Ernährung

H. Hauner"Süßes" für Diabetiker

Ziel der Diabetestherapie ist die weitgehende Normalisierung des gestörten Glucosestoffwechsels, um die hohe Begleitmortalität zu senken. Dafür stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die je nach Diabetestyp, -schweregrad und individueller Situation einzusetzen sind. Während beim Typ-1-Diabetes die Substitution des fehlenden Insulins im Vordergrund steht, stellt die richtige Ernährung und Gewichtskontrolle in der Behandlung des Typ-2-Diabetes oft die entscheidende Behandlungsmaßnahme dar.

Eine Vielzahl epidemiologischer Studien hat sich mit dem Einfluss der Ernährung auf die Diabetesentstehung beschäftigt. So ergab beispielsweise eine kürzliche Auswertung der Ernährungsgewohnheiten bei den Teilnehmerinnen der Nurses Health Study, dass ein reichlicher Verzehr von komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen mit einem niedrigeren Diabetesrisiko einhergeht, im Vergleich zu einer Ernährung mit einem hohen glykämischen Index und wenig Ballaststoffen [1].

In der holländischen Zuphten-Studie an Männern im mittleren Lebensalter war ein hoher Verzehr von Mono- und Disacchariden mit einer niedrigeren Inzidenz einer gestörten Glucosetoleranz assoziiert. Dagegen fand sich ein positiver Zusammenhang zwischen Fett- bzw. Cholesterinaufnahme einerseits und Nüchternblutglucose bzw. gestörter Glucosetoleranz andererseits [2].

Möglicherweise ist aber auch die Fettsäurezusammensetzung der Kost von Bedeutung. So zeigte eine Studie aus Italien, dass ein hoher Konsum an einfach ungesättigten Fettsäuren in Form von Olivenöl mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel einhergeht [3]. Die Beobachtung, dass Vegetarier ein geringeres Diabetesrisiko als Nichtvegetarier haben, spricht ebenfalls dafür, dass eine ballaststoffreiche Kost mit vorzugsweise komplexen Kohlenhydraten vor Diabetes schützen kann [4].

Kein striktes Zuckerverbot mehr

In der Diabeteskost herrschte jahrzehntelang ein striktes Zuckerverbot. Das zugrunde liegende Dogma, dass Zucker (Saccharose) zu einem starken Anstieg der Blutglucosewerte führt, basierte hauptsächlich auf alten tierexperimentellen Befunden, deren Bedeutung für den Menschen allerdings lange Zeit nicht ausreichend kritisch hinterfragt worden war [5].

In den Empfehlungen von Expertengremien und in Lehrbüchern galt daher bis vor wenigen Jahren der Verzicht auf Zucker bzw. zuckerhaltige Speisen als eines der wichtigsten Prinzipien der Diabeteskost. Noch 1994 wurde in Deutschland die Freigabe des gewöhnlichen Zuckers für die Ernährung des Diabetikers entschieden abgelehnt [6]. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder die Befürchtung geäußert, dass damit die Gefahr eines "Dammbruchs" verbunden wäre, der letztlich zur Missachtung aller Ernährungsempfehlungen führen könnte.

Bereits Anfang der 80er-Jahre wurde das bis dahin strenge Zuckerverbot in der Diabeteskost vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse schrittweise gelockert. So akzeptierte beispielsweise das National Institute of Health in den USA 1987 einen Zuckergehalt von fünf Prozent der Gesamt-Kohlenhydratmenge, sofern dieser in Speisen enthalten war und keine begleitende Hypertriglyzeridämie vorlag [7].

1995 publizierte die Diabetes and Nutrition Study Group der European Association for the Study of Diabetes neue Ernährungsempfehlungen für Diabetiker, die von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft übernommen und in diesem Jahr erstmals aktualisiert wurden (Tab. 1) [8]. Die spezifischen Empfehlungen zur Verwendung von Saccharose sind in Tabelle 2 enthalten.

Auch die letzten Positionspapiere der American Diabetes Association sind in der Bewertung von Saccharose in der Diabeteskost nahezu deckungsgleich mit den europäischen Empfehlungen [9]. Die einhellige Ansicht dieser Expertengremien war somit, dass sich ein Zuckerverbot in der Diabeteskost nicht länger rechtfertigen lässt. Als Obergrenze wurde ein Saccharoseanteil an der Gesamtenergiemenge in der Größenordnung von zehn Prozent angegeben. Grundsätzlich beinhalten aber auch diese neuen Richtlinien, dass Kohlenhydraten und Nahrungsgemischen, die die Resorption von Glucose verlangsamen, der Vorzug gegeben werden sollte [8, 9].

