Personalisierte Ernährung

Was für den einen gut ist, kann für den anderen schlecht sein

Remagen - 03.12.2015, 07:30 Uhr

Den einen machen Kekse dick, den anderen nicht. Forscher haben untersucht, woran es liegt. (Foto: haveseen/ Fotolia)

Den einen machen Kekse dick, den anderen nicht. Forscher haben untersucht, woran es liegt. (Foto: haveseen/ Fotolia)


Es könnte wirklich etwas dran sein: Während einige ständig Kuchen essen können, ohne davon dick oder gar krank zu werden, legen andere schon zu, wenn sie einen Keks nur sehen. Neue verblüffende Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Menschen Nahrungsmittel in der Tat unterschiedlich verwerten.

Dass Medizin nicht nach dem Prinzip „Einer für alle“ funktioniert, wissen wir schon länger. Jeder besitzt einen individuellen Genbestand und Gesundheitszustand, und der Lebensstil tut sein Übriges. Alle diese Faktoren scheinen aber auch einen Einfluss darauf haben, wie der Körper auf die Ernährung reagiert. Das hat eine Wissenschaftlergruppe vom renommierten israelischen Weizmann-Institut in Rehovot unweit von Tel Aviv gezeigt. Ihre Studie mit dem Titel „personalised nutrition project" wurde von den Gruppen um Eran Segal von der Abteilung für Computer-Wissenschaften und Angewandte Mathematik und den Immunologen Eran Elinav durchgeführt. Die spannenden Befunde veröffentlichten sie in der Zeitschrift „Cell“. 

46.000 Mahlzeiten bewertet

An 800 Personen mit unterschiedlichen Profilen untersuchten die Wissenschaftler, wie sich verschiedene Nahrungsmittel auf den Blutzuckerspiegel auswirken. „Wir haben uns auf den Blutzucker konzentriert, weil erhöhte Konzentrationen ein wichtiger Risikofaktor für Diabetes, Adipositas und metabolisches Syndrom sind“, begründet Segal den Ansatz. Insgesamt bewerteten sie die individuellen Reaktionen auf mehr als 46.000 Mahlzeiten. Die Teilnehmer zeichneten die Nahrungsmittel, die sie gegessen hatten, eine Woche lang über eine Smartphone-App auf. Dasselbe machten sie mit ihren täglichen Aktivitäten.  

Glukosemonitore verfolgten die Veränderungen des Blutzuckerspiegels jeweils zwei Stunden nach jeder Mahlzeit. Außerdem gab jeder Teilnehmer Stuhlproben ab, damit die Forscher ihre Stuhlmikrobiome untersuchen konnten. Hierunter versteht man die Gesamtheit der Bakterien, die im Verdauungstrakt leben und eine wichtige Rolle bei Fettleibigkeit und Diabetes spielen sollen.

Verblüffende Abweichungen beim Blutzuckerspiegel

Die Forscher fanden heraus, dass verschiedene Menschen sowohl auf einfache als auch komplexe Mahlzeiten sehr unterschiedlich reagierten. „Als wir den Probanden dieselbe Mahlzeit verabreichten, haben wir bei der Blutzuckerreaktion riesige Schwankungen gesehen“, sagt Studienleiter Segal. „Bei manchen hat sich der Glukosewert nach dem Verzehr von Brot kaum geändert. Andere haben ganz stark darauf regiert. Bei einem Patienten schoss der Blutzucker in die Höhe, nachdem er Bananen gegessen hatte, aber nicht nach dem Verzehr von Keksen. Ein anderer reagierte besonders stark auf Sushi, bei Eiscreme aber kaum.“ Die beobachteten Variationen zwischen den verschiedenen Personen sollen „enorm“ gewesen sein.

Algorithmus hilft bei Vorhersagen

Aus den Ergebnissen leiteten die Forscher im nächsten Schritt einen Algorithmus ab. In einer Folgestudie an weiteren 100 Freiwilligen testeten sie, ob man damit die individuelle Reaktion auf ein Nahrungsmittel auf der Grundlage des Lebensstils, des medizinischen Hintergrundes und der Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms einer Person vorher sagen konnte. Das klappte tatsächlich. Nicht nur der Anstieg des Blutzuckers als Reaktion auf verschiedene Nahrungsmittel ließ sich mit dem Algorithmus abschätzen, sondern auch der Einfluss des Lebensstils darauf, wie etwa Sport oder Schlafphasen.

Personalisierte Ernährung für Risikogruppen

In der letzten Phase der Studie wollten die Forscher schließlich noch wissen, ob auf der Grundlage ihres Algorithmus auch persönliche Ernährungsempfehlungen etwa zur Senkung des Blutzuckerspiegels möglich waren. Freiwillige erhielten für eine Woche eine individuell auf sie zugeschnittene „gute" oder „schlechte" Ernährung“, jeweils mit derselben Anzahl an Kalorien, aber unterschiedlich zusammengesetzt. Auch hierbei hatten die Forscher Erfolg.

Während die personalisierte „gute" Ernährung dazu beigetrug, den Blutzuckerspiegel stetig auf einem gesunden Niveau zu halten, erlebten die Probanden mit der für sie „schlechten“ Nahrung oft Spitzen im Blutspiegel. Außerdem zeigten sich durch die personalisierten Mahlzeiten konsistente Änderungen in der Zusammensetzung der Darmmikroben. 

Diese ersten Informationen könnten in Zukunft dazu verwendet werden, um persönliche Ernährungsempfehlungen für die Prävention und Behandlung von Fettleibigkeit und Diabetes zu entwickeln, hofft der Immunologe Elinav. Das Team vom Weizmann-Institut hat deshalb schon damit begonnen, Freiwillige mit entsprechend Risiken in eine längerfristige Follow-up Studie zu gewinnen.  

Studie: Zeevi D et al. Personalized Nutrition by Prediction of Glycemic Responses. Cell. 2015 Nov 19;163(5):1079-94. 


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