Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

14.04.2013, 08:00 Uhr


Endlich, würde man nicht deutlich fühlen, dass der Frühling kommt, man könnte meinen, Weihnachten steht vor der Tür. Da liegt so eine gewisse Spannung in der Luft (von Vorfreude möchte ich allerdings nicht sprechen), liebes Tagebuch, wie man sie vor großen Ereignissen spürt. Wir schauen ganz kribbelig auf die nächsten Tagen: Das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz kommt in den Bundestag und am 18. April beginnt die Verhandlungsrunde zum Kassenabschlag. Und dann hat uns die ABDA versprochen, dass „nach Ostern“ die – nennen wir sie mal – Transparenzerklärungen kommen: wie ist die Arbeitsgruppe mit der Aufklärung um die Datenklauaffäre vorangekommen, welche Gelder sind an die Agentur des damaligen ABDA-Sprechers geflossen und wie wird man in Zukunft maximale Transparenz herstellen? Ach, wie sind wir doch gespannt...

8. April 2013

Wieder mal Wasserstandsmeldungen vom Versandhandel, hier der OTC-Anteil: Er hat sich in den letzten drei Jahren auf einen Marktanteil zwischen zehn und zwölf Prozent eingependelt. Der Anteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die von Versandapos verschickt werden, liegt dagegen nur bei sechs Prozent – aus der Sicht der Branche ist das nicht befriedigend. Die Gründe vermutet man zum einen in der unklaren Rechtslage für Bonus-Regelungen. Wie viel Bonus darf’s nun sein? Mit Spannung erwartet: am 8. Mai verkündet der Bundesgerichtshofs sein Urteil, ob ein Bonus von 1,50 pro Arzneimittel zulässig ist. Hoffentlich nicht. Ist doch ein Irrsinn: Da hoffen wir alle auf ein paar Euro mehr Nachtdienstzulage oder ein paar Cent weniger Kassenabschlag, und so manche Apotheker glauben, mit Boni um sich werfen zu können. Und den anderen Grund für den niedrigen Rx-Umsatz sehen die Versender im Papierrezept. Gäbe es das Rezept auf einer Chipkarte, dann, ja, dann würden wohl die Terminals aus dem Boden schießen: Chipkarte rein und ab die Post. Also, angesichts der faktisch nicht stattfindenden Beratung bei einer Bestellung im Versandhandel, kann man froh sein, dass wir nicht so weit sind.

9. April 2013

Drei Apothekerinnen (Gabriela Aures, Ann-Katrin Kossendey, Christiane Patzelt) und der Ehemann einer Apothekerin (Rolf Lachenmaier) hatten nette und witzige Ideen für eine Sympathiekampagne, mit der die Apotheke vor Ort gestärkt werden soll. Sie durften ihre Plakatentwürfe, die man sich auch als Anzeigen vorstellen kann, sogar auf der ABDA-Klausurtagung präsentieren. Bei den Damen und Herren des ABDA-Gesamtvorstands sollen die Vorschläge gut angekommen sein. Man wolle die Entwürfe aufgreifen, um eine Kampagne daraus zu entwickeln, so soll der Tenor der ABDA gewesen sein. Jetzt aber sind die Kreativen enttäuscht, liebes Tagebuch. Schon fast zwei Monate sind seitdem vergangen und nichts ist passiert. Hhmm, da wird wohl auch so schnell nichts kommen. Einen Mann für die Öffentlichkeitsarbeit gibt es zurzeit nicht. Aber halt, liebes Tagebuch, der Spiegel hat doch gerade seinen Chefredakteur vor die Tür gesetzt. Vielleicht fragt die ABDA mal bei Herrn Mascolo an, ob er Lust hat, den Apothekern zu zeigen, wie Öffentlichkeitsarbeit geht.

DocMorris will’s wissen. Schon wieder. Obwohl das Landgericht Köln bereits Anfang März ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 Euro gegen die niederländische Versandapotheke festsetzte, weil sie eine ergangene einstweilige Verfügung nicht beachtet hatte, macht der Versender unbeirrt weiter: statt bis zu 15 Euro gibt’s jetzt sogar bis zu 20 Euro Prämie, wenn die Kunden einen läppischen Arzneimittel-Check ausfüllen. Da lachen selbst die Richter und machen deutlich, dass der Arzneimittel-Check nur ein vorgeschobenes Feigenblatt ist, um auch weiterhin mit dieser verkappten Bonusregelung Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Gegen das Ordnungsgeld legte DocMorris, wie es sich für diese Versandapo gehört, sofort Beschwerde ein. Am 14. Mai wird die Entscheidung erwartet. Rechtsexperten gehen davon aus, das  DocMorris gegen Windmühlen kämpfen will...