Diabetiker essen in der Regel zu fett

Die Notwendigkeit für eine größere Liberalisierung und Flexibilisierung der Ernährungsempfehlungen für Diabetiker ergibt sich auch aus der Analyse der tatsächlichen Ernährungsgewohnheiten dieser Patientengruppe. Trotz intensiver Schulungsbemühungen und Beratungsaktivitäten unterscheidet sich die Durchschnittskost von Diabetikern kaum von der nichtdiabetischen Bevölkerung. Der Kohlenhydratanteil an der Gesamtenergiemenge liegt bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern lediglich in der Größenordnung von 40 Prozent, tendenziell besteht sogar ein höherer Konsum gesättigter Fettsäuren und Proteine als in der Allgemeinbevölkerung.

Die einzige beachtete Empfehlung war die weitgehende Einhaltung des Zuckerverbotes. Eine detaillierte Analyse der Ernährungsgewohnheiten von Typ-2-Diabetikern ergab ferner, dass die tägliche Zuckeraufnahme (Saccharose) noch Anfang der 90er-Jahre bei lediglich 18 g lag [10]. Das Zuckerverbot war auch die am häufigsten ausgesprochene bzw. einprägsamste Ernährungsempfehlung bei neu entdeckten Typ-2-Diabetikern [11].

Das Ergebnis einer solchen Beratungspraxis und des daraus resultierenden Patientenverhaltens wird heute kritisch gesehen, da das Zuckerverbot das Hauptproblem in der Diabeteskost, nämlich die hohe Fett- und Kalorienaufnahme, möglicherweise an den Rand drängt. Gerade bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern ist der Fettverzehr viel zu hoch [10]. Damit wird nicht nur die Insulinresistenz verstärkt, sondern auch die Adipositas und eventuell begleitende Fettstoffwechselstörungen unterhalten. Der Schulungs- und Beratungsschwerpunkt bei Typ-2-Diabetikern sollte daher auf der Reduzierung des Fettverzehrs liegen.

Das Zuckerverbot in der Diabeteskost hat den psychologischen Nachteil, dass sich viele Patienten an dieses klare und einfache Gebot halten, aber umso mehr die Reduktion gesättigter Fette mit allen negativen Konsequenzen für den Stoffwechsel vernachlässigen. Auch in der Normalbevölkerung wird ein geringer Verzehr von Kohlenhydraten in der Regel durch einen höheren Fettkonsum ausgeglichen [12].

Blutzuckerwirksamkeit von Kohlenhydraten

Der glykämische Index (GI) stellt ein Maß zur Quantifizierung des Blutglucoseanstiegs nach Verzehr eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels dar und beschreibt somit dessen Blutzuckerwirksamkeit. Der Begriff wurde von Jenkins und Mitarbeitern eingeführt und sollte Patienten mit Diabetes mellitus den Austausch von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln erleichtern [13]. In Deutschland hatten Otto und Mitarbeiter bereits einige Jahre vorher Kohlenhydrataustausch-Tabellen erstellt, die auf der Blutzuckerwirksamkeit von Kohlenhydraten basierten [14].

Das Konzept des glykämischen Index hat sich in der praktischen Ernährung von Diabetikern aber nicht durchsetzen können. Der praktische Nutzen des glykämischen Index in der Diabeteskost ist aus heutiger Sicht begrenzt, da zu viele Faktoren den Blutzuckerverlauf nach einer Mahlzeit beeinflussen können. Hinzu kommt, dass bei der Bestimmung der blutglucosesteigernden Wirkung einzelner Kohlenhydrate zumeist Testsysteme verwendet wurden, bei denen viele biologische Einflussfaktoren unberücksichtigt blieben. Daneben kann die glykämische Antwort von Person zu Person deutlich variieren. Einige wichtige Faktoren, die das Testergebnis verändern können, sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Die verschiedenen Methoden zur Bestim- mung des glykämischen Index wurden kürzlich kritisch und umfassend dargestellt [15]. Eine Vielzahl von Messungen der Blutzuckerwirksamkeit von Kohlenhydraten erlaubt inzwischen eine brauchbare Klassifizierung der meisten Kohlenhydrate (Tab. 3).

