Aufgabenspektrums einzulassen“. Dies müsse „angemessen vergütet werden“. Beispiele sind unter anderem der Ausbau des Impfangebots bei besserer Vergütung, das Befüllen der elektronischen Patientenakte (ePA) oder auch das Mitwirken bei Präventionsaktionen. „Eine so verstandene Leistungsausweitung festigt die Apothekerschaft systemisch und differenziert trennscharf von den Versandhändlern.“
„Pauschale Rufe nach Rettungsschirmen, Honoraranpassung oder Entbürokratisierung allein sind nicht zielführend.“
Viele der BMG-Ideen würden darauf abzielen, „die Rolle der Vor-Ort-Apotheken ganz allgemein, aber insbesondere beim Ergreifen von Sicherstellungsmaßnahmen zu stärken“. Stände die Standesvertretung einer Ausweitung des Aufgabenspektrums der Apotheken bei der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung mit einer „geistig aufgeschlossenen Einstellung“ gegenüber, dann hätte „die Idee der Gesundheitskioske problemlos abgeschmettert werden können“, zeigen sich die Autoren überzeugt.
Bewegung auch bei Apotheken ohne Approbierte
Auch bei dem umstrittenen Thema Apotheken ohne Approbierte fordern die Autoren die Standesvertretung auf, sich zu bewegen. „Die Vorschläge des BMG zum Umgang mit dem akuten Personalmangel (einschließlich Telepharmazie) sind sinnvoll und tragen dem heutigen Konsumentenverhalten Rechnung.“ Dabei fordern sie von ABDA und deutschem Apothekerverband (DAV), das Thema aufzugreifen, zu ergänzen und pragmatisch im Gesetzgebungsverfahren zu begleiten.
„Diese Vorschläge sind ein Versuch des BMG, bestimmte Herausforderungen, denen sich die Apotheken im Alltag stellen müssen, zu lösen.“
Dasselbe gilt auch für andere Aspekte, die im Eckpunktepapier unter der Überschrift „Flexibilisierung und Entbürokratisierung“ zusammengefasst sind, und die in der Apothekerschaft für Widerstand gesorgt hatten. So beispielsweise die einfachere Gründung von Zweigapotheken oder die Prüfung von Beschäftigungsmöglichkeiten weiterer Berufsgruppen mit geeigneter Ausbildung für bestimmte unterstützende Tätigkeiten in der Apotheke. Diese Vorschläge werden im Positionspapier als „Versuch des BMG“ gewertet, „bestimmte Herausforderungen, denen sich die Apotheken im Alltag stellen müssen, zu lösen“, unter anderem den Personalmangel.
Finanzierung: Deutliche Honorarerhöhung „unstrittig erforderlich“
Bei der Frage der Finanzierung sehen die Autoren aber wie die ABDA grundsätzlich „eine deutliche Erhöhung des Apothekenhonorars“ als „unstrittig erforderlich“ an. Allerdings gehen sie davon aus, dass sich die Zurückhaltung des BMG in der Frage „womöglich“ bei „konstruktiver Mitwirkung“ ändern könnte.
Die Vorschläge Lauterbachs zur Honorarreform sehen sie aber wegen des Skonto-Urteils „ein Stück weit in den Hintergrund“ gerückt. Deswegen wird nur knapp festgestellt, dass unter anderem die Erhöhung der Notdienstvergütung und -organisation „zu kurz gesprungen“ ist, die Rückführung des erhöhten Apothekenabschlags schnellstmöglich umgesetzt werden muss und die stufenweise 1/1-Umverteilung vom prozentualen in den festen Honorarbestandteil „schlichtweg abzulehnen“ ist.
Mehr Staat, Unternehmertum oder Kombimodell?