Also, am 18. April wird’s spannend, die erste Verhandlungsrunde in Sachen Kassenabschlag ist angesetzt. Im Ring: Weniger als 1,75 steht gegen 2,05 oder mehr. Der Vorsitzende Dr. Rainer Hess will eine Paketlösung, sprich: der Kassenabschlag soll für mindestens zwei Jahre bis Ende 2014 festgelegt werden. Gleichzeitig sollen auch die noch offenen Verfahren aus den Jahren 2009 und 2010 aus dem Weg geräumt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, liebes Tagebuch. Die Taktik der Krankenkassen: Die Apotheker bekommen ja schon mehr Geld durch das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz – womit sich die Finanzlage der Apotheker doch verbessere. Deshalb müsse der Kassenabschlag mindestens 2,05 Euro oder sogar mehr sein. Ist zwar der größte Quatsch, aber die Kassen wollen’s einfach mal versuchen. Herr Hess, davon lassen Sie sich doch nicht blenden!

Die PTA-Ausbildung wird diskutiert. Verlängern oder so lassen, Inhalte nur ändern oder mehr Inhalte hinzugeben? Von Adexa kommt der Vorschlag, die theoretische Ausbildung an der Schule um ein halbes Jahr zu verlängern. Darüber kann man streiten, ob’s das bringt. Aber vor allem kommt es darauf an, was in dem halben Jahr gelehrt werden sollte. Aus meiner Sicht wäre dringend: Kommunikation – mit vielen praktischen Übungen, Rollenspielen. Mit dem Kunden sprechen lernen, heißt der Lehrstoff.

10. April 2013

Auf der Umsatz-Hitliste der Freien Berufe auf Platz eins: die Apotheker. Das sagt die Umsatzsteuerstatistik. aus 2010. Mit durchschnittlich über zwei Millionen Euro hatten die Apotheker die höchsten steuerbaren Umsätze. Aber was sagt das aus? Es sind Umsätze! Sie werden bei den Apotheken in nächsten Jahren weiter steigen aufgrund teurer Arzneimittel. Aber die Größen, auf die es ankommt, sind Rohertrag (im Sinkflug) und letztlich der Gewinn (noch mehr im Sinkflug). Ein Vergleich der Freien Berufe anhand Umsatzdaten ist noch unschärfer als ein Apfel-und Birnenvergleich.

Die Stiftung Warentest testet mal wieder die Beratung, jetzt indirekt durch eine Umfrage bei denen, die vor allem beraten werden sollten. In dieser Woche startete die Stiftung eine Umfrage bei über 65-Jährigen, ob z. B. ein Arzt oder Apotheker mit ihnen über ihre Medikamente gesprochen hat. Die Umfrage läuft bis zum 5. Mai. Na, liebes Tagebuch, da wissen wir doch schon heute das Ergebnis: Apotheken haben wieder unbefriedigend beraten. Nein, im Ernst: Ich meine, eine solche Umfrage ist wichtig. So wichtig, dass sie  eigentlich von unserer Berufsorganisation schon längst hätte ins Leben gerufen werden müssen. Wenn sich die Apotheker mehr auf dem Gebiet des therapiebegleitenden Medikationsmanagements profilieren wollen, kann’s nicht verkehrt sein, wenn – selbstkritisch – der Ist-Zustand analysiert wird: wie zufrieden oder unzufrieden sind die Ü-65-Patienten heute mit der Beratung? Um dann daraus Konsequenzen zu ziehen und sich gezielt fortzubilden. Liebes Tagebuch, wir warten auf das ABDA-Konzept zur patientenorientierten Pharmazie, und die „endgültige Positionierung des Apothekers als ratgebender Beruf“. Endgültig.