Die klinische Erfahrung hat somit gezeigt, dass sich der Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit mit Hilfe des glykämischen Index nicht ausreichend sicher vorhersagen lässt. Interessanterweise fanden sich bei Anwendung von Kostformen mit unterschiedlichem glykämischen Index unter isokalorischen Bedingungen nur verhältnismäßig geringe Unterschiede im Blutglucoseverhalten, sodass die günstige Wirkung von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index nicht überschätzt werden sollte. Bei insulinbehandelten Typ-1-Diabetikern kann allerdings der Insulinbedarf durchaus variieren, wenn beim Austausch von Kohlenhydraten der glykämische Index nicht beachtet wird.

Unterschiede im glykämischen Index

Man kann heute davon ausgehen, dass es zwischen einfachen und komplexen Kohlenhydraten keineswegs immer eine differente Glucose- und Insulinantwort gibt. Auch innerhalb der Gruppe der Einfachzucker bzw. komplexen Kohlenhydrate gibt es unterschiedliche glykämische Reaktionen (s. a. Tab. 4) [16, 17]. In diesem Zusammenhang sei auch auf eine frühe Veröffentlichung von Wahlqvist und Mitarbeitern verwiesen, die keinen Zusammenhang zwischen der Kettenlänge von Polysacchariden und der Blutzuckerantwort entdecken konnten [18]. Die chemische Zuordnung der Kohlenhydrate erlaubt somit keine Voraussage über den zu erwartenden Blutglucoseverlauf. Noch wichtiger für die Blutzuckerwirksamkeit von Einfachzuckern dürfte die Nährstoffzusammensetzung der einzelnen Lebensmittel sein. So ist beispielsweise der glykämische Index von Schokolade trotz des nicht geringen Saccharosegehaltes aufgrund des gleichzeitig hohen Fettanteils relativ gering [17].

Natürlicher versus "künstlicher" Zucker

Eine häufig gestellte Frage ist, ob sich zwischen natürlichem Zucker und industriell hergestelltem Zucker Unterschiede hinsichtlich des Blutzuckerverhaltens ergeben. Einfachzucker, die in ihrer natürlichen Form in Obst und anderen Pflanzen enthalten sind, verursachen oft eine flachere glykämische Antwort und geringere Insulinämie als der Zusatz von gleichen Zuckermengen zu Lebensmitteln. Auch die Bearbeitung natürlicher Lebensmittel hat Einfluss auf den blutzuckersteigernden Effekt der enthaltenen Kohlenhydrate, unter anderem weil dabei Ballaststoffe verloren gehen können. So führt beispielsweise Apfelsaft zu höheren Insulinspiegeln als die gleiche Kohlenhydratmenge in Form von Äpfeln [19]. Andere Autoren konnten diese Befunde allerdings nicht bestätigen [13].

Saccharose in der Diabeteskost

Zu den Wirkungen von Saccharose auf die Stoffwechseleinstellung von Diabetikern gibt es eine Reihe von Studien (Übersicht bei [7]). In einer Arbeit von Bantle und Mitarbeitern [20] erhielten Typ-1- und Typ-2-Diabetiker sowie stoffwechselgesunde Personen gemischte Mahlzeiten von jeweils ca. 700 Kilokalorien, die gleiche Mengen an Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten enthielten. Von den 84 g Kohlenhydraten wurden 42 g entweder in Form von Glucose, Fructose, Saccharose, Kartoffeln oder Weizen gegeben, bei den restlichen Kohlenhydraten handelte es sich um identische Mengen von Reis und Lactose. Der niedrigste Blutzuckeranstieg fand sich für Fructose, dann folgten Saccharose, Kartoffeln, Weizen und zuletzt Glucose.

Auffällig dabei war, dass die Glucose- und Insulinanstiege nach den verschiedenen Testmahlzeiten sehr ähnlich waren. Auch bei Typ-2-Diabetikern mit guter Stoffwechseleinstellung konnten Slama et al. keinen Unterschied zwischen saccharose- und stärkereichen Mahlzeiten beobachten [21]. Selbst zuckergesüßte Getreideprodukte scheinen keinen höheren glykämischen Index als die gleichen Produkte ohne Zucker zu haben [7].

