Arzneimittel und Therapie

Familienplanung: Natürliche Verhütungsmethoden sind gefragt

Vor genau 4 Jahren, am 1. Januar 1961 kam mit Anovlar das erste orale Kontrazeptivum der Firma Schering auf den Markt. Die Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft, die Frauen seit Jahrtausenden begleitete, war seitdem in den modernen Industrieländern gebannt. Bewusste Familienplanung ist durch die Pille selbstverständlich geworden; der Kinderwunsch wird zugunsten der Ausbildung und Karriereplanung auf einen späteren Lebensabschnitt verschoben. Bei Frauen ab Mitte 20 steigt nun das Interesse an natürlichen Verhütungsmethoden wieder an. Moderne Hilfsmittel erleichtern ihnen heute die Selbstbeobachtung ihrer Monatszyklen.

Obwohl man bis ins späte 19. Jahrhundert hinein nur sehr wenig über die biologischen Grundlagen der menschlichen Fortpflanzung wusste, reichen die Kenntnisse über schwangerschaftsverhütende Maßnahmen weit zurück. Im Ägypten der Pharaonenzeit und im römischen Kulturkreis war es üblich, Tampons als Sperre gegen die Samenflüssigkeit einzuführen.

Durch die Vorbehandlung mit verschiedensten tierischen und pflanzlichen Materialien, wie zum Beispiel mit Honig aus Akazienblättern, könnten diese Tampons durchaus eine spermizide Wirkung gehabt haben. Die Römer benutzten auch Präservative, doch sind Angaben über das verwendete Material nicht überliefert. Der Koitus interruptus ist als Verhütungsmethode ebenfalls lange bekannt und wird sogar in der Bibel (Genesis 38, Vers 9) erwähnt. Durch die Verbreitung des Christentums veränderte sich in Europa die Einstellung zur Sexualität und Verhütung grundlegend. Bestimmend wurde die auf Augustinus zurückgehende Doktrin der Kirche, dass der Sexualakt ausschließlich der Kindeszeugung dienen dürfe.

In der Frühen Neuzeit beschäftigte man sich vor allem mit der Verhütung sexuell übertragbarer Krankheiten wie der Syphilis. Hierzu empfahl der italienische Arzt Fallopius in seinem Werk "de morbe gallice" (1564), mit Medikamenten getränkte Leinensäckchen über den Penis zu ziehen. In Frankreich fertigte man Präservative, sogenannte französische Blasen, aus Blinddarmmembranen an.

Die hohe Säuglingssterblichkeit bei allgemein niedriger Lebenserwartung, verstärkt durch die Entvölkerung ganzer Landstriche durch Pest und andere Epidemien, machten eine hohe Geburtenzahl in dieser Epoche notwendig, und die Empfängnisverhütung spielte somit keine große Rolle.

Gesellschaftspolitischer Zündstoff

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeichnete sich ein tiefgreifender Wandel ab. Der hohe Bevölkerungsdruck in den entstehenden Ballungsräumen sowie der steigende Bildungsgrad in der bürgerlichen Mittelschicht ließen die Empfängnisverhütung wieder in den Blickpunkt rücken. Der Wissensstand über die menschliche Fortpflanzung war nach wie vor gering, und die Geburtenzahl pro Frau stieg an. Mit dem Kondom aus Gummi kam am Ende des 19. Jahrhunderts das erste Verhütungsmittel als Massenware auf den Markt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die Kenntnis durch, dass es fruchtbare und unfruchtbare Tage der Frau gibt. Der Österreicher Knaus und der Japaner Ogino entwickelten ihre Kalendermethode, nach der Frauen nur zwischen dem 9. bis 17. Tag ihres Zyklus empfängnisbereit sind. Als später der thermogenetische Effekt des Progesterons entdeckt wurde, entstand darauf aufbauend die häufig praktizierte symptothermale Methode. Gesellschaftlich blieb das Thema natürliche Verhütung ein Tabu; erst Mitte des 20. Jahrhunderts fand es Zugang zu den medizinischen Hörsälen.