11. April 2013

Ja, die „endgültige Positionierung des Apothekers als ratgebender Beruf“ – dafür will sich der ABDA-Präsident stark machen. Sagte er erneut, diesmal auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands in Mecklenburg-Vorpommern. Der Apotheker als ratgebender Beruf soll das Ziel sein zusammen mit der patientenorientierten Pharmazie. Der Apotheker soll nicht nur Lieferant von Arzneimitteln und Dienstleistungen sein, sondern ein gleichberechtigtes Mitglied im therapeutischen Team. Daher müsse auch die Approbationsordnung weiterentwickelt werden: mehr Pharmakologie, mehr klinische Pharmazie und Gesundheitswissenschaften, ohne die naturwissenschaftliche Basis aufzugeben. Alles richtig. Kann man doch so unterschreiben, liebes Tagebuch. Aber wäre es jetzt nicht an der Zeit, dieses Statement nicht nur in Gesprächen, regionalen Ansprachen und Interviews zu verbreiten, sondern es auszuformulieren und ganz offiziell zur Leitlinie des modernen Apothekerberufs auszurufen, abgesegnet vom ABDA-Gesamtvorstand?

Es wird Ernst mit der EU-Fälschungsrichtlinie. Sie muss ab 2017 laufen. Im Klartext: Bis dahin müssen alle verschreibungspflichtigen Arzneimittelpackungen den Data-Matrix-Code auf der Packung tragen, der über die entsprechenden IT-Lösungen bei den Herstellern, Großhandlungen und Apotheken verifiziert werden kann. Wir haben zwar erst 2013, aber die kommenden drei Jahre sind eine nicht mehr lange Zeit, wenn man weiß oder auch nur ahnt, was es heißt, ein solches IT-System auf die Beine zu stellen. Das dann auch funktionieren soll. 24 pharmazeutische Unternehmen haben derzeit fast drei Millionen Packungen mit dem Sicherheitsmerkmal ausgestattet. Das muss zügiger gehen. Apotheken sind auch in der Pilotphase der Erprobung dabei. Wer noch mitmachen will, kann sich bei seinem Apothekerverband melden. Liebes Tagebuch, es ist egal, ob man das System, so wie es laufen soll, für sinnvoll hält oder nicht. Es wird eingeführt. Punkt.

12. April 2013

Ach ja, da gibt es noch unser liebes ABDA-KBV-Modell. Es hängt und hängt und hängt in Warteschleifen. Obwohl bereits ein Vertragsentwurf vorliegt. Apotheker sind nicht daran schuld, dass es nicht weiter geht. Es hakt zwischen Ärzten und Krankenkassen in der – na klar, in der Honorarfrage. Ärzte machen nichts, wenn die Kohle nicht stimmt. Apropos Honorar: es soll tatsächlich noch keine Vorschläge geben, wie die am Modellversuch teilnehmenden Ärzte und Apotheker honoriert werden. Und datenschutzrechtliche Probleme scheint es auch noch zu geben bei der Frage des  Datenaustausches zwischen Apothekern, Ärzten und Krankenkassen. Tja, alles nicht so einfach, liebes Tagebuch, so eben mal ein bisschen Modellversuch machen. Seltsam nur, dass die Vernetzung zwischen Ärzten und Apothekern in anderen Ländern besser läuft, zum Beispiel in den Niederlanden.

Was der gesunde Menschenverstand schon lange forderte, könnte bald Wirklichkeit werden: ein Ende des Retaxationswahns! Fast zwei Jahre haben die Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband gedauert. Jetzt hat sich der Vertragsausschuss auf Änderungen im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung geeinigt. In Zukunft wird es wohl nicht mehr so schnell zu Retaxationen kommen können, denn geringfügige Formfehler auf dem Verordnungsblatt sollen geheilt werden können, d.h., der Apotheker hat die Chance, den Fehler zu korrigieren. Und: Bei Retaxationen muss die Kasse den ihr entstandenen Schaden grundsätzlich konkret belegen. Mein liebes Tagebuch, dass wir das noch erleben dürfen!

