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Verhütung
Bin ich schwanger?
Zu allen Zeiten wurde eine Antwort auf diese bange Frage gesucht
Zuvor war sie entweder auf unsichere eigene Symptome, die Beobachtungsgabe oder die Vermutungen Dritter angewiesen oder sie musste bis zu den ersten Kindsbewegungen im vierten bis fünften Monat warten, bis sie Klarheit hatte.
Volksmedizin und Mythen sind reich an Methoden, mit denen eine Schwangerschaft erkannt und möglichst auch gleich das Geschlecht des zu erwartenden Kindes festgestellt werden sollten. So ließ man etwa im alten Ägypten die Frau einen Brei aus Bier und Datteln essen. Wurde ihr daraufhin furchtbar schlecht und begann sie zu erbrechen, zählte das als Schwangerschaftsbeweis. Die Ablehnung starker Gerüche und ein flaues Gefühl im Magen gelten ja auch in der heutigen Zeit als sicheres Zeichen einer Schwangerschaft. Ein anderer altägyptischer Test bestand darin, Weizen- und Gerstenkörner mit dem Harn der vermutlich schwangeren Frau zu gießen: Gutes Wachstum der Gerste sagte einen Sohn voraus, gutes Wachstum des Weizens kündigte die Geburt einer Tochter an. Wächst weder noch, dann ist die Frau nicht schwanger [1].
In Frankreich war bis ins 18. Jahrhundert die sogenannte Knoblauchprobe weit verbreitet: Vor dem Zubettgehen steckt sich die Frau, die sich über ihren Zustand im Unklaren ist, eine Knoblauchzehe in die Scheide. Wenn sie am Morgen den typischen Geruch ausatmet, kann sie nicht schwanger sein. Denn die Anwesenheit eines Embryos würde eine solche Ausbreitung durch den Körper verhindern. Ein frischer Atem galt als der Beweis, dass die Frau befruchtet ist [2]. Diese Vorstellung war umso überzeugender, als die Knoblauchzehe wegen ihrer Form vielfach als Symbol des zusammengekauerten Fetus gilt.
„Im zweiten Monat“, schreibt der Geburtshelfer Jacques Guillemeau, „bekommt sie tiefliegende stumpfe Augen mit kleinen Pupillen, schlaffe und hängende Lider, und die Äderchen in den Augenwinkeln sind dicker und geschwollener als sonst.“ Außerdem verändere sich ihr Blick: „Wenn es auf keine andere Weise zu sehen ist, dass eine Frau schwanger ist, sagen es Dir ihre Augen“. Im Auge spiegelt sich die Schwangerschaft [2].
Von Fröschen und Regenwürmern
Durch die Entdeckung der Hormone und ihrer Wirkungen ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts standen der Medizin neue Ansatzpunkte zur Schwangerschaftsbestimmung zur Verfügung. 1927 wurde von den beiden Gynäkologen Selmar Aschheim und Bernhard Zondek ein sehr verlässlicher Nachweistest mithilfe von infantilen weißen Mäusen entwickelt, seit 1929 wurde auch die ebenso sichere aber schnellere Friedman’sche Reaktion eingesetzt: Dafür werden die Eierstöcke von narkotisierten weiblichen Kaninchen freigelegt, die zwar geschlechtsreif, aber sicher nicht trächtig sind. Noch während der Narkose injiziert man in die Ohrvene des Tieres etwas Harn der potenziell schwangeren Frau. Nach 48 Stunden wird die Bauchhöhle erneut geöffnet und die Eierstöcke werden begutachtet: Follikelblutungen oder Gelbkörper, die bei Berührung bluten, weisen auf eine Schwangerschaft hin. Noch während der Narkose wird das Versuchstier getötet. In den 1930er- und 1940er-Jahren war dieser Test der beste verfügbare.
Biologische Schwangerschaftstests nützen die Ähnlichkeit zweier Hormone: das Schwangerschaftshormon humanes Choriongonadotropin (hCG) ist dem Hypophysenhormon luteinisierendes Hormon (LH) sehr ähnlich, mit dem das Gehirn den Eisprung bzw. die Spermienproduktion steuert. Ist eine Frau schwanger, so findet sich im Harn eine große Menge an hCG. Dieses wirkt im Tier wie eine Überstimulation mit dem Sexualhormon LH und führt zu den beschriebenen Reaktionen. Biologische Tests waren sehr aussagefähig, im Vergleich zu späteren Methoden aber zeitaufwendig und es wurde jedes Mal eine Maus, Ratte oder ein Kaninchen benötigt.