Insgesamt zeigen viele Untersuchungen, dass gemischte Mahlzeiten, die Saccharose in üblichen Mengen enthalten, die Blutglucose nicht stärker erhöhen als stärkehaltige Mahlzeiten mit gleicher Kohlenhydratmenge. Es muss aber beachtet werden, dass Zucker in der Regel zusätzlich zu anderen Kohlenhydraten verwendet wird und dieser Zusatz nicht durch einen geringeren Verzehr anderer Kohlenhydrate kompensiert wird. Da der Blutglucose- und Insulinanstieg nach einer Mahlzeit auch von der Kohlenhydratmenge abhängt, könnte daher der zusätzliche Verzehr von Zucker mit einer Verschlechterung der Diabeteseinstellung einhergehen. Bei insulinabhängigen Diabetikern muss dann unter Umständen eine Insulinanpassung vorgenommen werden.

Zuckeraustauschstoffe werden oft schlecht vertragen

Der Begriff Zuckeraustauschstoffe fasst Monosaccharide wie z. B. Fructose und Zuckeralkohole wie Sorbit, Xylit oder Isomalt zusammen, die als Gemeinsamkeit eine insulinunabhängige Verstoffwechslung und eine sehr niedrige blutzuckersteigernde Wirkung aufweisen. In Deutschland hat die Verwendung von Zuckeraustauschstoffen eine lange Tradition. Sie werden seit langem als Austauschzucker für Saccharose in speziellen Diabetikersüßwaren verwendet.

Zuckeraustauschstoffe haben aber den Nachteil, dass sie im Intestinaltrakt relativ schlecht resorbiert werden und bereits in Mengen von 10 bis 20 g Beschwerden wie Flatulenz, Meteorismus und Diarrhö auslösen können. Auch Fructose ist deutlich schlechter verträglich als Glucose. Auf längere Sicht gravierender könnte sein, dass Zuckeraustauschstoffe dosisabhängig die Serumtriglyzeride und sogar das Serumcholesterin erhöhen können [9, 22].

Hat Fructose wirklich Vorteile?

Der Einfachzucker Fructose besitzt nur eine schwache blutglucosesteigernde Wirkung mit einem glykämischen Index von nur 20 bis 25 Prozent. Fructose wird hauptsächlich in der Leber zu Glucose und Lactat metabolisiert. Die Konversion zu Glucose bedeutet aber keine Steigerung der hepatischen Glucoseproduktion.

Viele Studien zeigen, dass mit Fructose gesüßte Lebensmittel eine niedrigere glykämische Antwort auslösen als mit Saccharose gesüßte Produkte [20]. Zu beachten ist dabei aber, dass dieser Unterschied bei Typ-2-Diabetikern deutlich schwächer ausfällt als bei stoffwechselgesunden Personen [23]. Bei Diabetikern hängt die Blutglucoseantwort auch von der Güte der Stoffwechseleinstellung ab. So ließ sich der unterschiedliche Blutzuckeranstieg nach Verzehr gleicher Mengen von Fructose und Glucose bereits bei Plasmaglucosekonzentrationen im Nüchternzustand von über 140 mg/dl nicht mehr nachweisen [24].

Wird Saccharose bei diätetisch führbaren Typ-2-Diabetikern zwei Wochen lang durch Fructose ersetzt (ca. 13 Prozent der Gesamtenergiemenge), sinken die Blutglucosespiegel, ohne dass sich gleichzeitig die Insulinkonzentrationen verändern [23]. In einer anderen Studie der gleichen Arbeitsgruppe wurde Saccharose sogar drei Monate lang durch Fructose ersetzt (76 bis 124 g pro Tag), ohne dass dabei ein signifikanter Unterschied in der Blutglucosekontrolle beobachtet werden konnte [25].

Diabetikerschokolade hält nur das Gewissen rein

Nach wie vor gibt es in Deutschland ein reichhaltiges Angebot so genannter diätetischer Lebensmittel für Diabetiker, die den Bestimmungen des § 12 der Diätverordnung unterliegen. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern werden mit solchen Produkten in Deutschland weiterhin hohe Umsätze erzielt. Es handelt sich dabei überwiegend um speziell für Diabetiker hergestellte diätetische Lebensmittel, wie z. B. Süßwaren, bei denen Saccharose durch Zuckeraustauschstoffe oder durch Süßstoffe ersetzt ist. Rationale für die Herstellung solcher Produkte ist, dass Zuckeraustauschstoffe bei Diabetikern einen geringeren Blutglucoseanstieg bewirken als die üblichen Mono- und Disaccharide und deshalb metabolisch günstiger sein sollen. Nach dem heutigen Kenntnisstand trifft dies aber nicht zu.