Als viel wichtiger erachten die Autoren, den zuständigen Ministerien, also BMG und Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), „einen durchdachten Ansatz für eine Novellierung des gesamten Arzneimittelpreisbildungs- bzw. Honorierungssystems zu unterbreiten“. Hier sehen sie drei Varianten, die mit einer Grundsatzentscheidung einhergehen:
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Die erste Variante „mehr Staat“ würde eine „Abkehr von der 2004 eingeführten, packungsbezogenen Honorierung (sogenanntes Kombimodell) für rezeptpflichtige Arzneimittel“ bedeuten und eine „Rückkehr zu einer primär aufschlagsbezogenen, kaufmännischen Vergütung (mit neu zu fassenden Staffeln) bei gleichzeitiger Preisbindung von freiverkäuflichen Arzneimitteln (bestenfalls einschließlich Erstattungsfähigkeit) plus fester Honorarkomponenten für eine persönlich vor Ort zu erbringende Beratungsleistung“.
„Es bedarf genau jetzt an guter statt schlechter Standespolitik, die geeignet ist, den Berufsstand bestmöglich zu erhalten und erforderlichenfalls auch die Konsequenzen einer weiteren Schrumpfung des Marktes zu managen.“
Die zweite Variante „mehr Unternehmertum“ wäre eine vollständige Freigabe der Preisbildung. Die Kostenträger aus GKV und PKV würden einen Pauschalbetrag je Arzneimittel gewähren. „Dies führt zu unternehmerischer Freiheit und Wettbewerb unter den Apotheken.“
Oder die dritte Variante: man bleibt bei derzeitigem Kombimodell, wobei die Umsatzsteuer zumindest auf Rx-Arzneimittel reduziert wird, Brutto- und Netto-Beträge der Leistungserbringer müssten vorher zu reinen Netto-Beträgen vereinheitlicht werden. Laut Autoren böte sich eine Reduktion von 19 Prozent auf 7 an. Kostenträger aus GKV und PKV würden entlastet, der Staat jedoch mit rund sechs bis sieben Milliarden Euro belastet. „Die so generierten Einsparungen werden zumindest teilweise an die Vor-Ort-Apotheken zurückgeführt, einschließlich eines angemessenen Umverteilungsschlüssels zu Gunsten der Apotheken in dünnbesiedelten Regionen“, so der Vorschlag.
Apotheken vor „tiefgreifendsten und richtungsweisendsten Reform“
„Dieses Papier liefert kein fertiges Konzept und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir beabsichtigen, Impulse zu setzen, damit eine ergebnisorientierte, konstruktive Debatte über die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken überhaupt entstehen kann“, heißt es von den Autoren. Man verbinde damit die Hoffnung, dass DAV und ABDA die Anregungen aufgreifen.
Die Autoren zeigen sich überzeugt, dass die Vor-Ort-Apotheken „vor ihrer bis dato tiefgreifendsten und richtungsweisendsten Reform“ stehen. Sie zeigen sich allerdings pessimistisch, dass eine „weitere Reduktion der Apothekenzahl verhindert werden kann“. Es bedürfe nun „guter statt schlechter Standespolitik, die geeignet ist, den Berufsstand bestmöglich zu erhalten und erforderlichenfalls auch die Konsequenzen einer weiteren Schrumpfung des Marktes zu managen“.
7 Kommentare
Das Vertrauen ist nachhaltig zerstört
von Thomas B am 22.02.2024 um 15:41 Uhr
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Habe fertig
von Thomas Kerlag am 22.02.2024 um 14:47 Uhr
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Das Auf und Ab vom Honorar, aber eigentlich bleibt nix übrig.
von Kleiner Apotheker am 22.02.2024 um 8:22 Uhr
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Wie bitte?
von D. Berlich am 21.02.2024 um 21:04 Uhr
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Mit Karl - echt jetzt
von ratatosk am 21.02.2024 um 18:49 Uhr
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.
von Anita Peter am 21.02.2024 um 17:07 Uhr
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Ist ja alles schön…
von Nikolaus Guttenberger am 21.02.2024 um 15:40 Uhr
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