Doch nicht alle Ärzte waren überhaupt am Einsatz von Schwangerschaftstests interessiert, manche fühlten sich durch sie aus ihrem ureigensten Metier verdrängt: „Der Kliniker, der Wissenschaftler, mancher Facharzt und auch der jüngere Praktiker wird sofort an die Reaktion nach Aschheim-Zondek denken und vielleicht entsprechend handeln. Der erfahrene Praktiker erwägt, dass einmal diese Reaktion eine Menge Geld kostet und dadurch die Kassen belastet. Es gibt aber Ausgaben, die weder dringlich noch überhaupt notwendig sind. So habe ich bei meinem gewiss nicht kleinen Krankengut von der A.Z.R. in zehn Jahren nur achtmal Gebrauch gemacht. Und zwar geschah dies obendrein in vier Fällen nur auf dringliches Verlangen von Privatpatientinnen. Ich gebe zu, dass es recht bequem ist, den Frühurin zwecks Stellung der Schwangerschaftsdiagnose einsenden zu lassen; mir schafft es mehr Befriedigung, aus eigener Kraft und mit den einfachsten Mitteln innerhalb kürzester Zeit – fast ebenso schnell – zu den gleichen Resultaten zu gelangen [3].“
Seit Mitte der 1920er-Jahre forschten Wissenschaftler auch mit Kaltblütern wie Fröschen, Kröten und Fischen. Sie alle reagieren auf das Schwangerschaftshormon im Harn der schwangeren Frau, indem sie ihrerseits Sperma oder Eizellen produzieren. Im Vergleich zu Tests an Warmblütern sind sie wesentlich schneller durchzuführen und billiger. Im Jahr 1951 legte ein Herr Hasenbein von der Uni Kiel einen „Schwangerschaftstest am Regenwurm“ vor. Warum er trotz der guten Resultate von 90% und der bekannten Anspruchslosigkeit von Regenwürmern nicht weiterentwickelt wurde, ist leider nicht überliefert [4].
Einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zu den modernen Schwangerschaftstests lieferte der Argentinier Carlos Galli Mainini (1914 bis 1961). Sein Konzept verbreitete sich in kurzer Zeit über die ganze Welt, denn es war zuverlässig, billig und relativ schnell: Dafür wird erwachsenen männlichen Fröschen eine kleine Menge Harn der möglicherweise schwangeren Frau in den Rücken-Lymphsack eingespritzt. Wenn die Frau schwanger ist, veranlasst das Schwangerschaftshormon aus ihrem Harn den Frosch innerhalb von drei Stunden zur Produktion von Spermien. Diese werden nach außen abgegeben und sind unter dem Mikroskop gut zu sehen. Der Test ist für den Frosch nicht schmerzhaft; nach zwei Wochen kann das Tier neuerlich eingesetzt werden.
Seine bahnbrechenden Ergebnisse veröffentlichte Galli Mainini ab 1947 in wissenschaftlichen Vorträgen und Zeitschriften, später dann im Buch „The Diagnosis of Pregnancy with Male Batrachians“, mit einem Vorwort des Nobelpreisträgers für Physiologie und Medizin Bernardo Alberto Houssay.
Wenig aussagekräftig: die ersten immunologischen Tests
Ende der 1950er-Jahre entwickelte der schwedische Arzt Carl Axel Gemzell (1910 bis 2007) mit seinem Studenten Leif Wilde den ersten immunologischen Schwangerschaftstest, der die bis dahin gebräuchlichen Tests an Tieren verdrängte. Der Gemzell-Test war billiger und schneller, allerdings war seine Aussagefähigkeit nicht so sicher, speziell in der frühen Schwangerschaft. So musste die Frau bis zwei Wochen nach Ausbleiben der Regel mit dem Test warten, weil erst dann die hCG-Werte hoch genug für eindeutige Aussagen waren. Wenn die Frau schwanger war, zeichnete sich im Reagenzglas ein scharf abgegrenzter Ring ab. Dieses Phänomen veranlasste den Leiter des Herstellers Organon zu folgendem Werbespruch: „I see a ring, girl, get your ring“.