Nachteilig bei diesen diätetischen Lebensmitteln ist, dass der oft hohe Gehalt an Zuckeraustauschstoffen gastrointestinale Beschwerden bis hin zu Diarrhöen verursachen und außerdem zu einem Anstieg der Serumtriglyzeride führen kann. Viele spezielle Diätprodukte für Diabetiker, insbesondere Süßwaren, zeichnen sich durch einen hohen Fettgehalt aus. Damit entsprechen sie nicht den heutigen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung von Diabetikern und erhöhen das ohnehin gesteigerte Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Spezielle Lebensmittel für Diabetiker sind somit aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Ein weiterer Nachteil ist, dass solche Produkte in der Regel deutlich teurer sind als normale Lebensmittel.

In den letzten Jahren haben sich Expertengremien daher wiederholt gegen die Verwendung spezieller Diabetikerprodukte ausgesprochen [26, 27]. Besonders die Deklarierung solcher Produkte als "für Diabetiker geeignet" führt nach aller Erfahrung dazu, dass Patienten daraus den Schluss ziehen, dass der Verzehr solcher Produkte ihrer Gesundheit förderlich ist bzw. ihr zumindest nicht schadet. Damit wird die Umsetzung der modernen Ernährungsempfehlungen für Diabetiker eher behindert als gefördert.

Zusammenfassung

Die bisherigen Studien zeigen, dass die Verwendung von Saccharose in der Diabeteskost in mäßigen Mengen keinerlei negative Auswirkungen auf die Stoffwechseleinstellung hat. Im Vergleich zu vielen komplexen Kohlenhydraten führt Saccharose in "verpackter" Form zu keinem höheren Blutzuckeranstieg. Diesbezüglich lässt sich auch kein Unterschied zwischen natürlichem (intrinsischem) und zugesetztem (extrinsischem) Zucker finden. Der Blutglucoseanstieg nach Verzehr von Kohlenhydraten hängt von vielen Faktoren wie z. B. der Art der Zubereitung, der Zusammensetzung der Mahlzeit und der Menge der verzehrten Kohlenhydrate ab und lässt sich auch mit Hilfe des glykämischen Index nur begrenzt vorhersagen. Ein Zuckerverbot ist auch deshalb problematisch, weil damit die Gefahr einer zu fettreichen Ernährung wächst. Wichtigstes Ziel bei der Ernährungsberatung muss aber sein, die hohe Fettaufnahme vor allem übergewichtiger Diabetiker zu begrenzen.

Kastentext: "Für Diabetiker geeignet"

Da viele Diabetiker aus Geschmacksgründen nicht auf zuckergesüßte Speisen verzichten wollen, wurden spezielle Diabetikerprodukte entwickelt, in denen Saccharose durch so genannte Zuckeraustauschstoffe (Fructose, Zuckeralkohole) ersetzt wurde. Die Verwendung solcher Produkte ist aus wissenschaftlicher Sicht jedoch nicht sinnvoll. Die moderne Ernährung des Typ-2-Diabetikers entspricht einer ausgewogenen, gesunden Mischkost, die keiner Ergänzung durch besondere "diätetische Lebensmittel" bedarf.

Kastentext: Beratungsschwerpunkt: weniger Fett

Der Schulungs- und Beratungsschwerpunkt bei Typ-2-Diabetikern sollte auf der Reduzierung des Fettverzehrs liegen. Das Zuckerverbot in der Diabeteskost hat den psychologischen Nachteil, dass sich viele Patienten an dieses klare und einfache Gebot halten, aber umso mehr die Reduktion gesättigter Fette mit allen negativen Konsequenzen für den Stoffwechsel vernachlässigen. Ein geringerer Verzehr an Kohlenhydraten wird in der Regel durch einen höheren Fettkonsum ausgeglichen.

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Nachdruck aus "Süßwaren in der modernen Ernährung - Ernährungsmedizinische Betrachtung", Thieme-Verlag 1999, mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers und der Redaktion.

Die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker haben sich in den letzten Jahren gewandelt, so kann vor allem das strikte Zuckerverbot nicht länger gerechtfertigt werden. Der Beratungsschwerpunkt sollte mehr auf der Reduzierung des Fettverzehrs liegen, denn viele Patienten hielten sich an das einfache Zuckerverbot, glichen aber den geringeren Verzehr an Kohlenhydraten durch einen höheren Fettkonsum aus. Auch für den Einsatz so genannter Diabetikerprodukte gibt es keine Begründung. Wie die richtige Ernährung für den Diabetiker aussieht, lesen Sie in diesem Heft. 

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