In den USA wurde mit dem Comstock-Gesetz sogar die Information über Empfängnisverhütung unter Strafe gestellt. Die erste Beratungsstelle für Frauen, von Margaret Sanger 1916 in New York eröffnet, wurde von der Polizei wieder geschlossen. Trotz aller Liberalisierung wird über Verhütung und Geburtenkontrolle immer noch kontrovers diskutiert. In vielen Ländern wird Frauen aus politischen oder religiösen Gründen diese Form der Selbstbestimmung über ihren Körper bis heute verwehrt.

Entdeckung der Hormone

Mit der Entdeckung der Corpus-luteum-Funktion durch Fraenkel (1901) und dem Nachweis der periodischen Veränderungen der Uterusschleimhaut durch Hitschmann und Adler (1908) begann die moderne gynäkologische Endokrinologie. Der Menstruationszyklus wurde als eine durch die Ovarien gesteuerte endokrine Leistung erkannt. Haberlandt erzielte durch Anwendung von Corpus-luteum-Extrakten bereits 1921 im Tierversuch eine hormonale Kontrazeption.

Nachdem es den Forschern um Butenandt und Doisy zwischen 1929 und 1935 gelungen war, die Sexualhormone Estron, Progesteron und Androsteron zu isolieren und zu identifizieren, war der Weg zur Entwicklung oraler Kontrazeptiva geebnet. Der Amerikaner Gregory Goodwin Pincus (1903-1967) entwickelte Anfang der 50er-Jahre das erste hormonale Kontrazeptivum zur Anwendung am Menschen, das als so genannte "Pille" seinen Siegeszug um die Welt begann. In Europa wurde Anovlar 1961 als erstes Präparat eingeführt.

Frau hat die Wahl

Nach den Ein-Phasen-Präparaten, bei denen Östrogen und Gestagen über 21 Tage in fixer Kombination eingenommen werden, wurden Zwei- und Dreiphasen-Pillen entwickelt, die den natürlichen Zyklus nachahmen. Deren kontrazeptive Sicherheit ist gegenüber den Ein-Phasen-Präparaten nicht reduziert, Einnahmefehler werden allerdings weniger toleriert. Die Kombinationspräparate wirken auf zwei Ebenen:

  • zentral durch Hemmung der pulsatilen GnRH-Sekretion mit verhinderter Follikelreifung und
  • peripher durch Veränderung des Zervixschleimes, Hemmung der endometrialen Proliferation und Beeinträchtigung des Spermientransportes in den Tuben.

Diese vielfältigen Hormonwirkungen erklären die hohe Zuverlässigkeit der Präparate, die auch durch starke Reduktion der Östrogendosis auf 30 µg bei den Mikropillen erhalten blieb. Im Gegensatz zu den Kombinationspräparaten enthalten die Minipillen keinen Östrogenanteil mehr und wirken ausschließlich peripher. Der Pearl-Index liegt entsprechend höher, und die Einnahme muss immer zum gleichen Zeitpunkt erfolgen.

Auch Depot-Gestagene, die alle 3 Monate intramuskulär gespritzt werden, gehören zu den sicheren Methoden. Die neueste Entwicklung auf diesem Gebiet stellt das Präparat Implanon dar, das ins Unterhautfettgewebe eingesetzt wird und ein Gestagen über mehrere Jahre kontinuierlich freisetzt.

Die hormonelle Kontrazeption ist sicher, einfach in der Anwendung und hat durch Verringerung menstrueller, prämenstrueller oder durch Androgene ausgelöster Beschwerden positive Begleiteffekte. Nach Schätzungen der WHO nehmen 55 Mio. Frauen weltweit die Pille ein.

Häufige Kontraindikationen

Die Anwendung der Pille ist durch zahlreiche Kontraindikationen eingeschränkt. Dazu gehören unter anderem kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, zyklusabhängige Migräne, Hypertonie und Epilepsie. Raucherinnen, Frauen mit Thrombosen oder Schlaganfall in der Vorgeschichte sollten ebenfalls keine Pille nehmen, auch starkes Übergewicht und ein Alter über 35 gilt als relative Kontraindikation. Außerdem kann die Einnahme oraler Kontrazeptiva durch das Auftreten starker Nebenwirkungen, wie Ödembildung, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Depressionen beschränkt werden.