Ein entscheidender Durchbruch zur raschen und sicheren frühzeitigen Schwangerschaftsbestimmung gelang erst ab 1975 mit monoklonalen Antikörpern, mit deren Hilfe erstmalig verlässlich zwischen dem Schwangerschaftshormon hCG und dem Hypophysenhormon LH unterschieden werden konnte.
Parallel zu den biologischen und pharmakologischen Methoden wurde auch mit bildgebenden Verfahren experimentiert. Anfang des 20. Jahrhunderts setzte man große Hoffnungen auf die Röntgentechnik. Doch ist die Technik schwer zu erlernen, ein sicherer Nachweis erst ab dem Ende des vierten Monats möglich und die Methode gilt insgesamt als bedenklich [5]. Heute kann eine Schwangerschaft ungefähr ab der sechsten Schwangerschaftswoche per Ultraschalluntersuchung festgestellt werden. Dabei ist anfänglich nur der Fruchtsack in der Gebärmutter sichtbar. Der Fötus selbst ist erst eine Woche später zu sehen.
Bis in die 1970er-Jahre konnten Schwangerschaftstests nur in spezialisierten Labors oder in der gut ausgestatteten Arztpraxis durchgeführt werden. Es gab noch keine Tests für zu Hause; es schien manchen Ärzten sogar besser so, damit die Frau beim Feststellen einer (ungewollten) Schwangerschaft nicht „auf dumme Gedanken“ kommen könnte: „[...] aus taktischen Gründen empfiehlt es sich manchmal, nicht gleich bei der ersten Untersuchung die Diagnose bestimmt mitzuteilen, z. B. bei Unverheirateten, bei denen man Veranlassung hat, anzunehmen, dass ihnen eine Schwangerschaft unwillkommen ist [6].“
Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch
Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS) in Wien ist das weltweit einzige Museum, das sich seit 2007 ausschließlich den Schwerpunkten Empfängnisverhütung, Schwangerschaftstests und Schwangerschaftsabbruch widmet. Seine Aufgabe ist es, wissenschaftlich korrekte Informationen über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Verhütung, Schwangerschaftstests und Schwangerschaftsabbruch anzubieten. Damit soll die „Wucht der Fruchtbarkeit“ greifbar gemacht werden: Durchschnittlich 15 Schwangerschaften pro Frauenleben sind natürlich, naturgewollt. Von den etwa zehn Kindern, die Frauen früher bekamen, haben rund sieben Kinder überlebt. Das ist den meisten Menschen aus wirtschaftlichen, sozialen oder anderen Gründen aber zu viel – früher wie heute. Die Beschränkung der Kinderzahl war und ist daher für alle Generationen und die meisten Kulturen ein wichtiges Thema. Ein besonderer Schwerpunkt der Museumsarbeit ist die Wissensvermittlung an Jugendliche unter Berücksichtigung von Alter, Vorwissen, Geschlecht, sozialem und kulturellem Kontext. Ziel ist ein selbstbestimmter Umgang mit der eigenen Fruchtbarkeit. Schauobjekte, Modelle, Akten, Schriften und Filme werden den Besuchern in drei Schauräumen präsentiert. Das virtuelle Museum kann unter www.de.muvs.org per Museumstour besucht werden. Das Kernstück ist eine umfangreiche Datenbank von Sammlung und Bibliothek, die gratis zur Verfügung stehen.
Der österreichische Gynäkologe Hermann Knaus (1892 bis 1970) wurde gemeinsam mit dem japanischen Arzt Kyusaku Ogino (1882 bis 1975) als Entdecker der sicheren und unsicheren Tage im Zyklus der Frau bekannt. Im Rahmen seines Schwerpunktes Bewahrung österreichischen Kulturgutes führt das Museum ein umfangreiches Teilarchiv zu Hermann Knaus.
Selbsttest – ein Schritt zur Emanzipation der Frau
Doch im Zuge von Contergan-Katastrophe, der steigenden Angst vor einer Röteln-Infektion in der Schwangerschaft, den Diskussionen um die negativen Auswirkungen von Alkohol und Rauchen und schließlich den verbesserten Behandlungsmöglichkeiten ungewollt Kinderloser stieg der Druck, möglichst früh eine Schwangerschaft zu erkennen. Der Umschwung in Richtung Selbsttest erfolgte, als britische Frauenorganisationen erkannten, dass die Macht der Entscheidung so lange beim Arzt und nicht bei der Frau lag, so lange der Schwangerschaftstest eine ärztliche Leistung blieb. Aktivistinnen erlernten die Handhabung der kommerziellen Tests, liefen gegen die Weigerung der Hersteller an, Testkits an nicht medizinische Institutionen auszuliefern, entwickelten Beratungsleistungen und gewannen Ärzte und Ärztinnen zur Betreuung. Aus dem Schwangerschaftstest war ein Kampfmittel der Frauenemanzipation geworden [7].