Ja, wo bleibt er denn? Wo bleibt der angekündigte Prüfbericht zu den internen Vorgängen bei der ABDA im Zusammenhang mit der Datenklauaffäre beim Bundesgesundheitsministerium und den Geldflüssen der ABDA an die vom früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz mitgegründete Kommunikationsagentur El Pato?  ABDA-Präsident Schmidt hatte nach dem Bekanntwerden der Datenaffäre im Dezember 2012 „maximale Transparenz und schnelle Aufklärung“ versprochen. Eine Wirtschaftsprüfungskanzlei wurde daraufhin im Januar beauftragt, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Dem Vernehmen nach dürfte der Bericht kurz vor seiner Fertigstellung stehen. Nach Auskunft des Apothekerhauses soll er nochmal überarbeitet und voraussichtlich kommende Woche fertiggestellt werden. Liebes Tagebuch, ein Aussitzen wird es hier nicht geben können. Denn nicht nur wir sind gespannt, welche Vorgänge und Geldflüsse es da gegeben hat. Andererseits, was wird man erwarten dürfen? Viel mehr als wir bisher schon wissen?

13. April 2013

Sächsischer Apothekertag in Chemnitz. Friedemann Schmidt, nicht nur ABDA-Präsident, sondern auch Apothekerkammerpräsident im Freistaat Sachsen, führte souverän, humorvoll und routiniert durch den berufspolitischen Samstagvormittag. Das kann er. Die Podiumsdiskussion mit fünf Frauen und einem Mann, die er locker moderierte, brachte zwar nichts grundlegend Neues, aber immerhin: die vier anwesenden Sprecherinnen für Gesundheitspolitik des Sächsischen Landtags von CDU, FDP, SPD und Die Linke schätzen die Arbeit des Apothekers, wollen sich für den Erhalt des Pharmazeutischen Instituts in Leipzig einsetzen und wollen alles tun, die Gesundheitsversorgung in Sachsen zukunftsfest zu machen. Der Vertreter der AOK ließ durchblicken, dass Apotheker und Kassen gut miteinander reden und Probleme beseitigen können. Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, zeigte sich für viele Ideen offen, um die flächendeckende Versorgung trotz Apothekenschwund aufrechtzuerhalten. Allerdings: Alles, was nach Apotheke light aussieht, kommt bei ihr nicht in die Tüte.

Und, liebes Tagebuch, was sich Schmidt in seiner Ansprache wünschte, konnte man unterschreiben: Wir brauchen den Apotheker 2.0! Er meint damit den Apotheker, der seine Beratung ausbaut in Richtung Medikationsmanager, der neue Dienstleistungen anbietet und auf Augenhöhe mit Ärzten zusammenarbeitet. Allerdings, und das sieht er richtig, viele Kolleginnen und Kollegen haben Angst davor, diesen Schritt zu tun. Aber, wenn nicht jetzt, wann dann. Denn die Konstellation, diesen Schritt zu tun, sei günstig: Patienten, Politik und die äußeren Umstände sprechen für diese Entwicklung. Ist alles richtig und hört sich gut an, liebes Tagebuch, nur manchmal hat man das Gefühl, Schmidt steht als Einzelkämpfer vorne und die ABDA-Mannschaft zieht noch nicht recht mit – oder?


Und zum Schluss die Überraschung in Chemnitz: „Ganz besonders“ begrüßte Schmidt seinen „alten Freund und Kampfgefährten Heinz-Günter Wolf“. Ja, liebes Tagebuch, du liest richtig, er ist wieder aufgetaucht, er ist wieder da: der frühere ABDA-Präsident H.-G. Wolf. Seit Dezember vergangenen Jahres – nach der ABDA-Krise um Daten, Ex-Pressesprecher und Agenturzahlungen – hatte er sich, obwohl noch im Amt, in der Öffentlichkeit nicht mehr zu Wort gemeldet, war er für Statements nicht mehr zu haben. Einfach so weg, von heute auf morgen. Der damalige Vize Schmidt hatte schon im Dezember das Krisenmanagement übernommen. Und dann beim Jahreswechsel: Keine offiziellen Abschiedsworte der ABDA, als Wolf sein Amt als ABDA-Präsident an Schmidt abgab. Viele fragten sich, warum lief das alles so, wie es lief? Eine  Antwort aus dem Apothekerhaus gab es dazu nicht und wird’s wohl nicht geben. Soll man sich eine Antwort denken? Vermutlich gehört das zu den Dingen, die man einfach so lässt (oder lassen soll) wie sie sind, oder?


Peter Ditzel


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