Natürliche Verhütung bietet mittlere Sicherheit

In diesen Fällen stellt sich die Frage nach praktikablen Methoden der Empfängnisverhütung, die nicht in den weiblichen Zyklus eingreifen. Neben den physikalischen und lokalchemischen Methoden, die zum Teil unsicher oder auch wenig akzeptiert sind, bietet sich hier wieder die natürliche Verhütung durch Ermittlung der unfruchtbaren Tage an. Die oben erwähnten Methoden nach Knaus-Ogino und die Billings-Methode, die sich an der Spinnbarkeit des Zervikalschleims orientiert, haben einen relativ hohen Pearl-Index. Die symptothermale Methode, welche den progesteronabhängigen Anstieg der Aufwachtemperatur um 0,3 bis 0,5 Grad Celsius ermittelt, bietet eine höhere kontrazeptive Sicherheit, verlangt aber von der Frau einen großen Aufwand und regelmäßige Lebensweise.

Eine neue Möglichkeit, den eigenen Zyklus zu beobachten und die unfruchtbaren Tage zu ermitteln, eröffnete sich durch die Hormonbestimmung im Urin. Über ein einstufiges Immunoassay lassen sich der Hauptmetabolit des Estradiols E3G und das luteinisierende Hormon (LH) im Morgenurin nachweisen. Während der Estradiolspiegel in der ersten Zyklushälfte kontinuierlich ansteigt, stellt der plötzliche Anstieg des luteinisierenden Hormons 24 bis 36 Stunden vor der Ovulation die sicherste Vorhersage dieses Ereignisses dar. Mit Hilfe von Teststreifen registriert ein kleiner Computer im ersten Zyklus 16 Messwerte. In den folgenden Monaten benötigt er nur noch 8 Messungen, um den Zeitpunkt der Ovulation zu ermitteln und die fruchtbaren Tage zu errechnen. Der Anwenderin des Zykluscomputers werden die fruchtbaren Tage durch ein rotes, die unfruchtbaren Tage durch ein grünes Licht mitgeteilt.

Diese moderne Variante der natürlichen Empfängnisverhütung erreicht einen Pearl-Index von 6 und zählt damit zu den Methoden mit mittlerer Sicherheit. Für junge Mädchen und in Fällen, wo eine Schwangerschaft absolut ausgeschlossen werden soll, ist sie also nicht zu empfehlen.

Für Frauen, die einen späteren Kinderwunsch nicht ausschließen und die den hormonellen Veränderungen ihres Körpers Aufmerksamkeit schenken, ist diese Methode bequem und vorteilhaft. Die regelmäßige Ermittlung des Eisprungs kann auch für die spätere Planung einer Schwangerschaft von Nutzen sein. Ein Zyklus zwischen 23 und 35 Tagen mit regelmäßigem Eisprung ist für die Anwendung dieses Geräts notwendig.

Kastentext: Der Pearl-Index

Gemessen wird die Sicherheit durch den Pearl-Index, der die Zahl ungewollter Schwangerschaften, die in 100 Frauenjahren, das heißt in 1200 Anwendungsmonaten, mit einer bestimmten kontrazeptiven Methode eintreten. Verhütungsmethoden mit einem Pearl-Index unter 1 gelten als sicher, zwischen 1 und 5 als relativ sicher. Ein Pearl-Index zwischen 5 und 10 bietet einen mittleren Schutz. Methoden, die darüber liegen, gelten als unzuverlässig.

Quelle: Pressegespräch: "Verhütung im 21.Jahrhundert", Berlin, 1. Dezember 2000, veranstaltet von Unipath Diagnostics.

Bewusste Familienplanung ist durch die Pille selbstverständlich geworden; der Kinderwunsch wird zugunsten der Ausbildung und Karriereplanung auf einen späteren Lebensabschnitt verschoben. Bei Frauen ab Mitte 20 steigt nun das Interesse an natürlichen Verhütungsmethoden wieder an. Moderne Hilfsmittel erleichtern ihnen heute die Selbstbeobachtung ihrer Monatszyklen. 

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