Im Gegensatz zu heute ähnelten die ersten modernen Testkits noch einem kleinen Chemielabor mit entsprechend abgefassten Anleitungen (Abb. 4).
Fachtermini wie „Agglutination“ mussten in allgemein verständliche Formulierungen übersetzt, die ganze Anleitung an die Praxis in Frauenzentren angepasst, freiwillige Testerinnen angelernt, Qualitätsstandards ausgearbeitet und abgestimmt werden. Wie sollte der jeweiligen Frau das Testergebnis kommuniziert werden? Die Grundannahme, dass nur solche Frauen zum Test kämen, die eine Schwangerschaft befürchteten, musste bald revidiert werden. Daher wurde das anfängliche „Sie sind nicht schwanger“ modifiziert zu einem wertfreien „Der Test ist negativ“. Auch die anfangs gestellte Frage „Wie verhüten Sie?“ wurde aufgegeben, denn sie machte bei einer gewollten Schwangerschaft keinen Sinn. Ein weiterer Lernprozess der Aktivistinnen betraf die Betreuung von Frauen, die – aus welchem Grund noch immer – nach Mitteilung des Testergebnisses in Tränen ausbrachen. Und schließlich mussten organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, damit die Frauenzentren ihren Klientinnen Privatheit und Vertraulichkeit gewährleisten konnten.
Von da aus war es nicht mehr weit zum häuslichen Selbsttest. 1980 wurde ein entsprechendes Prinzip von Unipath Ltd. in Großbritannien patentiert, nach dem alle heute verfügbaren Stäbchenschnelltests arbeiten: Urin wird auf den Gehalt an menschlichem Choriongonadotropin (hCG) geprüft, dem Schwangerschaftshormon, das die Eizelle gleich nach der Befruchtung und später die Plazenta produziert. Über die Blutbahn gelangt das Hormon in die Nieren und wird dann mit dem Urin ausgeschieden. Für die Entwicklung eines Schnelltests waren mehrere Hindernisse zu überwinden: Zum einen die Scham vieler Frauen, sich mit dem eigenen Urin zu beschäftigen. Zum anderen mussten die notwendigen Testbestandteile verkleinert und zusammengebracht, die anfängliche Störanfälligkeit der Reaktion reduziert (bloß nicht schütteln!), die Reaktionsgeschwindigkeit beschleunigt und schließlich das Ablesen des Testergebnisses leicht gemacht werden. Ferner war auch die Genauigkeit zu verbessern. hCG wird zwar nur während der Schwangerschaft produziert und ist deshalb sehr spezifisch. Allerdings ist es chemisch dem Hormon LH sehr ähnlich, das von der Hirnanhangdrüse produziert wird. Beide Hormone sind in der sogenannte Alpha-Kette identisch, unterscheiden sich aber in der Beta-Kette. Bei früheren Tests kam es immer wieder zu falschen Ergebnissen, weil versehentlich LH gemessen wurde. Erst mit den sogenannten β-hCG Tests ist es gelungen, spezifisch nur das Schwangerschaftshormon zu bestimmen. |
Literatur
[1] Haimov-Kochman R. Reproduction concepts and practices in Ancient Egypt mirrored by Modern Medicine.Europ J Obst Gyn Repr Biol. 2005;123:3-8
[2] Gélis J. Die Geburt – Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500 bis 1900. Diederichs, München 1989
[3] Bardenheuer H. Die Unfruchtbarkeit der Frau. Lehmanns Verlag, 1942:17, München/Berlin
[4] Hasenbein G. Ein Schwangerschaftstest am Regenwurm. Archiv für Gynäkologie 1951;181:15-28
[5] Stoeckl W. Lehrbuch der Geburtshilfe, Jena: Gustav Fischer Verlag, Jena 1920:207f
[6] Olszynko-Gryn J. The feminist appropriation of pregnancy testing in 1970s Britain. Women’s History Review, Cambridge, 2017
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